Aufsätze

Investment Banking ein Thema für Kommunen?

Ist Investment Banking ein Thema für Kommunen? Die Antwort lautet: Ja! Denn es hat als ein wesentlicher Auslöser der Finanzmarktkrise tiefe Spuren in den kommunalen Haushalten hinterlassen. Zudem haben die Turbulenzen auf den Finanzmärkten auch zu einer gewissen Verunsicherung im kommunalen Finanzmanagement geführt.

Folgen der Finanzmarktkrise für die Haushalte

In den letzten Jahren hatten die deutschen Kommunen mit Rekorddefiziten zu kämpfen. Drastische Anstrengungen waren und sind erforderlich, um insbesondere die ruinöse Entwicklung der Kreditbestände zur Liquiditätssicherung im kommunalen Bereich einzudämmen. Erst in diesem Jahr könnte es gelingen, erstmals seit der Finanz- und Wirtschaftskrise in 2008, wieder einen Überschuss für die Gesamtheit der Kommunen zu erwirtschaften.

Bei den Steuereinnahmen wurde im Jahr 2011 (mit knapp 70 Milliarden Euro) das Niveau vor der Krise endlich wieder annähernd erreicht. Für das Jahr 2012 wird voraussichtlich das bundesweite Volumen der Gewerbesteuer (einschließlich Stadtstaaten) eine Höhe von 42,5 Milliarden Euro erreichen und damit den bisherigen Rekordwert von 41 Milliarden Euro aus dem Jahr 2008 übertreffen. Es hat sich also gelohnt, dass der Deutsche Städtetag in der Gemeindefinanzkommission leidenschaftlich und mit Erfolg für die Beibehaltung der Gewerbesteuer gekämpft hat.

Ein Grund zur Entwarnung ist diese Gesamtentwicklung für viele Städte dennoch nicht. Die Finanzlage vieler Städte bleibt auch unter den aktuellen konjunkturellen Gegebenheiten sehr ernst. Kassenkredite in Rekordhöhe belasten vor allem strukturschwache Kommunen, deren Probleme haben sich durch die Finanzmarktkrise noch einmal zusätzlich verschärft. So bleibt die Verschuldung ein kommunales Megathema.

Deshalb wirbt der Deutsche Städtetag derzeit insbesondere für eine deutliche Entschuldung der Kommunen, die finanzielle Entlastung bei den Sozialausgaben, Durchsetzung des Konnexitätsprinzips und die Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs in einzelnen Bundesländern. Flankierend sind unter anderem Möglichkeiten zu strategischen Investitionen über die bisherigen Finanzierungsmechanismen hinaus sowie Sanierungsansätze jenseits der klassischen Haushaltskonsolidierung in den einzelnen Kommunen auszuloten.

Erste Entschuldungshilfen für notleidende Kommunen in verschiedenen Bundesländern sind ein echter Fortschritt. Das bündische Prinzip im föderalen Staatsaufbau der Bundesrepublik hält und ist gelebte Praxis. Die Hilfen müssen transparent, sachlich angemessen sowie nachhaltig ausgestaltet sein und die notwendigen eigenen kommunalen Konsolidierungsanstrengungen unterstützen. Schließlich geht es auch darum, dass die beabsichtigte Entschuldung nicht zu unpraktikablen bürokratischen Monstern werden.

Sollen Entschuldungsfonds dauerhaft Wirkung zeigen, müssen die Faktoren, die zu dem enormen Anstieg der Defizite geführt haben, dauerhaft korrigiert werden. Das Konnexitätsprinzip ("wer bestellt, bezahlt") muss konsequent gelten. Die Einhaltung dieses Prinzips ist für die Zukunft elementar.

Herausforderungen für das Finanzmanagement

Die künftigen Herausforderungen für das Finanzmanagement der Kommunen sind gravierend. So besteht für die kommenden Jahre die Gefahr, dass durch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse der zunehmende Konsolidierungsdruck über die Länder weitgehend auf die kommunale Ebene verlagert wird. Es muss ein effektiver Schutzmechanismus verankert werden, durch den verhindert wird, dass Bund und Länder - statt den unbequemen Weg des Aufgabenabbaus und der Entbürokratisierung einzuschlagen - die Verschuldung auf die kommunalen Haushalte verlagern.

Eindringlich richtet der deutsche Städtetag an die Länder den Appell, die Schuldenbremse nicht zulasten der Kommunen anzuwenden. Die öffentliche Verschuldung muss auf allen Ebenen begrenzt werden. Die Länder dürfen den Konsolidierungsdruck durch die Schuldenbremse, die sie selbst einhalten müssen, nicht auf die Kommunen abwälzen. Jede Ebene muss zuerst und vor allem im eigenen Verantwortungsbereich sparen. Alles andere ist eine Mogelpackung und würde die Finanzprobleme der Kommunen verschärfen.

Zudem gibt es starke Signale, dass sich die Bedingungen für die Refinanzierung der Kommunen verschlechtern. Auslöser dieser Veränderung können die zu erwartenden Neuregelungen im Bankenaufsichtsrecht für EU-Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (Basel III) sein. Die Finanzmarktkrise gibt berechtigten Anlass, das bankenaufsichtliche Regelwerk zu überprüfen. Es ist jedoch zu befürchten, dass die Kumulation der nunmehr mit Basel III vorgeschlagenen Maßnahmen zu signifikanten Veränderungen der Kreditvergabe der Banken führen, mit besonderen Auswirkungen auf den Kommunalkredit.

