Schwerpunkt: Grüne Immobilien

Nachhaltigkeitsstrategien bei Immobilienaktiengesellschaften

Der Begriff der Nachhaltigkeit findet heutzutage hauptsächlich in zweierlei Hinsicht Verwendung, wenn er im Kontext mit Immobilien genannt wird. Die erste Bedeutung steht im Zusammenhang mit dem Beleihungswert einer Liegenschaft, dem sogenannten "nachhaltigen Wert", als der Anteil am Immobilienwert, der vereinfacht gesagt über einen längeren Betrachtungszeitraum unter Ausschaltung aller volatilen Elemente und unter Berücksichtigung von konservativen Ansätzen bei den Bewirtschaftungskosten und Kapitalisierungszinsen einen auch in schwierigem Marktumfeld sicheren Wertansatz darstellt. Das Konzept dient seit gut hundert Jahren als Basis zur Bestimmung von nominellen Beleihungsgrenzen für den nachhaltigen Anteil der zur Besicherung von Immobilienpfandbriefen im sogenannten Deckungsstock zugelassenen Hypotheken.

Heute wird er zunehmend unter anderem auch aufgrund der notwendigen Wertkorrekturen der namhaften Kreditinstitute im aktuellen Marktumfeld für das Risikomanagement als Benchmark gesehen, und das auch von Instituten, die selbst keine Pfandbriefe emittieren. Über dieses Thema kann man sehr viel mehr schreiben, es ist aber in diesem Artikel*) nicht im Vordergrund zu sehen, wenn auch die beiden Begrifflichkeiten künftig in einen immer größer werdenden Kontext miteinander kommen werden.

Dem vorliegenden Artikel liegt die zweite Bedeutung des Begriffes zugrunde, bei dem es um die Nachhaltigkeit bei der Bewertung des Umgangs mit Energien geht, und zwar solchen, die zum Betreiben von Liegenschaften notwendig sind, wie auch solchen, die zum Herstellen von Baustoffen für die Errichtung und den Ausbau von Gebäuden, aber auch für deren Beseitigung am Ende der Nutzungszeit erforderlich sind. Dieses Thema wird heute auch insbesondere durch das gestiegene öffentliche Bewusstsein für den Klimawandel weitläufig diskutiert, wodurch der hier gemeinte Nachhaltigkeitsaspekt auch in die Immobilienwirtschaft Einzug gehalten hat.

Bedeutungsgewinn der ökologischen Nachhaltigkeit

Während der Ausdruck vielfältige, unterschiedliche Nuancen erfährt, ist im Immobiliensektor besonders die ökologische Nachhaltigkeit in das Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. So zeigt beispielsweise eine Studie vom Beratungshaus Jones Lang Lasalle, dass die ökologischen Kriterien bei der Anmietungsentscheidung insbesondere in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen haben. Einschränkend muss zwar hinzugefügt werden, dass sich das gestiegene Bewusstsein nicht unmittelbar in einer höheren Zahlungsbereitschaft der Mieter widerspiegelt, die eingeforderte Bedingung von Kostenreduzierungen im Energieverbrauch aber mit vielen nachhaltig orientierten Programmen einhergeht.

Neben diesem gestiegenen Interesse der Nachfrager nach ökologischen Immobilien, haben auch Immobilieninvestoren die Nachhaltigkeit für sich entdeckt. Dabei profitieren sie zum einen davon, dass "grüne Immobilien" besser bewertet werden als vergleichbare, nicht ökologisch optimierte Projekte (Studie der Maastricht University). Und zum anderen erzielen sie durch die nachhaltige Ausrichtung einen positiveren Wahrnehmungseffekt in der Öffentlichkeit und reduzieren zugleich das Gesundheits- und Sicherheitsrisiko von allen Beteiligten.

