Projektentwicklung

Nachhaltigkeit bei Immobilieninvestitionen - mehr als Energieeffizienz

Nachhaltigkeit ist heute für professionelle Immobilieninvestoren - und in wachsendem Maße auch für Privatanleger - zu einem immer wichtigeren Entscheidungskriterium bei der Auswahl und Beurteilung von Investitionsobjekten geworden. Allerdings wird Nachhaltigkeit gerade bei Immobilien zu oft auf ökologische Aspekte beziehungsweise auf Energieeffizienz reduziert. Aus Investorensicht ist ein Investment jedoch erst dann im eigentlichen Sinne "nachhaltig", wenn die betreffende Immobilie auf lange Sicht wertbeständig ist, das heißt, wenn sie ungeachtet der zyklischen Schwankungen am Immobilienmarkt ihren "inneren Wert" behält und wettbewerbsfähig gegenüber anderen - auch neueren - Objekten bleibt. In diesem Sinne wirkt sich die Energieeffizienz sicherlich auch auf die Wertbeständigkeit einer Immobilie aus, ist dabei allerdings nur einer von mehreren Faktoren.

Dass ein Neubau energieeffizient ist und sich generell kostengünstig betreiben lässt, setzen Investoren inzwischen voraus - unabhängig davon, ob das betreffende Gebäude als "Green Building" zertifiziert ist oder nicht. Hinzu kommt, dass viele auf Energieeffizienz bezogene Nachhaltigkeitskriterien heute allein schon deshalb obligatorisch sind, weil die gesetzlichen Anforderungen hierfür immer weiter verschärft wurden. Und in dem Maße, wie bestimmte Nachhaltigkeitskriterien zum Standard geworden sind, relativiert sich auch ihrer Aussagekraft als Abgrenzungsmerkmal im Wettbewerb. Für Investoren ist es deshalb notwendig, genauer hinzusehen und sich neben der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen an solchen Kriterien zu orientieren, die sich in der Praxis nach wie vor als Differenzierungsmerkmale erweisen. Denn auch wenn die gesetzlichen Bestimmungen immer weiter verschärft worden sind, bedeutet das nicht, dass alle auf dieser Grundlage errichteten Neubauten für Investoren und Nutzer gleichermaßen wirtschaftlich attraktiv wären.

Aussagekraft von Zertifikaten

In diesem Zusammenhang ist es auch notwendig, die Aussagekraft von Green-Building-Zertifikaten richtig einzuordnen. Zweifellos ist eine solche Zertifizierung sinnvoll, weil sie das Ergebnis einer Überprüfung durch Experten darstellt, die der Investor in dieser Form im Regelfall nicht oder nur mit hohem Aufwand selbst vornehmen könnte. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Bedeutung der Zertifikate von Investoren und Mietern unterschiedlich eingeschätzt wird. So sind zertifizierte Objekte vor allem für Mieter interessant, die sich selbst in starkem Maße zum Thema Nachhaltigkeit positionieren möchten. Dazu zählen viele große, internationale Konzerne oder Beratungsgesellschaften. Für diese Unternehmen ist eine Zertifizierung oft Grundvoraussetzung für den Abschluss eines Mietvertrags.

Unabhängig von der Frage nach der Zertifizierung interessieren sich jedoch am Markt alle Akteure für das Thema Nachhaltigkeit, die die langfristige ökonomische Nutzung beziehungsweise Bewirtschaftung einer Immobilie im Fokus haben. Mieter akzeptieren eine höhere Miete für ein nachhaltiges Gebäude dann, wenn absehbar ist, dass diese Mehrkosten durch Einsparungen im laufenden Betrieb schnell wieder kompensiert werden können. Investoren dagegen akzeptieren eine geringere Ankaufsrendite für ein nachhaltiges Objekt, wenn sie dafür dauerhaft eine höhere Wertbeständigkeit dieses Objekts erwarten können.

