Leitartikel

Ist die kommunale Verschuldung eine Gefahr für die Gläubiger?

Große Aufmerksamkeit in Tageszeitungen und in Fachzeitschriften erfuhren die Berichte über die Insolvenz der Stadt Detroit in den USA. Bedauerlicherweise musste man daraus auch entnehmen, dass ein deutsches Kreditinstitut ein großer Gläubiger dieser Stadt in den USA, die in den letzten Jahren einen dramatischen Bevölkerungseinbruch auf nur noch 700 000 Menschen erlitt, ist. Die Schulden belaufen sich auf über 15 Milliarden Euro. Nachdem der amerikanische Bundesstaat schon seit Jahren Milliardenhilfen für die Autoindustrie in Detroit zur Verfügung stellte, hat Washington nunmehr seine Kasse für Detroit geschlossen.

In den USA können Kommunen aufgrund ihrer eigenverantwortlichen Haushaltspolitik insolvent werden. Chapter 9, Title 11 des "United States Code" regelt ausschließlich die Zahlungsunfähigkeit von Städten und Gemeinden. Ziel ist es, sie in die Lage zu versetzen, ihre Schulden zu restrukturieren. Insofern verwundert es nicht, dass die angelsächsischen Ratingagenturen aus dieser Erfahrung heraus sich auch auf den Weg machen, um neben der Bundesrepublik Deutschland als Gesamtstaat auch die einzelnen Bundesländer und sogar einzelne Kommunen mit einem Kreditranking zu bewerten.

Dies ist aber im Hinblick auf die besonderen gesetzlichen und rechtlichen Grundlagen der Finanzierung der "öffentlichen Hände" in Deutschland ein nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechendes Verfahren. Denn zu Recht hat mit Hinweis auf die Insolvenz von Detroit der Deutsche Städtetag durch seinen Hauptgeschäftsführer Stephan Articus in zahlreichen Veröffentlichungen folgende Entwarnung gegeben: "Trotz aller Finanzprobleme, die viele deutsche Städte plagen, gilt doch: Sie können anders als amerikanische Städte nicht pleite gehen. In Deutschland ist die Insolvenz von öffentlichen Gebietskörperschaften gesetzlich ausgeschlossen. Es besteht ein gesamtstaatlicher Haftungsverbund aus Bund, Ländern und Kommunen. Das bedeutet, dass im Extremfall die Länder für die Kommunen einstehen müssen." Dieser Ausschluss soll die Funktionsfähigkeit der Staatsgewalt und der öffentlichen Verwaltung aufrechterhalten. Und in Deutschland geht auch die BaFin davon aus, dass der Kommunalkredit risikolos ist. Einer früheren Stellungnahme der Bundesregierung konnte man entnehmen, dass den Gläubigern durch die fehlende Insolvenzfähigkeit der Gemeinden keine Nachteile entstehen, da die Gebietskörperschaft über die steuerliche Refinanzierungsmöglichkeit gemäß Artikel 28 (2) Satz 3 Grundgesetz (GG) Fehlbeträge decken könne. Auch weist die Regierung auf die Kompetenzen der kommunalen Aufsichtsbehörden hin, welche die Insolvenz einer Gemeinde durch Aufsichtsmittel von vornherein abwenden könnten.

Bereits am 30. Januar 1935 wurde in § 116 (2) der Deutschen Gemeindeordnung festgelegt: "Ein Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinde findet nicht statt". Dies wurde nach Gründung der föderalen Bundesrepublik Deutschland in die geltenden landesrechtlichen Gemeindeordnungen übertragen. So zum Beispiel § 125 (2) Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (NRW): "Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinde findet nicht statt".

