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Infrastruktur als Fondsanlage für Versicherungen

Versicherungen sind zunehmend an Investitionen in Infrastrukturfonds interessiert. Attraktiv finden sie neben der geringen Korrelation zu anderen Assetklassen vor allem die stabilen und gut prognostizierbaren Cash-Flows. Auch der langfristige Investitionshorizont von Infrastrukturprojekten kommt dem Anlageverhalten von Versicherungen stark entgegen.

Investitionen in Infrastrukturen weltweit

Je nach Region und den volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen liegt der Fokus von Infrastrukturinvestitionen auf der Instandhaltung und Modernisierung, dem Ausbau oder der Neuerstellung von Infrastrukturanlagen.

P In Nordamerika beispielsweise gibt es einen hohen Instandhaltungs- und Modernisierungsbedarf im Bereich der Wasserver- und -entsorgung sowie im Bereich der Stromnetze; auch Mautstraßen liegen dort im Fokus.

P In Australien liegt das Investitionspotenzial insbesondere bei Straßen, der Energieversorgung, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen.

P Auch in Europa wird ein Investitionsschwerpunkt künftig im Bereich Energie liegen; dort stehen in den nächsten 20 Jahren Investitionen in Höhe von 1,2 Billionen US-Dollar an.

P In den Emerging-Markets in Südamerika, Afrika und Asien mit ihrem großen Nachholbedarf in fast allen wichtigen Infrastrukturbereichen dagegen stehen der Ausbau und vor allem die Neuerstellung von Infrastrukturanlagen im Fokus. Besonders dringend sind dort Investitionen in den Bereichen Energieerzeugung und -übertragung, Logistik, Verkehr und der Wasserver- und -entsorgung. Allein in Indien werden in den nächsten fünf Jahren Investitionen in Höhe von 250 Milliarden US-Dollar erwartet.

Je nachdem, in welchem Sektor die Infrastrukturinvestition angesiedelt ist, gibt es starke Unterschiede im Rendite-Risiko-Profil. Genaue Daten über die Volatilität der Jahresrenditen in den einzelnen Infrastruktur-Sektoren liegen bisher nur selten vor. Dennoch kann nach Schätzungen davon ausgegangen werden, dass die Direktinvestitionen in Bestände an Schulen, Regierungsgebäuden und Transportinfrastruktur mit einem jährlichen Ertrag von durchschnittlich sieben bis zehn Prozent am unteren Ende der Rendite-Risiko-Skala liegen.

Große Unterschiede im Rendite-Risiko-Profil

Höhere Renditen ergeben sich bei der Investition in bestehende Mautstraßen, Tunnel, Brücken, Häfen und Flughäfen. Dort können bei entsprechend höherem Risiko durch eine Direktinvestition jährlich zehn bis fünfzehn Prozent Rendite erzielt werden. Gibt es für diese Bauten keine Preisregulierung, dann steigt das Risiko deutlich an, möglich sind dann aber auch Erträge von über zwölf Prozent.

Wahl zwischen vielen Anbietern

Für die meisten Versicherungen scheidet eine Direktanlage in Infrastrukturprojekte aus Gründen der Komplexität und der extrem hohen Investitionsvolumina aus. Durch Direktinvestition kann nur sehr schwer eine sinnvolle regionale und sektorale Diversifikation erzielt werden. Versicherungen konzentrieren sich daher fast ausschließlich auf die Investition in Infrastrukturfonds und haben dabei die Qual der Wahl zwischen diversen am Markt verfügbaren Produkten.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Fondsanbieter stark gestiegen - zum einen, weil Staaten immer häufiger Infrastrukturaufgaben an Unternehmen der Privatwirtschaft abgeben, um den Staatshaushalt zu entlasten, zum anderen aufgrund der immer stärkeren Nachfrage nach Infrastrukturinvestitionen durch institutionelle Anleger.

