Expo Real Messeausgabe 2009

Ein Leitindex für den deutschen Immobilienmarkt

Woher wissen wir, wie sich die Werte der größten deutschen Unternehmen entwickeln, dass es an der Börse aufwärts geht, wann der Einstiegs/Exitzeitpunkt ist, woher, ob bestimmte Titel besser oder schlechter performen als die Benchmark? Indizes helfen nicht nur bei diesen Fragen und der Entscheidungsfindung, sondern sind schlechthin die wichtigsten Zeitreihen für den Kapitalmarkt. Sie machen die Performance von verschiedenen Asset-Klassen vergleichbar und sie geben Aufschluss über das historische Risiko- und Ertragsverhalten. Mit anderen Worten - sie sind die Basis für funktionierende effiziente Kapitalmärkte.

Immobilienindex - ein Muss

Will der deutsche Immobilienmarkt als attraktiver Investitionsstandort gelten und sollen Immobilien in gleicher Weise wie Anleihen und Aktien als Finanzanlagen wahrgenommen werden, kommt die Branche an einschlägigen Indizes nicht vorbei. Benötigt werden neben Preisindizes vor allem Performanceindizes. Jede Assetklasse hat ihren Leitindex - Aktien den Deutschen Aktienindex Dax, Rentenpapiere den Deutschen Rentenindex Rex, Pfandbriefe den Pex (Pfandbriefindex) und Unternehmensanleihen den RDax. In vielen Ländern gilt dies auch für den Immobiliensektor. In Deutschland jedoch immer noch nicht.

Die Bedeutung von Indizes für den Immobilienmarkt ist neben dieser eher investorengetriebenen Sichtweise auch für die volkswirtschaftliche Analyse erheblich. Der Einfluss der Entwicklung von Hauspreisen auf die Konjunktur ist in den zurückliegenden Monaten ins öffentliche Bewusstsein geraten - und das Platzen der Immobilienblase in den USA war ablesbar am S&P Case-Shiller Home Price Index.

Für die Immobilienmärkte in Deutschland gibt es statt aussagefähiger Leitindizes eine Vielzahl von Indizes mit unterschiedlichen und widersprüchlichen Aussagen, die sich für den Nicht-Insider als unübersichtlich darstellen. Überdies fehlen wesentliche Datenreihen, insbesondere im Gewerbeimmobilienbereich. So verwundert es nicht, dass Deutschland im internationalen Länder-Transparenzrating von Jones Lang Lasalle nur auf Platz 14 rangiert. Deutschland droht hier international den Anschluss zu verlieren.

Nun ist es aus vielerlei Gründen für das heterogene Asset Immobilie nicht ganz so einfach, einen Index zu berechnen, wie für die vergleichsweise homogenen Produkte Anleihen und Aktien. Ein Blick über den Tellerrand Deutschlands zeigt jedoch, dass es auch für Immobilien gute Indizes geben kann und Deutschland im internationalen Vergleich hinterherhinkt. Eine Recherche auf Bloomberg ergibt, dass es allein in Europa 1 323 Immobilienindizes gibt, davon 103 für Deutschland (7,8 Prozent). Dies erscheint jedoch relativ bescheiden, wenn man es mit Großbritanniens 631 Indizes (47,8 Prozent) vergleicht. Sogar Hongkong verfügt mit 112 Indizes über mehr Performancezeitreihen als der weltweit drittgrößte Immobilienmarkt.

Neben der rein numerisch geringeren Anzahl von deutschen Indizes stellt sich auch die Frage, warum die Veröffentlichungsfrequenz wie auch die Differenziertheit (das heißt die Erfassung auch von Teilmärkten wie Wohnen, Gewerbe, Einzelhandel) von Immobilienindizes vor allem in angelsächsischen Ländern wesentlich ausgeprägter sind. Die schlichte Antwort darauf lautet: Die Datengrundlage ist besser. Dies kann unter anderem auch darauf zurückgeführt werden, dass in Großbritannien oder auch in den USA die Daten auf der Grundlage des Freedom of Information Act zugänglich gemacht werden müssen.

