Bewertungsfragen

Preisindizes für Wohnimmobilien: Konzeption und Ergebnisse

Spätestens seit dem starken Anstieg und anschließenden Verfall der Preise für Wohnimmobilien in den USA richtet sich das öffentliche Interesse auch im Eurogebiet und in Deutschland verstärkt auf Immobilienpreisindizes. Dieser Aufsatz untersucht die Verfügbarkeit und Qualität von Preisindizes für Wohnimmobilien in Deutschland. Zunächst werden die Anforderungen erläutert, die ein solcher Index erfüllen sollte. An diesen werden dann die vier verfügbaren Immobilienpreisindizes für Deutschland gemessen.

Nutzen von Immobilienpreisindizes

Für Notenbanken spielen Immobilienpreisindizes aus mehreren Gründen eine wichtige Rolle.

- Erstens dienen sie zur Umrechnung nominaler Größen in reale Größen, um Preiseffekte von Mengeneffekten zu trennen. Dazu kommt, dass der Neuerwerb von Wohneigentum einen beträchtlichen Anteil an den Konsumausgaben eines Haushaltes darstellt, und somit auch bei der Inflationsmessung auf der Verbraucherstufe zum Tragen kommen sollte.

- Zweitens besteht ein Zusammenhang zwischen der Immobilienpreisentwicklung und der Finanzmarktstabilität, insofern als der Hauskauf typischerweise durch Kreditaufnahme finanziert wird, wobei die Immobilie als Sicherheit dient. Ändert sich der Wert der Sicherheit zum Beispiel aufgrund von Hauspreisschwankungen, kann dies Auswirkungen auf die Kreditausfallquote haben.

- Und schließlich ermöglicht die Messung von Immobilienpreisänderungen die Erforschung makroökonomischer Fragestellungen, beispielsweise inwieweit ein möglicher Vermögenseffekt den privaten Konsum beeinflusst.

Regionale Breite und tatsächliche Preise

Um diesen Zwecken gerecht zu werden, sollten Immobilienpreisindizes eine Reihe von Anforderungen erfüllen. Dazu gehört erstens die Verwendung tatsächlich gezahlter Transaktionspreise. Indikatoren auf Basis von Experteneinschätzungen oder gar Angebotspreisen aus Verkaufsannoncen sind bestenfalls Ersatzlösungen.

Zweitens sollte die räumliche Abdeckung des Index möglichst breit und repräsentativ für den Gesamtmarkt sein. Darüber hinaus muss die Vergleichbarkeit über die Zeit gewährleistet sein.

Dieser Punkt ist besonders schwierig zu erfüllen, weil kein Haus exakt dem anderen entspricht, allein schon wegen seiner Lage. Würde man den Wert eines Hauses an einer viel befahrenen Straße mit dem eines anderen Hauses im Grünen ein Jahr später vergleichen, wüsste man nicht, ob es sich um eine reine Preisänderung handelt oder ob der Wertunterschied auf die unterschiedliche Attraktivität der Lage zurückzuführen ist.

Daher ist es außerordentlich wichtig, die Qualitätseigenschaften der Immobilie, deren Preis gemessen werden soll, rechnerisch konstant zu halten. Dies kann auf mehrere Arten geschehen. Es bietet sich an, den Preis desselben Objekts zu mehreren Zeitpunkten abzufragen.1) Varianten dieser Methode sind die Beobachtung verschiedener Häuser mit sehr ähnlichen Eigenschaften oder eines typischen Objekts. Hierbei muss jedoch auf eine hinreichend aussagekräftige Definition für "typisch" geachtet werden.

Eine aufwendigere, jedoch flexiblere Lösung ist die Qualitätsbereinigung mit Hilfe der regressionsbasierten hedonischen Schätzung.2) Unter Voraussetzung einer ausreichenden Zahl an Transaktionen (die jedoch nicht immer dasselbe Haus betreffen müssen), lassen sich die Einflüsse der einzelnen Eigenschaften auf den Hauspreis näherungsweise bestimmen.