Während der Infrastrukturmarkt in Australien - getrieben durch staatliche Maßnahmen aber auch durch anbieterseitige Vorreiter - bereits sehr weit entwickelt ist, öffnen sich in Europa etliche Staaten erst langsam für derartige Projekte. Erste Abschlüsse gibt es dort vor allem im Bereich der sozialen Infrastruktur, beispielsweise Krankenhäuser und Universitätseinrichtungen.

Wenn sich Versicherungen an Infrastrukturprojekten beteiligen wollen, haben sie inzwischen die Wahl zwischen weltweit rund einhundert Infrastrukturfonds, von denen allerdings schon eine Vielzahl für Neuanlagen geschlossen sind. Allein die große Anzahl von Asset Managern in diesem Bereich macht die Auswahl eines geeigneten Produktes schwer. Neben einem genau definierten Risiko-Rendite-Profil muss der Fonds für eine deutsche Versicherung eine große Anzahl von weiteren Anforderungen erfüllen, so zum Beispiel die Aufnahmemöglichkeit ins Sicherungsvermögen.

Um die Entscheidungsfindung zu systematisieren und zu beschleunigen, kann eine nach einem passenden Fonds suchende Versicherung einen strukturierten Auswahlprozess durchführen. In einem ersten Schritt werden die Fonds aussortiert, die für Neuanlagen geschlossen sind. Hierdurch fallen bereits mehr als die Hälfte der existierenden Produkte heraus. In einem nächsten Schritt wird dann typischerweise überprüft, ob der Fondsanbieter eine Niederlassung in Deutschland besitzt. Für viele Versicherungen kommt eine Investition nur infrage, wenn dies der Fall ist. Auch im Auswahlprozess erleichtert dies deutlich die Kommunikation und Abstimmung.

Die inhaltliche Prüfung der Produkte beginnt typischerweise mit Telefoninterviews und Desktop-Recherchen, in denen die grundlegenden Fondsmerkmale wie Anlagevolumen, Rendite, Risiko, Vehikelstruktur, Laufzeit, Länder und Sektoren überprüft werden. Für Versicherungen ist hierbei von besonderer Bedeutung, ob die Vehikelstruktur des Fonds eine Aufnahme ins Sicherungsvermögen zulässt beziehungsweise welche Möglichkeiten - zum Beispiel durch die Schaffung von Feeder-Vehikeln - der Anbieter vorsieht. Viele der derzeit am Markt erhältlichen Fonds sind nur durch die Vorschaltung einer GmbH & Co. KG oder einer ähnlichen Konstruktion für das Sicherungsvermögen zugelassen.

Strukturierung des Auswahlprozesses

Für die verbleibenden Produkte wird im nächsten Schritt mit der Detailprüfung begonnen. Mittels eines umfangreichen Fragebogens werden von den Fondsgesellschaften sämtliche relevanten Punkte in einer einheitlichen und vergleichbaren Form abgefragt. Diese Fragebögen bezeichnet man als Questionnaires; sie enthalten bis zu 100 detaillierte Fragen zu der Fondsgesellschaft, der Fondsstrategie, dem Track Rekord, dem Investitionsstand, aber auch zu Themen wie personelle Ausstattung oder Fluktuation in den Gesellschaften.

Besondere Aussagekraft haben Informationen über geprüfte, bereits durchgeführte und geplante Infrastrukturinvestitionen. Sie zeigen, wie gut die Fondsgesellschaft in einem hart umkämpften Markt verdrahtet ist und wie die Pipeline für zum Teil ambitionierte Investitionspläne gefüllt ist.

Für die Bearbeitung des Fragebogens werden den Fondsgesellschaften zwischen drei und fünf Wochen eingeräumt. Wenn ein externer Dienstleister den Auswahlprozess begleitet, werden die Fragebögen in ein Scoring-Modell übertragen und hierdurch eine höchstmögliche Objektivität im Auswahlprozess hergestellt. Die Kriterien und Gewichtungen bestimmt dabei die Versicherung, der externe Dienstleister liefert eine strukturierte Auswertung.