Strengere Regeln

Zusätzlich wird durch die bewusste Ausrichtung auf nachhaltige Immobilieninvestments das künftige Prozessrisiko bei einer potenziellen Verschärfung der Gesetzgebung reduziert. Denn neben dem Marktteilnehmer hat mittlerweile auch die Legislative die Notwendigkeit von ökologischer Immobilienentwicklung erkannt und strebt eine strengere Regulierung zugunsten von nachhaltigen Projekten an (entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Richtlinie der Europäischen Union über "die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden"). In der Gesamtschau sollten all diese Faktoren dazu führen, dass Immobiliengesellschaften mittel- bis langfristig eine Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in der Unternehmensstrategie anstreben, um zukünftigen Marktveränderungen bestmöglich gerecht zu werden.

Die Vielzahl von Aspekten, die ökologische Nachhaltigkeit von Immobilienprojekten umfasst, ist dabei nicht weniger umfassend als der Nachhaltigkeitsbegriff selbst. Auch wenn die ökologische Komponente meist auf eine Ressourcen schonende, langfristige und umweltfreundliche Entwicklung der Immobilie abzielt, besitzt die "grüne Immobilie" unzählige Facetten. Da der Energieverbrauch von Gebäuden fast 30 Prozent der Betriebskosten ausmacht und die stark schwankenden Energiepreise zusätzliche Belastungen mit sich bringen, stellt dieser Punkt einen wichtigen Aspekt im Rahmen der grünen Immobilie dar. Denn mittels Investitionen in nachhaltige Bautechnik lässt sich der Energieverbrauch in vielen Fällen deutlich senken und gleichzeitig auch die CO2-Emission begrenzen. Letztlich profitieren davon sowohl Mieter, Investoren als auch die Umwelt.

In diesem Zusammenhang spielt auch die Verwendung von umweltschonenden Baumaterialien eine bedeutende Rolle. Da Gebäude bis zu 40 Prozent der weltweiten Rohstoffe und der verfügbaren Energie verbrauchen, kann durch eine bewusste Auswahl nachhaltiger Rohstoffe, die sowohl die Umweltbelastung bei der Konstruktion als auch bei einem potenziellen Abriss minimieren, die Umweltbilanz von Immobilien optimiert werden. Einen weiteren direkten Einfluss auf die Nachhaltigkeit der Immobilie übt zudem ihr Standort aus. So kann durch Gebäude, die einen direkten Anschluss an das öffentliche Verkehrssystem haben und deren Standort sensible Naturareale unbeeinträchtigt lässt, die Belastung für die Umwelt erheblich reduziert werden. Zudem kann durch die Optimierung der Wasserverteilung und beispielsweise die Wiederverwertung von Regenwasser eine Reduzierung des Verbrauchs dieser knappen Ressource in modernen Gebäuden erzielt werden.

All diese Facetten der Nachhaltigkeit bieten ein großes Potenzial und bilden somit zentrale Elemente innerhalb der "grünen Immobilienentwicklung". Die gesamte Komplexität des Nachhaltigkeitsbegriffs versuchen internationale Zertifizierungssysteme greifbar zu machen, um Investoren und Mietern einen Anhaltspunkt über die Nachhaltigkeit des Gebäudes zu geben. So konkurrieren derzeit etwa 15 verschiedene Systeme um die Etablierung eines international anerkannten Gütesiegels für nachhaltige Immobilien. Auch die in jüngster Vergangenheit beispielsweise in Deutschland wahrzunehmende Einführung eines öf-fentlich-rechtlichen Zertifikats, des sogenannten "Energieausweises für Wohngebäude" gemäß der "Energieeinsparverordnung 2007 (EnEV"), ist im privaten Nutzungsbereich als einer der ersten Schritte in diese Richtung zu werten.

