60 Jahre Immobilien& Finanzierung

Herausforderungen demografischer und struktureller Umbrüche

Unsere Städte und Regionen sehen sich tief greifenden Veränderungen und schwerwiegenden Herausforderungen gegenüber. Für die Wohnungs- und Städtebaupolitik leiten sich aus der Komplexität und Heterogenität der drängensten Handlungsfelder folgende Kernthemen ab: Demografie, wirtschaftsstruktureller Wandel und Klimawandel. Je nach Region und Lage sowie deren Raum- und Wirtschaftsstruktur sind die Betroffenheit und damit der Handlungsdruck unterschiedlich. Vor allem strukturschwache, ländlich geprägte und entlegenere Regionen mit ihren Klein- und Mittelstädten sind stärker von einer negativen Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung geprägt als städtische Wachstumsregionen. Aber auch die Ballungszentren müssen zur Sicherstellung ihrer langfristigen Wettbewerbsfähigkeit, für sozialen Ausgleich und Integration sowie die ökologische Tragfähigkeit neue Wege gehen.

Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung sind heute bereits an vielen Stellen sichtbar und werden sich weiterhin verschärfen. Leerstände und Brachen, ineffizient genutzte Infrastrukturen, wachsender Funktionsverlust oder gar die Verödung städtischer Zentren sind nur einige Zeichen einer nicht unbedenklichen Entwicklung. Zur deren Bewältigung sind neue Kooperationsmodelle, integrierte Managementkonzepte und intelligente Finanzierungsinstrumente gefragt, da infolge rückläufiger öffentlicher Einnahmen auch die Finanzspielräume weiter sinken werden.

Neben niedrigen Geburtenraten und dem sogenannten "Brain Drain", der Abwanderung junger, gut ausgebildeter Menschen, muss auch die Problematik des Wohnens im Alter verstärkt in das Blickfeld der Betrachtung rücken, wenn es um eine ausgewogene Wohnungs- und Städtebaupolitik geht. Die Kommissionen "Demografischer Wandel" und "Wohnen im Alter" des Deutschen Verbandes haben vor diesem Hintergrund die zentralen Herausforderungen facettenreich beschrieben.

Bedarfsgerechte Anpassung dringend nötig

In Deutschland gibt es rund elf Millionen Haushalte, deren Haupteinkommensbezieher 65 Jahre und älter sind. Der Eigenheimanteil dieser Altersgruppe liegt bei etwa 50 Prozent (allgemein nur 43 Prozent), was die hohe Bedeutung der Immobilien für die Altersvorsorge unterstreicht. Gleichzeitig spielen Mieteinnahmen beziehungsweise Mietfreiheit bei Wohnungseigentümern eine große Rolle bezogen auf die Sicherung des Alterseinkommens und dementsprechend reduzierte Ausgaben im Alter.

Allerdings leben schätzungsweise 95 Prozent aller Altershaushalte in Wohnungen, die nicht barrierefrei respektive barrierearm sind. Dies schränkt die Möglichkeit des Verbleibs älterer Menschen in ihrer angestammten Wohnung ein, wobei oftmals schon kleine Maßnahmen ausreichen, um hier Abhilfe zu schaffen. Maßnahmen zur altersgerechten Wohnungsanpassung werden beispielsweise im Rahmen des Konjunkturpaketes I seit 2009 gefördert. Dies erfolgt im Rahmen des bestehenden KfW-Programms "Altersgerecht Umbauen", das von Wohnungseigentümern, privaten Vermietern, Mietern und von Wohnungsunternehmen in Anspruch genommen werden kann. Im Interesse der Verstetigung der entsprechenden Maßnahmen ist es sinnvoll, diesen Komplex von der zehnprozentigen globalen Minderausgabe im Bundeshaushalt auszunehmen. Des Weiteren sollte die seit 1996 unveränderte Zuschussregelung aus Mitteln der Pflegeversicherung in Höhe von 2557,00 Euro nach oben angepasst werden; die Heimunterbringung ist teurer!

Zu einer altersgemäßen Wohnung gehört allerdings und nicht zuletzt auch ein altenfreundliches Wohnumfeld. Das bedeutet eine bedarfsgerechte Infrastruktur und ein ausreichendes Dienstleistungsangebot, optimalerweise in funktionell und sozial gemischten Strukturen. Nur so lassen sich Investitionen langfristig sichern. Die polyzentrale Raumstruktur Deutschlands ist dabei Herausforderung und Stärke zugleich. Demnach gilt es, nicht nur für Ballungsgebiete, sondern auch für Entleerungsräume tragfähige Konzepte zu implementieren.

Auch der Klimaschutz ist zu einem zentralen Thema der Wohnungs- und Städtebaupolitik geworden. Alle Beiträge zur Erreichung der klima- und energiepolitischen Vorgaben und Maßnahmen seitens der EU und der Bundesregierung müssen jedoch immer die Eigentümerstruktur im Gebäudebereich und die regional unterschiedlichen Märkte berücksichtigen. Auch hierzu hatte der Deutsche Verband im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und mit Beteiligung der wohnungswirtschaftlichen Verbände und Organisationen sowie den Fraktionen des Deutschen Bundestages und der entsprechenden Ressorts der Bundesregierung eine Kommission eingerichtet. Die Ergebnisse belegen, dass in den Jahren 1995 bis 2006 rechnerisch jährlich rund drei Prozent des Wohngebäudebestandes voll- beziehungsweise teilsaniert worden sind. Demnach hat der sanierte Bestand gegenüber dem Referenzjahr 1995 zu einer CO2-Reduktion um zirka 21 Prozent beigetragen. Diese Entwicklung gilt es zu verstetigen.

