Im Blickfeld

IVG: noch viele offene Baustellen

Neustart verpatzt! So sieht die Bilanz der IVG Immobilien AG, Bonn, für 2011 aus. Der Wandel vom Immobilienhändler und -entwickler zum Asset Manager ist fast abgeschlossen und die Finanzierung stabilisiert. Da durfte für das zurückliegende Geschäftsjahr erneut ein positives Ergebnis erwartet werden. Am Jahresende 2011 stand jedoch ein Verlust von 218 Millionen Euro vor Steuern, nach 21 Millionen Euro im Vorjahr. Mildernd wirkte eine Steuergutschrift von 92 Millionen Euro, sodass das Unternehmen 2011 mit minus 126 Millionen Euro 2011 abschloss.

Schatten wirft immer noch das Großprojekt The Squaire. Für das 660 Meter lange Gebäude über dem Fernbahnhof des Frankfurter Flughafens wurden insgesamt 1,25 Milliarden Euro verbaut. Gemessen am Realisierungsgrad steht dem aber nur ein Buchwert von aktuell 774 Millionen Euro und nach Fertigstellung 800 Millionen Euro gegenüber. Zwar erwartet der Vorstand, dass beim Verkauf dieser Landmark-Immobilie ein emotionaler Preisaufschlag realisiert werden könne, doch wird auch dieser nicht verhindern, dass das Bauwerk letztlich ein Millionengrab bleibt. Insgesamt beliefen sich die Wertkorrekturen auf minus 117 Millionen Euro. Entsprechend sinkt die Lust am Bauen. Von Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten abgesehen wird, sich das Unternehmen vollständig aus der Projektentwicklung verabschieden.

Doch auch im operativen Geschäft musste die IVG Federn lassen. Im Segment Real Estate stand ein Ergebnisrückgang von 111 Millionen Euro um acht Prozent auf 102 Millionen Euro zu Buche. Als Grund werden gesunkene Mieteinnahmen genannt, denn allein im Jahr 2011 sind Liegenschaften für 500 Millionen Euro vorwiegend im Ausland verkauft worden. Die EPRA Nettoanfangsrendite, welche die Mieterträge abzüglich umlegbarer Betriebskosten ins Verhältnis zum Bruttomarktwert der Immobilien setzt, blieb mit 5,4 Prozent auf Vorjahresniveau. Ebenso stabil ist die NOI-Rendite, also die Nettomieten abzüglich der immobilienbezogenen Kosten, mit 5,0 Prozent.

Nachdem im Jahr 2010 insgesamt neun Kavernen im Bau in die Fair-Value-Erstbilanzierung eingingen, waren es 2011 nur noch sechs Lagerstätten. Dies soll ursächlich für das um knapp 34 Prozent von 163 Millionen Euro auf 108 Millionen Euro gesunkene Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) im Kavernengeschäft sein. Rückläufige Gebühren aus dem Fonds- und Objektmanagement wurden durch Transaktionsgebühren so weit kompensiert, dass das EBIT im Fondsgeschäft mit institutionellen Investoren immerhin auf Vorjahresniveau blieb, während im Privatkundensegment die Vorlaufkosten für den Anfang 2012 aufgelegten Euroselect 21 zu einem Ergebnis von minus 5,5 Millionen Euro führten.

Ins Kontor schlug jedoch auch das Finanzergebnis. Nachdem es 2010 minus 231 Millionen Euro betragen hatte, waren es 2011 minus 261 Millionen Euro. Unrealisierte Wertänderungen bei Fremdwährungen, Sicherungsgeschäfte und die Bewertung von Finanzanlagen wurden als wesentliche Ursachen für die Verschlechterung genannt. Immerhin gelang es im vergangenen Jahr, einerseits die Bankverbindlichkeiten um 460 Millionen Euro zu senken und andererseits durch Prolongationen das Unternehmen bis Jahresende 2013 durchzufinanzieren.