Auf diese Weise kann der Preis eines hypothetischen Hauses mit denselben Eigenschaften zu einem anderen Zeitpunkt bestimmt werden und so die Qualität konstant gehalten werden. Die Angaben für verschiedene Regionen und Objektarten sind mit geeigneten Gewichten zu einem Gesamtindex zu aggregieren.

Diese können beispielsweise der Immobilienbestand, die Wohnfläche (einer Region oder einer Objektart) oder die Bevölkerungszahl (einer Region) sein. Schließlich sollten die Indexwerte rasch und nach Möglichkeit zumindest vierteljährlich verfügbar sein, um bei der Einschätzung der aktuellen Lage dienlich sein zu können.

Möglichkeiten der Datenerhebung

Bei der Datensammlung ist die grundlegende Schwierigkeit die konsistente Erhebung von Preisen und Eigenschaften von Wohnimmobilien. Generell findet man vier Hauptquellen für diese Angaben. Die erste sind die Notare, die alle Hauskäufe und -verkäufe registrieren. Leider werden die Eigenschaften der gehandelten Immobilien noch nicht in allen Bundesländern in einheitlicher Weise erfasst. Die Gutachterausschüsse bündeln die Daten von den Notaren, wobei ihre Aufgabe vornehmlich in der Beobachtung und Einschätzung der lokalen Grundstücksmärkte liegt.

Informationen aus der Kreditvergabe

Daneben besteht die Möglichkeit, Informationen aus dem Kreditvergabegeschäft von Immobilienfinanzierern zu ziehen. Diese Art der Datensammlung hat den Vorteil, dass sie relativ leicht standardisiert werden könnte. Zudem dürften die beteiligten Institute selbst ein Interesse an aussagekräftigen Preisindizes für Wohnimmobilien haben. Schließlich werden auch Experteneinschätzungen bei der Sammlung und Qualitätsbereinigung nach der Methode des typischen Objekts genutzt.

Mittels der genannten Kriterien kann nun die Güte von vier Preisindizes für Wohnimmobilien in Deutschland beurteilt werden, die von der Bundesbank auf Basis von Daten der Bulwien Gesa AG3), dem Statistischen Bundesamt, der Hypoport AG und dem Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) bereitgestellt werden. In der Tabelle werden die vier Indizes gegenübergestellt. Bis auf die Bulwien-Gesa-Daten basieren alle Reihen auf tatsächlich gezahlten Transaktionspreisen.

Allerdings dürfte Bulwien Gesa bei der räumlichen Abdeckung den anderen Indizes voraus sein, da 125 Städte (allerdings nicht der ländliche Raum) in Gesamtdeutschland erfasst werden. Dem Statistischen Bundesamt fehlt bislang beim "Schlüsselfertigen Bauen" der gesamte süddeutsche Raum, und die Hypoport AG erfasst in Ostdeutschland laut Angaben nur die Ballungsräume Leipzig und Dresden. Die regionale Erfassung durch den vdp erstreckt sich auf den Geschäftsbereich seiner Mitgliedsinstitute, was ohne weitere Informationen nicht konkretisiert werden kann.

Qualität der verfügbaren Transaktionsdaten

Während Bulwien Gesa die Methode des typischen Objekts zur Qualitätsbereinigung verwendet, beruhen die Ergebnisse der anderen drei Indikatoren auf regressionsbasierten hedonischen Schätzungen. Die Arten der Gewichtung von Teilindizes unterscheiden sich zum Teil erheblich. Tendenziell scheint die regionale Gewichtung anhand von Einwohnerzahlen, und über Objektarten hinweg mittels Bestands- beziehungsweise Neubauzahlen bevorzugt zu werden.

Was die Häufigkeit der Veröffentlichung angeht, liegt die Hypoport AG mit Monatsdaten vor dem Statistischen Bundesamt mit angestrebter vierteljährlicher Publikation und der Bundesbank (Bulwien Gesa AG) mit jährlicher Berichterstattung. Der vdp hat bisher nur einmal im Oktober 2008 Jahreswerte ab 2003 veröffentlicht.4) Die Zeitreihen der Bulwien Gesa AG gehen für Gesamtdeutschland bis 1995 zurück (für Westdeutschland bis 1975), die des Statistischen Bundesamtes bis 2000, die des vdp bis 2003 und die der Hypoport AG bis 2005. Bis auf den auf Bulwien-Gesa-Daten basierenden Bundesbank-Indikator sind diese Reihen für makroökonomische Analysen noch relativ kurz.