Nachdem die unternehmerische Wohnungswirtschaft die Aufgabe der energetischen Modernisierung der Bestände bereits größtenteils aufgegriffen hat, gilt es nun vor allem Wege zu finden, wie man die Gruppe von Selbstnutzern und Kleinvermietern stärker mobilisieren kann. Die Politik hat mit einer Reihe von Vorschriften, insbesondere im Ordnungsrecht, wichtige Vorgaben im Sinne der Erreichung des vorgegebenen globalen Zieles gemacht (zum Beispiel Energieeinsparverordnung, Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, Heizkostenverordnung).

Daneben gibt es finanzielle Anreize, beispielsweise das Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien. Einen besonderen Stellenwert nimmt das CO2-Gebäudesanierungsprogramm ein. Die hohen Mittelbindungen dieses Programms belegen, dass die Programme von den privaten Einzeleigentümern wie von der Wohnungswirtschaft angenommen werden.

Aber auch im Umgang mit den Herausforderungen des Klimawandels sind Alleingänge nicht sinnvoll. Das Zusammenspiel von Wohnungswirtschaft, Städtebau, Versorgungswirtschaft und schließlich auch der nutzenden Ebene selbst trägt wesentlich zur Schaffung nachhaltiger Strukturen bei. Immobilieneigentümer und Energieversorger sollten aktiv eingebunden werden.

Standortprofilierung

In einem an Schärfe zunehmenden Wettbewerb um Bewohner, Investitionen und Lebensqualität müssen Städte und Regionen verstärkt ein eigenes Profil entwickeln und endogene Entwicklungschancen aufspüren. Eine fokussierte Innenentwicklung durch attraktive Flächenangebote, ein funktionsfähiges Nutzungsgefüge sowie lokale Spezialisierungen schaffen Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit von Quartieren und städtischen Zentren. Nachhaltige und attraktive Standorte müssen aber auch auf eine neue Mobilitätskultur reagieren. Eine wirtschaftlich effiziente, umweltfreundliche und ressourcensparende Stadt muss demnach auch Konzepte für einen nachhaltigen Kunden-, Liefer- und Entsorgungsverkehr vorhalten.

Geht es nun um die Reflexion der dargestellten zentralen Kernthemen, lässt sich Folgendes konstatieren: Eine auf Nachhaltigkeit angelegte Wohnungs- und Städtebaupolitik, die an einer tradierten Planungs- und Baukultur festhält, steht unter "schrumpfenden" Bedingungen massiv unter Bedrängnis. Für zukunfts- und wettbewerbsfähige Standorte stellt sich daher die Frage, wie Infrastrukturen und Daseinsvorsorge, die Nahversorgung mit Gütern und Diensten sowie die medizinische Versorgung gestaltet und letztendlich auch finanziert werden können. Ökologische, ökonomische und soziale Aspekte sind dabei gleichermaßen zu berücksichtigen. Dies wird besonders prekär, wenn es um das Postulat der "Gleichwertigkeit" von Lebensbedingungen geht. Auch in den Bereichen Bildung und Erziehung, Kultur und Soziales sind Lösungsansätze gesucht.

Neue Kooperationsstrukturen

Bundes- und Landes- aber auch EU-Politik legen immer mehr Wert auf integrierte Förderstrategien, die Mittel bündeln und an räumlichen Gesamtstrategien ausrichten. Um diese Prozesse langfristig positiv zu begleiten, werden die Stärkung von städtischen Entwicklungs- und Versorgungszentren in ländlichen Regionen, die funktionale Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen Städten gleicher und verschiedener Größenklassen, sowie die Integration privatwirtschaftlicher, bürgerschaftlicher und öffentlicher Potenziale bei der Weiterentwicklung lebendiger Gemeinwesen immer wichtiger. Dabei verlangen die knappen öffentlichen Ressourcen eine vermehrte Konzentration und Bündelung von Strategien sowie eine stärkere funktionale Arbeitsteilung und Vernetzung der Klein- und Mittelstädte untereinander sowie mit größeren städtischen Ballungsräumen.

Die öffentliche, kollektive und private Verantwortung für die Stadtentwicklung wird also neu justiert werden müssen. Quartiersbezogene sowie regionale Konzepte müssen entwickelt und individuell verortet umgesetzt werden. Die aktive Mitwirkungsbereitschaft der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, aber auch der Finanzwirtschaft - gerade an schwierigen Standorten - ist dabei unabdingbar. Schließlich haben immobilien- und wohnungswirtschaftliche Unternehmen, private Eigentümer sowie Immobilienverwerter als spätere Profiteure städtischer Stabilisierungs- und Aufwertungsstrategien eine besondere Verantwortung.

So können vor allem Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) als moderne und effiziente Instrumente genutzt werden, wenn es um die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen und Infrastrukturen geht. Sie sind aber auch in den Bereichen Brachflächenentwicklung, Wohnungsbau und Wirtschaftsförderung einsetzbar. Das Zusammenspiel der verschiedenen stadtgestaltenden Akteure will allerdings professionell organisiert sein. So erfordern beispielsweise die komplexen ÖPP-Strukturen neben rechtlichem, finanziellem und organisatorischem Fachwissen auch die Festlegung auf grundlegende strategische Zielsetzungen und das gegenseitige Verständnis und die Anerkennung unterschiedlicher Interessen und Motivationen zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft.

Da inzwischen auch auf nationaler und europäischer Ebene die Einbeziehung privater Akteure zur Realisierung räumlicher Entwicklungsprozesse zunehmend an Bedeutung gewinnt, bemühen sich der Bund und auch die Europäische Union verstärkt darum, Städten und Regionen Hilfestellung bei der Nutzung von ÖPP zu geben. Neben neuen Kooperationsmodellen sind innovative Finanzierungsinstrumente, wie revolvierende Fonds, gefordert.

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