Auf Bundesebene sieht die deutsche Insolvenzordnung klare Regelungen für bestimmte juristische Personen des öffentlichen Rechts vor. Die Insolvenzfähigkeit von Bund und Bundesländern (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO) sind bundesgesetzlich ausgeschlossen. Die Insolvenzunfähigkeit des Bundes und der Länder ist auch Ausdruck der "Ewigkeitsgarantie" des Art. 79 (3) GG, wonach eine Grundgesetzänderung im Hinblick auf die Gliederung in Bund und Länder absolut unzulässig ist. Dabei sind nach Artikel 109 (1) GG "Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbstständig und voneinander unabhängig". Gemeinden, Gemeindeverbände und Landkreise sind von der Insolvenz ebenfalls ausgeschlossen (§ 12 Abs 1 Nr. 2 InsO), sofern sie der Aufsicht eines Bundeslandes nach Landesrecht unterstehen. Dies ist in allen deutschen Bundesländern gegeben. So sind zum Beispiel nach § 1 der Gemeindeordnung NRW die Gemeinden Gebietskörperschaften, die nach § 11 der Aufsicht des Landes unterliegen, die die Gemeinden in ihren Rechten schützt und die Erfüllung ihrer Pflichten sichert. Hierunter fallen in besonderer Weise auch alle finanziellen Verpflichtungen. Dabei ist aufgrund unseres Grundgesetzes zu konstatieren, dass die Gemeinden beziehungsweise die Gemeindeverbände verfassungsrechtlich Teil des jeweiligen Bundeslandes sind. Durch entsprechende Landesgesetze beziehungsweise Verordnungen entscheiden die Länder autonom über die Größe (Fläche, Einwohnerzahl) und auch prinzipiell über die Haushalts- und Finanzlage jeder ihrer Kommunen, sodass sie auch für die Verbindlichkeiten der Gemeinden haften. Um die Finanzsituation der deutschen Städte und Gemeinden nicht in "amerikanische Verhältnisse" gelangen zu lassen, setzen die Länder über die Gemeindeordnungen eine den Bezirksregierun-gen zugewiesene Kommunalaufsicht ein, die insbesondere detaillierte Vorgaben für die Haushaltsführung einer Kommune macht, deren Haushalte zu genehmigen hat oder auch zum Beispiel Kreditaufnahmen untersagen kann. Artikel 106 (7) GG gibt den Ländern auch eine Kompetenz über die Einnahmemöglichkeiten der Kommunen. Denn "von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im Übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt." Dies erfolgt über die sogenannten "Schlüsselzuweisungen". Und Artikel 106 (9) GG belegt diesen Verbund: "Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden". Der verschiedenen Kassenlage der Bundesländer trägt Artikel 107 (2) GG Rechnung, nachdem "durch das Gesetz sicherzustellen ist, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen".

Die Vorschriften in Artikel 106 (3) und (4) und in Artikel 107 (2 und 3) GG regeln den vertikalen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Der horizontale Finanzausgleich zwischen den Bundesländern ist in Artikel 107 (1) und Artikel 107 (2) Satz 1 und 2 GG geregelt. Hieraus ergibt sich auch eindeutig die Haftungsverantwortung der Bundesländer und des Bundes für die Zahlungsfähigkeit aller Kommunen. Ganz aktuell hat NRW ein Gesetz beschlossen, wonach es zur Entlastung der Landeskasse hier auch einen horizontalen Finanzausgleich zwischen "reichen" und "armen" Kommunen eingerichtet hat.

Dass Bund und Länder seit vielen Jahren nicht mehr Artikel 109 (3) GG befolgen, nachdem "die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind", hat zur hohen Gesamtstaatsverschuldung in Deutschland mit rund zwei Billionen Euro geführt. Hiervon entfallen jedoch "lediglich" 145 Milliarden Euro Kredite auf die Kommunen. Dabei ist es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht zu Haushaltsnotlagen gekommen. Um dies auch zukünftig zu vermeiden wurde ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates - entsprechend § 109 a GG - verabschiedet, wonach die fortlaufende Überwachung der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern durch eine "Schuldenbremse", mit der Verpflichtung, dass spätestens ab dem Jahre 2020 weder Bund noch Länder neue Schulden eingehen dürfen, erfolgt. Wenn eine deutsche Kommune entsprechend den Regeln ihrer Gemeindeordnung bei einer Bank einen Kredit aufnimmt, kann das Kreditinstitut auch zukünftig diese Forderung als genau so sicher ansehen, als hätte es eine Anleihe der Bundesrepublik Deutschland gekauft. Demnach gibt es auch für mich keinen Grund, dass Ratingagenturen die Bonität einer deutschen Kommune negativer bewerten als die des Gesamtstaates Bundesrepublik Deutschland.

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