Zum Jahresende 2011 beliefen sich die Finanzverbindlichkeiten auf 4,878 Milliarden Euro, von denen 4,45 Milliarden Euro auf Banken entfielen. Allerdings erhöhten sich die durchschnittlichen Fremdkapitalkosten um 34 Basispunkte auf 4,32 Prozent, obwohl das niedrige Zinsniveau den Anstieg der Bankmargen weitgehend ausgeglichen hat.

Mit dem Auslaufen eines älteren Swap-Geschäfts werde der durchschnittliche Zinssatz Ende 2012 bei etwas über vier Prozent liegen. Insgesamt plant die Gesellschaft ihre Schulden durch den Verkauf von Kavernen, die Platzierung des Euroselect 21 und die Monetarisierung von The Squaire innerhalb von zwei Jahren um mehr als eine Milliarde Euro auf 3,745 Milliarden Euro abzubauen. Bis Ende 2014 ist eine Eigenkapitalquote von rund 30 Prozent das Ziel.

Bei Lichte betrachtet hat die IVG also noch eine ganze Reihe von Baustellen. Dabei ist das Unternehmen hinsichtlich seiner Neupositionierung im Markt durchaus erfolgreich. Dass die IVG im vergangenen Jahr für den Erwerb des sogenannten "Silberturms" in Frankfurt am Main einen Club Deal mit acht institutionellen Investoren - ohne Bankenbeteiligung - initiierte, hat ihre Fähigkeiten im Bereich der Co-Investments gezeigt.

Auch für den Geschlossenen Immobilienfonds Euroselect 21 München wurden in wenigen Wochen zwei Drittel des geplanten Eigenkapitals in Höhe von 205 Millionen Euro platziert. An beiden Immobilien bleibt die IVG mit jeweils zehn Prozent beteiligt und unterstreicht damit ihr strategisches Ziel, sich vom Bestandshalter zu einem Co-Investor und Asset Manager zu wandeln. Damit lässt sich sukzessive auch die hohe Verschuldung elegant abbauen.

Dabei wird sich das Verhältnis von Eigenbestand zu den Assets under Management noch weiter verschieben. Schon heute macht das IVG-Portfolio mit 3,8 Milliarden Euro nur einen Bruchteil des betreuten Gesamtbestands von 21,5 Milliarden Euro aus. Während das Gesamtportfolio nach wie vor ein europäisches ist, zieht sich die IVG selbst immer stärker auf den heimischen Markt zurück.

Inzwischen befinden sich 90 Prozent ihres Portfolios in Deutschland und nur noch zehn Prozent entfallen auf Europa. Auch hinsichtlich der Objektqualitäten agiert die IVG heute konservativer. Nur noch acht statt ehedem zehn Prozent des Bestands sind Workout-Objekte, etwa ein Fünftel des Portfolios wird als Value Added klassifiziert, während 73 Prozent zur Kategorie Core und Core-Plus gehören.

Zur Strategie der Risikoreduzierung passt auch die Forcierung des Infrastrukturgeschäfts. Nachdem das Unternehmen bei einer Kapitalerhöhung im Dezember vergangenen Jahres rund 145 Millionen Euro Bruttoemissionserlös erzielte, wird dieser zum Bau von 14 neuen Gas-Kavernen im niedersächsischen Etzel in diesem und dem nächsten Jahr genutzt. Die vorläufigen Geschäftszahlen der IVG machen deutlich, dass es viel Zeit und Ressourcen erfordert, um aus einem opportunistisch agierenden Immobilien-Großhändler einen auf das Premiumsegment spezialisierten Asset Manager zu machen.

Ohne das Geld und die Geduld der Banken wird das nicht zu machen sein. Dass mit Wolfgang Schäfers nunmehr ein ehemaliger Bankvorstand an der Unternehmensspitze steht und mit dem derzeitigen Vorstandsvorsitzenden der Postbank, Stefan Jütte, demnächst ein neuer Aufsichtsratsvorsitzender die weiteren Geschicke der IVG bestimmt, ist sicherlich ebenso wenig ein Zufall, wie der Umstand, dass beide von Banken kommen, die maßgebliche Finanzierer des Bonner Immobilienkonzerns sind. L. H.

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