Wenig nachhaltig - deutsche Immobiliengesellschaften

Nachdem bisher die treibenden Kräfte hinter dem Aufstreben der ökologischen Nachhaltigkeit im Immobiliensektor und die wichtigsten Facetten dieses Begriffs im Rahmen von Projektentwicklungen aufgezeigt wurden, wäre ein erfolgsabhängiger Vergleich zwischen Immobiliengesellschaften, die sich der Nachhaltigkeit besonders verschreiben und denjenigen, die sich relativ betrachtet weniger um nachhaltige Projekte engagieren, interessant. Genau dieses Thema analysiert das "Europe Equity Research Team" von J. P. Morgan in einer aktuellen Studie.

Dazu hat das Team 32 Immobilienaktiengesellschaften in ganz Europa auf ihr Engagement bezüglich Nachhaltigkeit analysiert. Zuerst wurde dafür ein Nachhaltigkeitsscore, basierend auf drei zentralen Parametern, für jede Aktiengesellschaft erstellt. Dieser Score bildet basierend auf öffentlichen Bekanntmachungen ab, inwieweit sich die Gesellschaft zu einer nachhaltigen Unternehmenspolitik bekennt, in welchem Ausmaß Initiativen eingeleitet wurden, die auf eine Verbesserung der Nachhaltigkeit des Portfolios abzielen, und ob ein verbindlicher Zeitraum für die Reduktion von CO2-Emissionen festgesetzt wurde. Aus diesen drei Kriterien wurde schließlich für jedes Unternehmen ein Nachhaltigkeitsscore zwischen 0 und 5 berechnet, wobei grundsätzlich ein höherer Wert ein größeres Engagement in Nachhaltigkeit widerspiegelt.

Demnach sind die Unternehmen British Land (5), Land Securities (5), Derwent London (4,5), Hammerson (4,5), Liberty (4,5) und Great Portland (4,5) klare Anführer des Nachhaltigkeitsrankings, während Alstria, Beni Stabili, Gagfah, IGD, IVG und PSP Swiss auf den hinteren Plätzen landen. Damit eine Aussage über die Performance der Immobilienfirmen mit unterschiedlichem Nachhaltigkeitsengagement getroffen werden kann, wurden die Kursverläufe der zwei nachhaltigsten Firmen mit denen der zwei am wenigsten engagierten Gesellschaften sowohl in Großbritannien als auch in Kontinentaleuropa verglichen.

Das Ergebnis der Analyse hat gezeigt, dass britische Immobilienunternehmen mit relativ größerem Engagement in Nachhaltigkeit die weniger engagierten Konkurrenten "outperformen", und auch die engagierten kontinentaleuropäischen Immobiliengesellschaften die Mitstreiter hinter sich lassen. Somit scheint sich das frühzeitige Bestreben von Immobilienunternehmen, das geänderte Bewusstsein von Gesetzgeber und Öffentlichkeit bezüglich ökologischer Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie zu berücksichtigen, direkt in einem relativ besseren Kursverlauf umzusetzen.

Abschließend wurde zusätzlich analysiert inwieweit die betrachteten Immobilienunternehmen auf künftige gesetzliche Veränderungen vorbereitet sind. Dafür wurde ein weiterer Score ermittelt, der basierend auf aktuellen und zukünftigen energierelevanten Regulierungen jedem Land einen Wert zwischen 0 und 5 zuordnet. Dabei sind relativ striktere Länder mit einem höheren Score ausgestattet. Wird diese Systematisierung der Länder mit dem Unternehmensengagement in Nachhaltigkeit verbunden, lässt sich erkennen, welche Firmen gegen potenzielle Gesetzesverschärfungen vorbereitet sind und welche eine Erweiterung ihrer ökologischen Strategie benötigen. Besonders anfällig erscheinen dabei Alstria, Gagfah, Beni Stabili, IVG, Patrizia, Vast-Ned Officers und Conwert, die einen geringen Nachhaltigkeitsscore haben, aber einer relativ strikten Regulierung ausgesetzt sind.

*) Der Beitrag entstand unter Mitwirkung von Florian Löwer, Praktikant bei der JP Morgan Chase Bank, N. A., Frankfurt Branch.

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