Was die Aussagekraft von Green-Building-Zertifikaten betrifft, so ist in jedem Fall darauf zu achten, welche Schlussfolgerungen aus einem solchen Zertifikat gezogen werden können - und welche nicht. Im Rahmen der Zertifizierungen werden bestimmte Kriterien und Kennzahlen erfasst und zum Teil unterschiedlich berücksichtigt. Um Aussagen über die zu erwartende Wertbeständigkeit und Rentabilität einer zertifizierten Immobilie treffen zu können, ist daher jeweils zu fragen, welche Kriterien bei der Zertifizierung möglicherweise besonders stark gewichtet wurden und inwieweit diese Kriterien auch die langfristige Wertbeständigkeit maßgeblich beeinflussen. So zeigt die Erfahrung, dass Gebäude mit dem gleichen Green-Building-Label in der Praxis oft nicht vergleichbar sind und sich im Hinblick auf ihre Wirtschaftlichkeit im laufenden Betrieb stark unterscheiden können.

Dieser Aspekt wird im Rahmen der Beurteilung der Zertifikate oft nicht oder nur unzureichend erfasst, denn ein Zertifikat bildet in der Regel den Zustand der Immobilie zu einem bestimmten Zeitpunkt ab. Seine Aussagekraft kann sich dementsprechend auch nur auf diesen Zeitpunkt oder auf einen begrenzten Zeitraum beziehen, hat aber nicht auf Dauer Bestand. So beziehen sich die bislang vor allem üblichen Zertifizierungen von Neubauten oder revitalisierten Gebäuden jeweils auf den Zustand bei Abnahme des Objekts. Sie sagen jedoch nicht automatisch auch etwas darüber aus, ob das betreffende Gebäude im laufenden Betrieb auch tatsächlich niedrigere Energie-, Wartungs- und Instandhaltungskosten verursacht.

Drei wesentliche Kriterien der Wettbewerbesfähigkeit

Es ist deshalb zu erwarten, dass sich Zertifizierungen während der Nutzungsphase, die sich gegenwärtig neben den Zertifizierungen bei Fertigstellung am Markt zu etablieren beginnen, künftig noch stärker durchsetzen werden. Sie basieren stärker auf Ist- als auf Soll-Werten und können deshalb mehr darüber aussagen, wie wirtschaftlich und verbrauchseffizient ein Gebäude im laufenden Betrieb ist. Allerdings haben auch diese Zertifikate keine zeitlich unbegrenzte Aussagekraft. Vielmehr müssen sie regelmäßig wieder erneuert werden, wobei dafür Zeiträume von maximal drei bis fünf Jahren - je nach Zertikat - gelten.

Die differenzierte Beurteilung einer Immobilie unter Nachhaltigkeitsaspekten kann aus Investor- und Mietersicht immer nur in enger Verbindung mit der Nutzung des Gebäudes erfolgen. So ist beispielsweise ein theoretisch niedriger Energieverbrauch pro Quadratmeter an sich noch kein Vorteil, wenn nicht zugleich auch der auf die im Objekt Beschäftigten entfallende Verbrauch entsprechend gering ist. So kommt es beispielsweise vor, dass Gebäude mit einer vergleichsweise komplexen Haustechnik ausgestattet sind, die von den Nutzern jedoch nicht hinreichend verstanden und in der Praxis ineffizient eingesetzt wird. Das kann im Ergebnis trotz formal hoher Energieeffizienz zu einer spürbar geringeren Wirtschaftlichkeit führen. Ähnliches gilt auch, wenn einzelne Komponenten der Haustechnik nicht gut genug aufeinander abgestimmt sind oder wenn das Layout des Objekts keine effiziente Flächennutzung ermöglicht.

Daran wird deutlich, welche unmittelbare praktische Bedeutung es für Investoren hat, den Nachhaltigkeitsbegriff eben nicht allein auf Energieeffizienz und ökologische Kriterien zu verkürzen, sondern vielmehr sicherzustellen, dass das Objekt über seine gesamte Lebensdauer hinweg im Vergleich mit anderen Gebäuden wettbewerbsfähig bleibt.

Das bedeutet konkret, dass es beispielsweise auch in zehn oder fünfzehn Jahren noch mit anderen Objekten in seinem Umfeld konkurrieren können muss, obwohl anzunehmen ist, dass darunter dann auch deutlich jüngere Neubauten sein werden. Inwieweit eine Immobilie diese Wettbewerbsfähigkeit besitzt, hängt im Wesentlichen von drei Kriterien ab. Dies sind die Lage, die Verbrauchseffizienz und vor allem auch das Layout des Objekts. Dabei ist die Verbrauchseffizienz als Sammelbegriff für Effizienz hinsichtlich sämtlicher Verbrauchsaspekte (Energie, Wasser und so weiter) zu verstehen.

