Leitartikel

Hypothekenversicherungen - ein neuer Versuch

Deutschland ist Weltmeister! Vielleicht noch nicht im Fußball, aber im
Export. Und dazu tragen zweifelsohne auch die Immobilienfinanzierer
bei. Gleichzeitig kommen derzeit vermehrt innovative Produkte aus dem
Ausland hierher, die bei genauerem Hinsehen gar nicht so neu sind.
Jüngstes Beispiel ist die Hypothekenversicherung, die Gläubigern den
Ausfall ihrer Forderungen zumindest teilweise kompensiert. Erste
ausländische Produzenten haben bereits Niederlassungen eröffnet. Und
wie zu hören ist, trifft ihr Angebot bei den hiesigen Baufinanzierern
auf außerordentlich reges Interesse.
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Allerdings gibt es die Idee und den Willen, in Deutschland eine
Ausfallabsicherung für Hypotheken einzuführen, schon länger, sie wurde
mehrfach getestet und nie für wirklich nutzbringend erachtet. Bereits
1987 berieten Vertreter aus Politik und Wirtschaft auf einem
Fachsymposium des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und
Raumordnung über die Möglichkeiten einer besseren Absicherung von
privaten Baufinanzierungen. Denn schon damals war der Markt in einer
ähnlichen Lage wie heute: Die Zwangsversteigerungen bei Eigenheimen
stiegen rezessionsbedingt merklich an, woraufhin die finanzierenden
Banken einen nicht unerheblichen Teil ihrer Forderungen abschreiben
mussten. Und das, obwohl sie nur maximal 80 Prozent des
Beleihungswertes als Kredit bereitstellten.
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Und weil Zwangsversteigerungen von Eigenheimen neben einer
wirtschaftlichen, eben immer auch eine soziale Problematik enthalten -
denn die betroffenen Familien verlieren nicht nur ihr Obdach, sondern
auch ihren Lebensmittelpunkt und soziales Prestige -, war das
politische Interesse an einer Lösung schon damals groß. Drei Konzepte
wurden einst diskutiert: eine staatliche Hilfe für die Schuldner, eine
privatwirtschaftliche Versicherung gegen Gebühren und eine Mischung
aus beiden, bei der sich die Versicherungen zwar weitgehend selbst
tragen, aber durch eine Garantie der öffentlichen Hand ergänzt werden
sollten. Zu dieser Zeit gab es bereits auf Landesebene verschiedene
Ansätze, wie vor allem überschuldete Familien im selbstgenutzten und
zumeist staatlich geförderten Wohneigentum verbleiben konnten. Sie
reichten von der Wohneigentumshilfe wie in Bayern und
Nordrhein-Westfalen bis hin zur Erhöhung des Förderzuschusses zum
Wohnungsbau wie in Bremen.
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Doch wie heute war damals schon klar, die staatlichen Haushalte
konnten beziehungsweise sollten nicht weiter belastet werden. Als
Alternative wurde deshalb eine Marktlösung favorisiert - also die
private Hypothekenversicherung nach US-amerikanischem Vorbild.
Folglich sah der Staat keinen Anlass, gesetzgeberisch tätig zu werden.
Dass jedoch auch weder Banken noch Assekuranzen intensiv an der
Entwicklung von Hypothekenversicherungen arbeiteten, dürfte vor allem
zwei Ursachen gehabt haben. Einerseits können hiesige Gläubiger,
sofern ihre Forderungen grundpfandrechtlich besichert sind, bei
Leistungsstörungen schneller und effizienter auf die Sicherheiten
zugreifen, als dies im US-amerikanischen Hypothekenmarkt möglich ist.
Und andererseits haben hiesige Banken mit Pfandbriefen und gedeckten
Schuldverschreibungen sehr günstige Instrumente der Refinanzierung zur
Hand.
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Baufinanzierer in den USA verbriefen ihre Risiken dagegen
hauptsächlich über Mortgage Backed Securities (MBS), bei denen die
zugrunde liegenden Kredite in der Regel mit Hypothekenversicherungen
versehen sein müssen, um die Liquidität der Titel zu erhöhen. Dies hat
für die US-Banken den Charme, dass sie sich eigentlich kaum um die
Kreditqualität zu kümmern brauchen, denn den Großteil des Risikos
tragen der Kapitalmarkt und der Hypothekenversicherer.
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Doch in dem Maße, wie deutsche Banken ebenfalls die Kreditverbriefung
für sich entdecken, nimmt auch hierzulande der Bedarf an neuen
Sicherungsinstrumenten zu - so hoffen es zumindest die
Hypothekenversicherer. Und ein weiterer Umstand gibt ihnen Hoffnung:
Basel II. Demnach könnten Baufinanzierer die Eigenkapitalunterlegung
für riskante Darlehen reduzieren, wenn sie das Verlustrisiko durch
Hypothekenversicherungen eingrenzen. Allerdings gibt es diesbezüglich
noch Bedenken seitens der Bankenaufsicht. Denn die
Hypothekenversicherungen decken nur den durch Kreditausfall
entstandenen Verlust der Bank nach Verwertung der Sicherheiten ab.
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Rückständige oder verspätete Zins- und Tilgungszahlungen sind nicht
inbegriffen. Daher gelten Hypothekenversicherungen in den Augen der
Aufsicht (noch!) nicht als ausfallbasierte Garantien, wie sie die
Solvabilitätsverordnung anerkennt. Klärungsbedarf ist also noch
gegeben.
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Ein weiteres Argument, das gerne von den Verfechtern des neuen
Produktes vorgebracht wird, ist, dass sich mit ihm ein bisher
weitgehend vernachlässigtes Marktsegment erschließen ließe - die
Baufinanzierungen im sehr hohen Beleihungsauslauf. Einer aktuellen
Studie von Mercer Oliver Wyman im Auftrag der Hypothekenversicherer
zufolge soll sich das Marktpotenzial allein in Deutschland auf 560
Milliarden Euro belaufen. Doch birgt gerade der Eintritt in dieses
Segment erhebliche Gefahren für Gläubiger und Schuldner gleichermaßen.
Denn - und dies wurde bereits vor zwei Jahrzehnten angemerkt - eine
Garantie gegenüber dem Gläubiger erhöht tendenziell dessen
Risikobereitschaft. Bonitäten werden möglicherweise laxer geprüft und
Darlehen etwas großzügiger vergeben. Und dass Vertriebe in erster
Linie umsatz- und provisionsgetrieben sind, haben viele
Eigenheimerwerber und fast jeder Baufinanzierer in der Vergangenheit
schmerzlich erfahren.
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Vielleicht gerade deshalb sind die Banken vorsichtig geworden und
haben bisher allenfalls temporär versucht, Eigenheime bis zu 100
Prozent zu finanzieren - zumal die mäßigen Margen den Risiken ohnehin
kaum entsprachen. Und angesichts der notleidenden Kredite, die gerade
erst abgebaut werden, dürften sich die etablierten Baufinanzierer wohl
auch künftig mit der Vergabe risikoreicher Darlehen zurückhalten. Für
ausländische Banken kann die Hypothekenversicherung gleichwohl der
Schlüssel zum Eintritt in den hiesigen Markt sein. Dabei stellen vor
allem die Schwellenhaushalte, für die es nach dem Wegfall der
staatlichen Förderung sehr schwer geworden ist, Wohneigentum zu
erwerben, eine kleine Nische dar. Gleichwohl dürfte sich allein mit
dieser Gruppe das erhoffte Marktpotenzial von 560 Milliarden Euro kaum
ausschöpfen lassen.L.H.

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