Leitartikel

Keine Tränen

Nein, für die betroffenen Offenen Immobilienfonds kommt das Ende nicht unerwartet. Nach zwei Jahren Aussetzung der Anteilscheinrücknahme musste die Stunde der Wahrheit schlagen. Wirklich überrascht hätte es den geneigten Beobachter, wenn den angezählten Fonds tatsächlich eine Heilung ihrer Liquiditätsnöte geglückt wäre, wie sie dies noch wenige Tage zuvor vollmundig in Aussicht gestellt hatten. Schon wittern gewiefte Anwälte darin eine Irreführung des Verbrauchers und wetzen ihre juristischen Klingen. Dabei sind die Gründe und Auslöser für das Ende der Fonds durchaus differenziert zu betrachten. So gilt der Kanam US-Grundinvest mit einer Vermietungsquote von 98,7 Prozent und einer durch den Verkauf von zehn Objekten komfortablen Liquiditätsquote von knapp 40 Prozent durchaus als überlebensfähig. Trotzdem wenden sich die Anleger ab, weil sie heute stört, was sie früher schätzten: die ausschließliche Ausrichtung auf den US-amerikanischen Markt. Dessen makroökonomische Daten werden derzeit alles andere als einladend empfunden. Immerhin sucht das Fondsmanagement nicht nach Ausflüchten für das Ende des Fonds, sondern nennt Ross und Reiter.

Anders dagegen beim P2 Value von Morgan Stanley. Statt kritischer Selbstreflexion jammert das Fondsmanagement über das "anhaltend schwierige Anlageklima" und macht "neue Regularien, Rückflüsse bei Immobiliendachfonds sowie die Auflösung anderer Offener Fonds" für das eigene Scheitern verantwortlich. Dabei wird vergessen zu erwähnen, dass andere Sondervermögen unter den gleichen Bedingungen agieren. Im Gegensatz zu seinen Wettbewerbern hat der 2005 aufgelegte P2 Value einen erheblichen Teil seines Portfolios im fortgeschrittenen Aufschwung der internationalen Immobilienmärkte erworben - mit großen Anteilen in Asien und Nordamerika. Maß das Fondsvermögen kurz vor der Lehman-Pleite und dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise noch stolze 2,27 Milliarden Euro, so bröckelte es bis heute auf 852 Millionen Euro ab. Die Dimension der vorgenommenen Wertberichtigungen ist für Offene Immobilienfonds ohne Beispiel. Da möchten sich die Anleger doch bitteschön noch dafür bedanken, dass ihnen die Fondsgesellschaft bei der Auflösung des Sondervermögens für die - wohlgemerkt unumgänglichen - Immobilienverkäufe keine Transaktionsgebühren berechnet.

Auch im Falle des Degi Europa wird das Aus mit dem "angespannten Marktumfeld", der Rücknahmeaussetzung von Anteilscheinen des UBS (D) 3 Sector Real Estate Europe und eines Immobiliendachfonds der Allianz sowie der Auflösung des Kanam US-Grundinvest begründet. Tatsächlich aber sind die Ursachen andere. Mit dem neuen Eigentümer Aberdeen wurde es für die Degi schwieriger, über die Schalter der Dresdner Bank an Privatkunden zu kommen. Als dann die Dresdner Bank von der Commerzbank übernommen wurde, die mit der Commerz Real selbst eine Fondsgesellschaft mit zwei Offenen Immobili-en-Publikumsfonds besitzt, war der Hauptvertriebskanal faktisch weggefallen. Ohnehin wird Aberdeen wenig Neigung zum deutschen Privatkundenmarkt nachgesagt, interessanter dürfte die deutsche Fondsplattform für das Immobilienanlagegeschäft mit institutionellen Investoren sein.

Wären die Fonds zu retten gewesen? Mitnichten. Daran hätte auch eine eilig durchgepaukte Gesetzesnovelle nichts geändert. Zwar rafften sich die Kapitalanlagegesellschaften noch im Jahr 2008 für einen Gesetzesvorschlag zusammen, doch konnten sie damit politisch nicht durchkommen, weil sie sich über die geforderten Nachbesserungen im Detail uneins waren. Vielmehr musste das Bundesfinanzministerium immer wieder Druck ausüben. Leider haben die Offenen Immobilienfonds schon aus ihrer vorangegangenen Krise wenig gelernt und es ist zu befürchten, dass sie auch diesmal nur spärlich ihre Lehren ziehen. Denn die Flucht von privaten und institutionellen Anlegern ist kein neues Phänomen. Nach exorbitanten Mittelzuflüssen in den Jahren 2002 und 2003 folgten ebenso große Abflüsse. Auch damals mussten Fonds zwischenzeitlich geschlossen oder von den Mutterkonzernen mit Liquidität versorgt werden. Eine branchenweite Lösung, wie dem raschen Abzug von Eigenkapital vorzubeugen ist, wurde nicht angestrebt. Dieses Versäumnis rächt sich heute.

Noch verneint der Branchenverband BVI die Gefahr eines Flächenbrandes und versucht mit dem Hinweis zu beschwichtigen, dass den Offenen Immobilienfonds von Januar bis Ende August dieses Jahres netto 2,569 Milliarden Euro zugeflossen sind. Doch das war vor den angekündigten Fondsauflösungen. Zudem ist das Anlegervertrauen höchst unterschiedlich verteilt. Vor allem die Fonds mit großem Bankenvertrieb werden mit frischem Geld gefüttert und müssen den Mittelzustrom zeitweise sogar begrenzen. Dagegen sind fast alle Offenen Immobi-lien-Publikumsfonds, die sich auch oder ausschließlich an institutionelle Anleger richten, mit Abflüssen konfrontiert oder haben diese per Aussetzung der Anteilscheinrücknahme zwangsweise gestoppt. Von "kollektiver" Verantwortung für ihr Produkt und ihr Branchensegment - wie es Pfandbriefbanken und Bausparkassen jeweils vorleben - sind die Offenen Immobilienfonds jedoch weit entfernt. Animositäten und Egoismen werden ausgiebig gepflegt und lassen kaum Raum für eine schlagkräftige Vertretung der Anbieterinteressen in Politik und Öffentlichkeit. Welches gemeinsame Interesse sollte der Verband dann repräsentieren?

Ist den scheidenden Sondervermögen eine Träne nachzuweinen? Keinesfalls. Was bei anderen Investmentfonds gang und gäbe ist, kann und sollte auch bei Offenen Immobilienfonds möglich sein. Mit drei Jahren wird für die Abwicklung ein vertretbarer Zeitraum gewährt, der es erlaubt, die Fondsobjekte wertschonend zu veräußern. Noch ist nicht gesagt, dass den Anlegern daraus ein Nachteil entsteht. Im weltwirtschaftlichen Aufschwung darf sogar auf steigende Immobilienpreise gehofft werden. Viele Anleger der eingefrorenen Fonds dürften froh sein, endlich an ihre Fondsgelder zu kommen - wenn auch auf Raten. Immerhin ist die Auflösung eines Sondervermögens, das ein Großteil der Investoren nicht mehr wünscht, die ehrlichere Variante als das temporäre Öffnen und wiederholte Schließen des Fonds. Dies schafft Unsicherheit, verstärkt damit tendenziell die Mittelabflüsse - und verzögert die Bereinigung des Marktes. Es sollte endlich ernsthaft versucht werden, die Konstruktionsfehler des Produkts Offener Immobilienfonds zu beheben. Man darf ja hoffen oder? L. H.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X