Keine Standardisierung des Selektionsverfahrens

Auf Basis des Scoring-Modells werden die drei bis vier überzeugendsten Fonds gebeten, die Fondsstrategie in einer persönlichen Präsentation beim Investor vorzustellen. Neben der Klärung offener Fragen zielt diese Runde darauf ab, die relevanten Personen im Fondsmanagement kennenzulernen. Denn wichtig ist auch, ob die Chemie zwischen Investor und dem Asset Manager passt. Im Nachgang der persönlichen Gespräche wird das Scoring-Modell verfeinert und es wird in die Vertragsverhandlungen eingetreten. Insgesamt kann ein strukturierter Auswahlprozess etwa vier bis sechs Monate dauern.

Das eben modellhaft vorgestellte Auswahlverfahren scheint auf den ersten Blick einfach standardisierbar zu sein. Jedoch kann es, sobald es einmal durchgeführt wurde, nicht einfach auf andere Versicherungen übertragen werden. Der Grund ist zum einen, dass sich die Anbieterstruktur schnell ändert und Versicherungen sich deswegen auf in früheren Fällen abgefragte Daten nicht verlassen können.

Zum anderen haben verschiedene Versicherungen unterschiedliche Zielvorstellungen und auch innerhalb einer Versicherung können sich die Art und die Zahl der geprüften Parameter zwischen zwei Investitionsentscheidungen verändern. Beachtet werden muss dabei insbesondere die Gewichtung der verschiedenen Bewertungskriterien.

Risikodiversifikation in den Infrastrukturfonds

Für manche Versicherungen ist es wichtiger, wenn der Anbieter eines Infrastrukturfonds ein starkes Netzwerk in Deutschland hat, für manche ist die Möglichkeit der Aufnahme ins Sicherungsvermögen ausschlaggebend, für andere wiederum die steuer- und aufsichtsrechtlichen Bedingungen, die sich aus der Vehikelstruktur ergeben. Ähnlichkeiten lassen sich dennoch feststellen: Generell gibt es fast keine Versicherung, die in Infrastrukturfonds mit überwiegend Projektentwicklungen in Emerging Markets investiert.

Emerging Markets sind jedoch nicht völlig ausgeschlossen. Für einige Versicherungen ist es aus Portfoliogesichtspunkten noch akzeptabel und sogar erstrebenswert, wenn ein gewisser Anteil des Fondsvolumens für Emerging-Mar-ket-Investitionen verwendet und der Rest in Projekte in Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angelegt wird.

Dachfonds als Alternative?

Gerade für kleinere und mittlere Versicherungen stellen Infrastrukturdachfonds eine prinzipiell gute Alternative dar. Denn mit den durchschnittlich für die Assetklasse Infrastruktur bereitgestellten 50 Millionen Euro lassen sich maximal drei Zielfonds erwerben, was keine ausreichende Risikostreuung gewährleistet. Dachfonds ermöglichen die Diversifikation nach Regionen und Sektoren, außerdem erfordern sie weniger Betreuung durch den Erwerber.

Der strukturierte Auswahlprozess läuft bei Dachfonds ähnlich wie bei Zielfonds ab, mit dem Unterschied, dass die Gewichtung stärker auf der Überprüfung der Fondsmanager liegt. Auch wenn für viele Versicherungen Infrastrukturdachfonds eine gute Wahl sind, gibt es bisher kaum Angebote.

Etwa 25 Infrastrukturfondsanbieter weltweit haben nach Einschätzung von Ernst & Young Real Estate auch die Kompetenz, einen Dachfonds aufzulegen und zu managen. Doch wenn einzelne Versicherungen an Anbieter herantreten, reicht ihr Investitionsvolumen nicht zur Auflage eines neuen Dachfonds aus. Um Anbieter tatsächlich dazu zu bewegen, neue Dachfonds zu starten, müssten sich mehrere Versicherungen gemeinsam an Fondsunternehmen wenden und auf diese Weise ein ausreichend hohes Investitionsvolumen bereitstellen. Wenn das gelänge, dann könnte in näherer Zukunft die Zahl der angebotenen Infrastrukturdachfonds deutlich steigen.

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