Im Blickfeld

Hochwasser I: Koordination gefragt

Die Jahrhunderte werden kürzer. Zumindest scheinen die Zeiträume, in denen heftige Flutkatastrophen Deutschland heimsuchen, auf wenige Jahre zusammenzuschrumpfen. 2002 traten Donau, Elbe und Oder über die Ufer. 2006 verließen die Elbe und ihre Nebenflüsse erneut ihre Flussbetten. Juni 2009 und Frühjahr 2010 gab es wieder an Donau und Oder Hochwasser. Und im Mai und Juni dieses Jahren hieß es an Donau, Elbe, Saale und Elster erneut "Land unter". Angesichts dieser Häufigkeit ist es wohl falsch, von "Jahrhundert"-Ereignissen zu sprechen.

Tatsächlich registrieren Meteorologen weltweit eine Zunahme von extremen Wetterereignissen. So werden auch die hiesigen Fluten schnell im Zusammenhang mit globalen Klimaänderungen sehen. Das wiederum ist recht bequem, weil es Bürger und politisch Mandatsträger aus der Verantwortung entlässt. Schließlich ist klar, dass Deutschland trotz Milliardensubventionen in Energiewende, energetische Sanierungen und Elektroautos das Klima nicht im Alleingang wird "retten" können. Vielmehr sollte jedoch gefragt werden, was in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Hochwasserschutz falsch gelaufen ist und wo korrigiert werden muss.

So muss es verwundern, dass Kommunen noch Eigenheimsiedlungen und Gewerbegebiete in potenziellen Überschwemmungsgebieten ausweisen und genehmigen, in denen die Assekuranz - um die potenziellen Risiken dieser Standorte wissend - Schäden durch Hochwasser überhaupt nicht versichert. Deshalb ist auch vor einer staatlichen Versicherung zu warnen, weil sie einen Anreiz schaffen würde, weiter in Flussniederungen und Auen zu bauen.

Paradox: Die jüngste Flut zeigt, wie Hochwasserschutz richtig funktioniert. Denn längst nicht alle Orte an den betroffenen Flüssen sind versunken. Trocken blieben die Städte und Dörfer, die einerseits Schutzmauern und Deiche erneuert und erhöht sowie andererseits dem Wasser ausreichend Platz geboten hatten. Doch das ist die Ausnahme. Wo dies nicht so war, machten Politiker - vom Bürgermeister bis zu Ministerpräsidenten - schnell lokale Bürgerinitiativen als Bremser administrativer Entscheidungsprozesse aus, lenkten damit aber in erster Linie von eigenen Versäumnissen ab.

Fakt ist, dass der Überschwemmungsschutz nur in sehr geringem Maße lokal zu organisieren ist. Wenn in Passau die Hochwasserscheitel von Donau, Inn und Ilz gleichzeitig zusammenlaufen, ist es eigentlich schon zu spät, weil bereits an den Oberläufen der Flüsse der Flutschutz versagt hat. Hier müssen Flussbetten verbreitert und Polder geschaffen werden. Dafür braucht es keine Einschränkung der demokratischen Mitbestimmung oder rechtlicher Einspruchsmöglichkeiten. Für ein wirksames Hochwassermanagement ist in erster Linie politische Koordinierung vonnöten, die sowohl über Gemeinde-, Länder- und Bundes- als auch über Ressortgrenzen hinausgeht und dafür rechtliche und administrative Handlungsmöglichkeiten schafft. L.H.

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