Aufgrund der derzeit auf EU-Ebene verhandelten Kennzahlen zur Bankensteuerung besteht die Gefahr, dass risikolose und margenarme Kreditgeschäfte wie der Kommunalkredit durch renditeträchtigere, aber auch riskantere Geschäfte bei den Banken ersetzt werden. Kommunalkredite haben hier nur dann eine Chance, ins Portfolio aufgenommen zu werden, wenn die Margen und damit die Renditen für die Kreditinstitute deutlich erhöht werden. Dann aber kommt es zu einer deutlichen Verschlechterung der Kommunalkreditkonditionen - zulasten der Kommunen und damit der Steuerzahler.

Geringer kommunaler Anteil an den öffentlichen Schulden in Deutschland

Die Kreditaufnahme von Kommunen ist vor allem an der Investitionstätigkeit ausgerichtet. Ob und in welchem Maße sich eine Kommune verschulden kann, richtet sich nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Die kommunale Kreditaufnahme bedarf in nahezu allen Ländern der Genehmigung durch die Kommunalaufsicht der Länder.

Während der Anteil der Gemeinden und Gemeindeverbände an der öffentlichen Verschuldung in Deutschland bei rund sechs Prozent liegt, hat die Neuverschuldung einzelner Kommunen für den Kapitalmarkt vergleichsweise geringe Bedeutung. Das ist der Grund, weshalb es sich bei den kommunalen Schulden fast ausschließlich um Direktausleihungen der Kreditinstitute handelt. Von Gemeinden begebene Anleihen sind Ausnahmen. Dagegen machen bei der Verschuldung von Ländern und Bund Direktausleihungen der Kreditinstitute nur einen vergleichsweise geringen Anteil aus (bei Ländern 31 Prozent und beim Bund zirka ein Prozent). In diesen Relationen unterscheiden sich unter anderem die kommunale und staatliche Schuldenaufnahme in Deutschland.

Zins- und Schuldenmanagement

Deutsche Kommunen sind - wie auch Bund und Länder - in den letzten Jahren dazu übergegangen, ihr Schuldenportfolio nicht nur zu verwalten, sondern aktiv zu managen. Die wirtschaftlichen Konsequenzen der Turbulenzen auf den Finanzmärkten haben jedoch nicht nur tiefe Spuren in den Haushalten hinterlassen, sondern auch zu Fragen im Finanzmanagement geführt: Wird der bisher übliche Kommunalkredit auch in Zukunft verfügbar sein? Bleiben kommunale Einlagen gesichert? Ist ein aktives Schuldenmanagement noch zeitgemäß?

Mit Blick auf die wachsenden Kassenkreditbestände hat sich eine aktive Politik der Zinssicherung und Optimierung der Zinsbelastung zu einer eigenständigen Aufgabe der kommunalen Finanzwirtschaft entwickelt. Die Handlungsfelder des Zins- und Schuldenmanagements beziehen sich insbesondere auf die Zinssätze, Zinsbindungsfristen und Rückzahlungsmodalitäten. Auch derivative Finanzierungsinstrumente wurden und werden von Kommunen in diesem Kontext genutzt. Dass die durch Finanzdienstleister angebotenen Produkte mit Risiken, zum Teil sehr hohen Risiken für die Kommunalhaushalte verbunden sind, gehört zu den wesentlichen Erkenntnissen der jüngeren Geschichte. Einzelne Banken haben hier eine besonders unrühmliche Rolle gespielt.

Ein generelles Verbot des Einsatzes von Derivaten im kommunalen Zins- und Schuldenmanagement, wie derzeit auch in der Diskussion, würde dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit widersprechen und damit auch den sinnvollen Einsatz von Zinssicherungsderivaten unterbinden. Zinsrisiken wären nicht steuerbar und damit nicht sicherungsfähig, was zu zusätzlichen Risiken für die Kommunen führen kann.

Vor dem Hintergrund hoher Kreditbelastungen der Kommunen ist ein angemessenes Zins- und Schuldenmanagement auch in Zukunft erforderlich. Ohne eine drastische Reduzierung insbesondere der Kassenkreditbestände und Möglichkeiten zur Zinssicherung werden diese Kreditbestände der Kommunen in strukturschwachen Regionen bei ansteigenden Zinssätzen zum "Sprengsatz" für die kommunalen Haushalte. Schon aus diesem Grunde muss die grundlegende Möglichkeit, über derivative Finanzinstrumente Zinssicherungen zu erreichen, erhalten bleiben. Der Deutsche Städtetag hat in diesem Zusammenhang die "Musterdienstanweisung für den Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten im kommunalen Zins- und Schuldenmanagement" erarbeitet.*)

Zinssicherung über derivative Finanzinstrumente erhalten

Die seit 2010 bestehenden höheren Anforderungen an die Informations- und Aufklärungspflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen gegenüber Kommunen sind zu begrüßen.

Die entsprechende Klarstellung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), dass Kommunen in diesem Zusammenhang als nicht dem professionellen Bereich zuzurechnende Privatkunden einzustufen seien, dürfte im Interesse der überwiegenden Mehrheit der Kommunen liegen. Über mögliche Kriterien für eine Höherstufung von Kommunen im Einzelfall sollte noch entschieden werden.

Um Fehlentwicklungen bei der Nutzung von derivativen Finanzprodukten zulasten der Steuerzahler zu vermeiden, sind verbesserte Informations- und Entscheidungsgrundlagen für die Kommunen erforderlich. Aus diesem Grunde werden derzeit Möglichkeiten einer standardisierten Produktkennzeichnung und einer entsprechenden Vereinbarung mit den Banken geprüft. Der Deutsche Städtetag orientiert sich dabei an französischen Erfahrungen.

Investment Banking ist also ein - durchaus facettenreiches - Thema für die deutschen Kommunen.

*) Deutscher Städtetag, Kommunales Zins- und Schuldenmanagement, überarbeitete Musterdienstanweisungen, landesrechtliche Regelungen und Praxisbeispiele, 2011.

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