Leitartikel

Indikatoren auf Grün

Während die einschlägigen Stimmungsbarometer und Konjunkturprognosen zum Jahreswechsel schon wieder etwas freundlicher in die Zukunft sahen, fand Deutschlands Kanzlerin warnende Worte: Das wirtschaftliche Umfeld werde "nächstes Jahr nicht einfacher, sondern schwieriger", so Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache. Das sollte die Menschen aber nicht mutlos werden lassen, sondern ein Ansporn sein. Um Geduld warb sie bei der Bewältigung der europäischen Staatsschuldenkrise. Zwar würden die eingeleiteten Reformen zu wirken beginnen, allerdings sei die Krise lange noch nicht überwunden. Wer hier ein Déjà-vu verspürt, liegt nicht ganz falsch. Zum Jahreswechsel 2010 fand Angela Merkel nahezu die gleichen Worte: Auch damals stimmte sie die Deutschen auf härtere Zeiten ein. Auch damals hieß es, 2010 werde erst noch schwieriger, bevor eine Besserung eintreten könne. Auch damals hieß es, die Krise sei noch nicht überwunden und es müsse sich zeigen, wie man aus der Krise herauskommen könne.

Natürlich tut die Kanzlerin gut daran, überzogene Hoffnungen zu dämpfen, denn wenig schmerzt mehr als enttäuschte Erwartungen - erst recht in einem Wahljahr. Und doch bergen die sich wiederholenden Unkenrufe ein Risiko. Sowohl die Abnutzung als auch schwindendes Vertrauen können die Folgen sein. Beides scheint zuzutreffen, betrachtet man die Stimmung in der deutschen Bevölkerung. So sind einer aktuellen Umfrage von TNS Infratest im Auftrag der Allianz zufolge 56 Prozent unverändert zuversichtlich für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Auch mit ihrem persönlichen Einkommen sind viele Deutsche durchaus zufrieden. Immerhin 34 Prozent sind der Meinung, dass sie genug verdienen. Nur 21 Prozent sind unzufrieden mit ihrem Gehalt und eine Mehrheit erwartet in nächster Zukunft auch eher eine Verbesserung als eine Verschlechterung. Mehr als die Hälfte der Deutschen hat der Umfrage zufolge auch genug Geld, um etwas zurückzulegen und kann sich trotzdem gleichzeitig etwas gönnen. Demgegenüber steht das steigende Misstrauen hinsichtlich des Euro. Zeigten sich die Deutschen im Juni vergangenen Jahres noch mehrheitlich optimistisch, fürchtet inzwischen fast die Hälfte eine Inflation - und den Folgen für den eigenen Geldbeutel. Fast 42 Prozent der Bundesbürger gehen davon aus, dass ihr Geld "bald nichts mehr wert ist". Nur noch 29 Prozent vertrauen weiterhin auf die Stärke der Gemeinschaftswährung - eine relative Mehrheit von 37 Prozent dagegen äußerte wenig oder gar kein Vertrauen mehr. In einer anderen Umfrage gaben nur noch 55 Prozent der Befragten an, dass der Euro langfristig eine erfolgreiche Währung sein werde. 2008 - vor Ausbruch der Krise - hatte dieser Wert noch bei 78 Prozent gelegen.

Inflationssorgen gepaart mit äußerst attraktiven Niedrigzinsen sind natürlich ein feines Fundament für die Immobilienwirtschaft, zumindest im Wohnungsbau. Zwar dürften die gesamten Bauinvestitionen im abgelaufenen Jahr leicht zurückgegangen sein, dagegen brummte der Wohnungsbau in den ersten drei Quartalen. Daran dürfte sich auch künftig wenig ändern, auch wenn professionelle Investoren wie Immobilienfonds und Wohnungsunternehmen die privaten Haushalte als wichtigster Impulsgeber ablösen könnten. Dies schließen die Volkswirte des Bundesverbandes deutscher Volksbanken und Raiffeisenbanken zumindest aus dem jüngsten kräftigen Anstieg der Baugenehmigungen für Mehrfamilienhäuser. Noch stärker nachgefragt als Neubauten sind im privaten Wohnungsbau derzeit Bestandsimmobilien. So viel Zuneigung bleibt natürlich nicht ohne Folgen: Der von Europace ermittelte Hauspreis-Index EPX hat mit einem Anstieg um 0,47 Prozent auf 108,31 Zählerpunkte einen neuen Spitzenwert erreicht.

Steht da schon die nächste Finanzkrise vor der Tür? Einer Auswertung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ zufolge sind die Entwicklung des Kreditvolumens und die Entwicklung der Immobilienpreise die besten Indikatoren, mit denen sich eine drohende Schieflage des Finanzsystems vorhersagen lässt. Der seit 2009 anhaltende Preisanstieg für Immobilien vor allem in Ballungszentren hat jüngst gar die Deutsche Bundesbank veranlasst, das Thema Wohnimmobilienmarkt als ein Hauptkapitel in ihrem Finanzstabilitätsbericht zu behandeln. Noch sei zwar kein akutes Blasenrisiko zu erkennen, so die Notenbanker. Die Entwicklung werde aber sehr genau beobachtet und sollte sich eine Gefährdung der Finanzstabilität abzeichnen, könne indirekt mittels einer Erhöhung der Kapitalunterlegung oder direkt durch die Kreditvergabestandards beispielsweise eine erzwungene Absenkung der Beleihungsgrenzen gegengesteuert werden. Und auch die Entwicklung des Kreditvolumens im Verhältnis zum BIP deutet keineswegs auf eine Aufblähung und damit Gefährdung hin, lag doch das gesamte Kreditvolumen deutscher Banken gegenüber Nichtbanken per Ende 2010 beim 1,58-fachen des BIP, während es sich heute lediglich beim 1,53-fachen bewegt. Die nächste Krise steht also noch nicht vor der Tür. Zum Glück! Schließlich hat man mit der Aufarbeitung der aktuellen noch genug zu tun.

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