Diese drei Kriterien sind zugleich auch die entscheidenden Komponenten der "Full Costs of Occupancy" (FCO), die für Mieter heute wesentlich wichtiger sind als Miete und Nebenkosten allein. Sie beinhalten sämtliche Kosten, die dem Mieter - im Wesentlichen "pro Arbeitsplatz" statt "pro Quadratmeter" - im Zusammenhang damit entstehen, dass er ein bestimmtes Gebäude nutzt. Dabei fließen in die Kalkulation neben einer effizienten Flächennutzung und flexiblen, einfachen Umgestaltungsmöglichkeiten von Flächen auch sämtliche Kosten der Mitarbeiter für den täglichen Weg zum Arbeitsplatz mit ein, die wiederum von der Lage des Objekts abhängen.

Das dritte Kriterium für die Wettbewerbsfähigkeit und Wertbeständigkeit von Immobilien - das Layout des Gebäudes - wird von Investoren häufig unterschätzt. Es hat jedoch erheblichen Einfluss auf die Drittverwendungsfähigkeit, aber auch auf mögliche Revitalisierungsund Modernisierungsmaßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt. Objekte mit hoher Nutzungsflexibilität oder sogar Drittverwendungsfähigkeit lassen sich in der Regel schneller und besser wiedervermieten und sind damit für den Investor wertbeständiger.

Wie funktional und flexibel ein Gebäude genutzt und an die Bedürfnisse eventueller Nachmieter angepasst werden kann, ergibt sich maßgeblich aus dem Layout. Entsprechende Überlegungen sollten deshalb bereits in frühesten Planungsphasen berücksichtigt werden, denn Planungs- und Entwurfsfehler im Layout können irreparabel sein und über die gesamte Lebensdauer des Objekts hohe Folgekosten verursachen. Umgekehrt ermöglicht es ein gutes Layout, ein Objekt auch in zehn oder fünfzehn Jahren mit vergleichsweise geringen Kosten wettbewerbsfähig zu halten.

Entscheidend ist dafür, dass das Objekt immer wieder relativ einfach angepasst und optimiert werden kann, wobei vor allem die Effizienz von Infrastrukturelementen wie Transport- und Kommunikationswegen im Fokus steht. Kritische Punkte im Layout sind beispielsweise die Zahl und die Anordnung der Erschließungskerne in Hochhäusern, die Positionierung des Eingangsbereichs und die Anordnung und die Dimensionierung der Nutzflächen. Besonders wichtig sind die Orientierung der Nutzflächen zur Fassade beziehungsweise die Möglichkeit des Tageslichteinfalls, aber auch die Geschosshöhen.

Mehr Mitbestimmung durch Mieter

Die Fassade oder bestimmte Teile der Haustechnik haben dagegen in diesem Zusammenhang geringere Bedeutung, denn nutzerorientierte Haustechnikkomponenten weisen ohnehin eine stetig kürzer werdende Lebensdauer auf, und die Fassade sollte eher eine auswechselbare "Hülle" darstellen. Denn die Praxis zeigt, dass Gebäudekonzepte bei denen die Fassade ein wesentlicher Bestandteil des statischen Konzeptes ist, bei Umbauoder Modernisierungsmaßnahmen meist deutlich weniger flexibel sind.

Fragen wie die Layoutgestaltung oder die FCO, die vor allem für Mieter relevant sind, haben inzwischen deutlich mehr Einfluss auf Projektentwicklungen als früher. Noch vor rund 20 Jahren bestimmten Projektentwickler alle wichtigen Eckdaten, und Mietern wurden fertige Konzepte ohne wesentliche Mitbestimmungsmöglichkeiten angeboten. Zudem waren lange Mietvertragslaufzeiten üblich. Heute dagegen haben die Mieter bedeutend an Einfluss auf alle wesentlichen Faktoren einer Projektentwicklung gewonnen, was insbesondere durch die Tendenz zu flexibleren oder deutlich kürzeren Mietvertragslaufzeiten forciert wird. Denn unter diesen Bedingungen muss sich der Eigentümer früher und häufiger mit der Wiedervermietung, mit der Konkurrenzfähigkeit seiner Immobilie und damit letztlich auch mit ihrer Nachhaltigkeit auseinandersetzen, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

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