Herausrechnung des Grundstückswertes

Alle Indikatoren mit Ausnahme des vdp-Index weisen Neukäufe getrennt von Transaktionen mit Bestandsimmobilien (Wiederverkäufen) aus.5) Das Statistische Bundesamt rechnet bei Neukäufen den Grundstückswert heraus, weil der entsprechende Index für Inflationsmessung bei selbst genutztem Wohneigentum verwendet werden soll.6) Abbildung 1 zeigt die Verläufe der Indizes der Bundesbank, der Hypoport AG und des Statistischen Bundesamtes für Neukäufe.7)

Es sind deutliche Abweichungen der einzelnen Indizes Jahr für Jahr zu erkennen. Mittelfristig scheinen sie allerdings einem gemeinsamen Trend zu folgen. Die Abweichung in den Jahren 2001 bis 2003 lässt sich zum Teil durch die fehlende Abdeckung des süddeutschen Raumes im Index des Statistischen Bundesamtes zurückführen. Abbildung 2 stellt die entsprechenden Reihen für Wiederverkäufe dar.

Verbesserung der Datenlage in Aussicht

Bei den Wiederverkäufen ist kein gemeinsamer mittelfristiger Trend erkennbar. Insbesondere im Übergang vom Jahr 2004 auf das Jahr 2005 fallen die Unterschiede auf. Worin diese Abweichungen begründet sind, lässt sich aufgrund der Kürze der Zeitreihen und fehlender Detailinformationen nicht näher bestimmen.

In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Immobilienpreisindizes für Deutschland, die den elementaren Anforderungen an aussagekräftige Preisindizes näherungsweise genügen, deutlich vergrößert. Wie in anderen Ländern auch, zeigen sich zwischen den einzelnen Indizes deutliche Unterschiede. Das große Interesse von privaten Unternehmen und nationalen sowie internationalen Institutionen an solchen Indizes lässt vermuten, dass sich die Datenlage und -verfügbarkeit in nächster Zukunft weiter verbessern wird.

Fußnoten

1) Diese Methode findet in den USA unter dem Namen "Repeat Sales Index" Anwendung (vergleiche Standard & Poor's (2007): S&P/Case-Shiller Home Price Indices. Index Methodology. Und Calhoun, C. (1996): OFHEO House Price Indexes: HPI Technical Description. Office of Federal Housing Enterprise Oversight. Sie setzt jedoch eine ausreichende Zahl von Transaktionen mit demselben Objekt während eines Beobachtungszeitraums voraus, die bisher in Deutschland nicht gegeben ist.

2) Für eine knappe, aber intuitive Erläuterung dieser Methode vergleiche Behrmann, T. (2004): Zur Anwendung hedonischer Methoden beim Häuserpreisindex, Wirtschaft und Statistik 5/2004, Statistisches Bundesamt. Eine detaillierte technische Analyse findet sich in Triplett, J. (2004): Handbook on hedonic indexes and quality adjustments in price indexes: Special application to information technology products. OECD STI Working Paper 2004/9.

3) Siehe dazu Deutsche Bundesbank (2003): Preisindikatoren für den Wohnungsmarkt. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank September 2003.

4) Vergleiche Hagen, L. (2008): Transaktionsdatenbank unterstützt Geschäfts- und Risikosteuerung. Börsen-Zeitung vom 2. Oktober 2008.

5) Der Anteil der Transaktionen von Bestandswohnimmobilien zwischen dem Haushaltssektor und den übrigen Sektoren dürfte zu vernachlässigen sein.

6) Vergleiche Dechent, J. (2008): Häuserpreisindex - Projektfortschritt und erste Ergebnisse für bestehende Wohngebäude. Wirtschaft und Statistik 1/2008. Statistisches Bundesamt.

7) Vom vdp liegen hierzu keine Angaben vor.

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors auf der 43. Herbsttagung am 23. Oktober 2008 in Wiesbaden.

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