Unzureichende Datenaufarbeitung

Zwar sind auch in Deutschland die meisten erforderlichen Daten vorhanden, vor allem bei den Gutachterausschüssen; doch werden die Daten bisher nicht ausreichend aufgearbeitet und ausgewertet. Die offizielle Statistik weist zudem noch nicht den erforderlichen Grad an Differenzierung auf. So gibt es bisher keine amtlichen Angaben über das Volumen der Gewerbeimmobilien in Deutschland. Transaktionen werden vielfach nicht öffentlich zugänglich gemacht, auch weil es dazu keine gesetzliche Auflage gibt.

Dies führt zu hohen Kosten bei der Beschaffung dieser Daten für die Marktteilnehmer. Dabei ist es gar nicht erforderlich, sämtliche Daten auszuwerten. Die deutsche Bundesbank geht davon aus, dass etwa 60 bis 70 Prozent Datenabdeckung ausreichen, um den Gesamtmarkt abzubilden. Darüber hinaus sollte sich ein Index (a) auf vergleichbare Anlageprodukte beziehen, (b) seine Berechnung nachvollziehbar sein und (c) möglichst die gesamte abgebildete Assetklasse repräsentieren.

Die Heterogenität der Immobilien ist insbesondere ein Problem für den Vergleich bei der Erstellung transaktionsbezogener Preisindizes. Sogenannte hedonische statistische Modelle können hier ein Weg sein, die Vergleichbarkeit der Immobilienpreise zu ermöglichen. Hier hat es in der jüngsten Vergangenheit viel Bewegung gegeben. Besonders erfreulich ist, dass es mehreren Anbietern gelungen ist, Indexreihen zu entwickeln, bei denen die qualitätsbedingten Preisunterschiede (zum Beispiel durch die Lage oder Zustand) ausgeschaltet werden.

Transaktionsbasierte Indizes

Der geplante vdp-Index nutzt als Datengrundlage die Beleihungswertgutachten der Pfandbriefbanken sowie die Kaufpreise. Der vdp-Index greift auf rund 300 000 Bewertungen zurück, die aus den Jahren 2003 bis 2007 stammen. Der Index basiert auf einem hedonischen Modell.

Auch der Hypoport-Hauspreisindex HPX beruht auf einem hedonischen Modell. Er existiert seit Juni 2008 und liefert Daten, die bis 2005 zurückgerechnet wurden. Die Datenbasis besteht ausschließlich aus erstfinanzierten selbstgenutzten Objekten und unterscheidet zwischen gebrauchten Häusern, neuen Häusern und Eigentumswohnungen.

Der Bulwien Gesa Immobilienindex weist im Vergleich die längste Zeitreihe ab 1975 auf. Der Index berücksichtigt gegenwärtig Miet- und Preisänderungen in 125 Städten, wobei die Daten selbst erhoben beziehungsweise überarbeitet werden. Der Index basiert auf den tatsächlichen Preisen und deren Gewichtungen.

Der Vollständigkeit halber erwähnt sei der Deix Preisindex für Wohneigentum von Gewos, der jährlich die regionale Entwicklung der Durchschnittspreise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen auf der Grundlage von etwa 210 000 Kauffällen von Einfamilienhäusern und rund 230 000 Kauffällen von Eigentumswohnungen abbildet.

Obwohl bewertungsorientierte Performanceindizes eine größere Vergleichbarkeit aufweisen, spiegeln sie aufgrund der Bewertungsintervalle nur schlecht unterjährige Marktentwicklungen wider.

Der Dix misst den Total Return aus der Netto-Cash-Flow-Rendite und der Wertänderungsrendite. In den Index fließen ausschließlich Bestandsobjekte ein, die mindestens einmal pro Jahr neu bewertet werden. Projektentwicklungen und Portfolioverkäufe werden dabei nicht berücksichtigt. Der Index greift auf Primärdaten institutioneller Investoren, insbesondere der Immobilien der Offenen Immobilienfonds zurück und wird regional und nach Nutzungsarten in 14 Subindizes untergliedert. Die noch nicht genügende Marktabdeckung in Deutschland liegt vielleicht auch an der Aufwendigkeit der zu liefernden Daten. Dennoch ist der Dix im internationalen Vergleich der bisher am weitesten verbreitete Index und wird auch als Basis für Derivatgeschäfte eingesetzt.

Der "Victor" (Valuation Performance Indicator) von Jones Lang Lasalle trifft Aussagen zur Wertentwicklung der Top-Bürolagen in den Städten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg und München. Der Index wird seit dem 31. Dezember 2003 quartalsweise ermittelt und auf Quartalsbasis fortgeschrieben, aber erst Anfang 2009 für das Jahr 2008 erstmals veröffentlicht.

Die Marktwertermittlung der Teilmärkte erfolgt nach Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF). Die im Modell verwendeten Kapitalisierungs- und Diskontierungszinssätze basieren auf der Analyse von realen Markttransaktionen beziehungsweise sind von Erwartungsrenditen der am Markt aktiven Investoren abgeleitet. Die Brauchbarkeit dieses Index muss sich noch beweisen, insbesondere inwieweit hier tatsächlich Markt oder "Market-Making" abgebildet wird.

Der German Property Index (GPI) von Bulwien Gesa bildet seit 1991 die Performance von Immobilien nach Teilsegmenten und Regionen ab. Die beiden Komponenten des GPI zeigen die Veränderung der Mieten und die Wertänderungsrendite. Es stehen Performance-Indizes für 125 Marktstädte in den Segmenten Büro, Einzelhandel, Wohnen und Logistik von 1991 bis 2006 und unter Berücksichtigung der Prognosen sogar bis 2011 zur Verfügung.

Defizite der aktuell verfügbaren Indizes

Alles in allem vermögen diese nichtamtlichen Indizes die Transparenzdefizite des deutschen Immobilienmarktes nur ungenügend auszugleichen. Es mangelt insbesondere daran, dass die Zeitreihen bis auf wenige Ausnahme noch nicht sehr lang sind und sich ein Benchmark-Index für die verschiedenen betrachteten Märkte noch nicht herausbildet hat, wie dies etwa in Großbritannien mit dem IPD-Index der Fall ist.

Mit dem in Entwicklung befindlichen Hauspreisindex des Statistischen Bundesamts wird erstmals der einzige amtliche Index zur Verfügung stehen. Die Branche bewertet diese Entwicklung besonders positiv. Einfließen werden die Preisentwicklungen im sogenannten "Eigenbau", "Fertigteilbau" und" schlüsselfertigen Bauen". Der letzte Ausbauschritt umfasst neben der Erfassung von Neubaupreisen auch die Abdeckung von bereits bestehenden Wohngebäuden. Als einziger Index bildet er den Markt vollumfänglich ab - denn im Bereich des schlüsselfertigen Bauens basiert er auf den Daten der örtlichen Gutachterausschüsse. Diese sind per Gesetz (§ 7 PreisStatG) dazu verpflichtet, dem Statistischen Bundesamt sämtliche gesammelten Kaufpreise anonymisiert weiterzuleiten. Es bleibt zu wünschen, dass alle Gutachterausschüsse lückenlos Daten zur Verfügung stellen.

Verbesserung der Datengrundlage nötig

Das Modell basiert auf einer Qualitätsbereinigung (hedonisches Modell). Es liegen bereits erste Ergebnisse aus der Pilotphase vor, die voraussichtlich Ende 2009 abgeschlossen wird. Eurostat will dann auf europäischer Ebene vorgeben, wie die nationalen Indizes zu berechnen sind und diese zu einem europäischen Index zusammenführen, der dann auch als Frühindikator für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa zur Verfügung steht. Der Nachhohlbedarf für Wohnimmobilien ist damit geringer geworden für Gewerbeimmobilien jedoch noch nicht.

Ohne eine ausreichende Zahl von Daten gibt es keine guten Marktindizes. Die Transparenzdefizite im deutschen Immobilienmarkt sind im Kern auf dieses Problem zurück zu führen. Alle Bemühungen zur Verbesserung, die unter anderem der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) unternimmt, müssen dem Rechnung tragen und haben folgende Stoßrichtung: Zunächst sollte die Immobilienbranche von sich aus transparenter werden und mehr Daten bereitstellen. Wie sich bei den Offenen Immobilienfonds gezeigt hat, führt mehr Transparenz bei den Marktteilnehmern keineswegs notwendig zu Nachteilen.

Die Offenen Fonds gelten mittlerweile als transparenteste Immobilienbranche Deutschlands ohne wesentliche Wettbewerbsnachteile. Aber auch die relevanten amtlichen Stellen sollten die Daten zur Auswertung entweder der öffentlichen Hand oder einer privaten Institution zur Verfügung stellen. Damit trägt der Staat existenziell dazu bei, dass die Immobilienbranche als einer der Motoren des Wachstums transparenter und für Investoren attraktiver wird.

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