Messeausgabe 2007

Non-Recourse-Finanzierungen: Wie "kreditwürdig" ist die Immobilie?

Der Markt für gewerbliche Immobilienfinanzierungen hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Einer der dabei zu beobachtenden wesentlichen Entwicklungstrends ist die zunehmende Nutzung von Non-Re-course-Strukturen zur Finanzierung größerer Immobilieninvestitionen. Sind sie in Ländern wie den USA oder Großbritannien schon seit Jahren weit verbreitet, so werden sie inzwischen auch in Deutschland häufiger eingesetzt. Vor allem bei gewerblichen Immobilienfinanzierungen mit Volumina von etwa zehn Millionen Euro oder mehr spielen sie eine größere Rolle, während klassische Hypothekendarlehen deutlich seltener genutzt werden.

Im internationalen Geschäft sind Non-Recourse-Strukturen bei großvolumigen Immobilienfinanzierungen schon seit langer Zeit der Standard. Im Auslandsgeschäft der HSH Nordbank erreichen sie mittlerweile einen Anteil von mehr als 90 Prozent. Und wenngleich ihr Anteil im Inlandsgeschäft noch merklich geringer ist, so lässt sich doch auch hier eine eindeutig steigende Tendenz feststellen.

Finanzierung orientiert sich an der "Bonität" des Objekts

Zur Beschleunigung dieser Entwicklung trägt nicht zuletzt auch die starke Zunahme der Aktivitäten gewerblicher Investoren aus dem In- und Ausland auf dem deutschen Immobilienmarkt bei, die sich in Rekordwerten bei den Transaktionsvolumina niederschlägt. Entsprechend stark wachsen auch der Finanzierungsbedarf und das Interesse an neuen Finanzierungsstrukturen.

Ins Deutsche übersetzt, bedeutet Non-Recourse zunächst einmal nichts anderes als "kein Rückgriff". Damit spielt die Bezeichnung dieser Finanzierungsstrukturen auf das wesentliche Grundprinzip an, das ihnen zugrunde liegt. Es besteht darin, dass im Vergleich zu herkömmlichen Hypothekendarlehen weniger die individuelle Kreditwürdigkeit des Immobilieninvestors beziehungsweise der Firma des Investors im Mittelpunkt der Kreditprüfung und -entscheidung steht.

Vielmehr konzentriert sich diese bei Non-Recourse-Finanzierungen maßgeblich auf den wirtschaftlichen Wert und auf die Ertragskraft der finanzierten Immobilie, die in der Rechtsform einer Objektgesellschaft gehalten wird. Dabei rückt das Verwertungsrisiko der Bank stärker in den Fokus.

Tritt bei einer solchen Finanzierung eine Leistungsstörung ein, dann haftet der Immobilieninvestor für die gegenüber dem Finanzierer bestehenden Verbindlichkeiten nicht mit seinem Vermögen. Stattdessen dienen ausschließlich das finanzierte Objekt selbst und die daraus erzielten Erträge als Sicherheit. Sollte dies nicht ausreichen, um den Kredit zu tilgen, hat die Bank gegenüber dem Investor gleichwohl keine weitergehenden Ansprüche. Statt an der Bonität des Unternehmens orientiert sich die finanzierende Bank also an der "Bonität" einer Immobilie, die mithilfe des Kredits finanziert werden soll.

Was auf den ersten Blick so aussehen könnte, als sei die Non-Recourse-Finanzierung für die Bank riskanter, erweist sich in der Praxis jedoch als ein gangbarer Weg. Das gilt vor allem dann, wenn eine größere Anzahl von Projekten desselben Investors gleichzeitig finanziert werden soll. Denn gerät der Investor in wirtschaftliche Schwierigkeiten und wird einer seiner Kredite notleidend, dann ist in der Praxis meist auch bei seinen übrigen Krediten über kurz oder lang mit Leistungsstörungen - schlimmstenfalls mit dem gefürchteten "Domino-Effekt" - zu rechnen.

Als ein besonders dramatisches Beispiel für ein solches Szenario gilt unter Experten bis heute die Schneider-Pleite in den neunziger Jahren. In einer solchen Situation ist der Rückgriff auf das Vermögen des Investors für die Bank meist nur noch eine theoretische Option.

Sicherheit und Risiko: Wie weit reicht der Cash-Flow?

Allerdings ist bei Non-Recourse-Finanzierungen das Risikomanagement der Bank nicht weniger gefordert als beim klassischen Hypothekendarlehen. So verlangen die Banken weiterhin dingliche Sicherheiten (Grundschulden) für das zu finanzierende Objekt wie beim klassischen Hypothekendarlehen. Der Verzicht der Bank auf den Rückgriff bedeutet für den Investor zudem, dass in der Regel ein höherer Eigenkapitaleinsatz gefordert wird, um eine angemessene Risikostruktur zu realisieren.

Steht von vornherein fest, dass alle Ansprüche ausschließlich aus der als Sicherheit dienenden Immobilie befriedigt werden können, muss die Bank grundsätzlich anders kalkulieren. Der Finanzierer prüft dann im Vorfeld der Kreditentscheidung sehr detailliert, inwieweit die mit dem Investitionsobjekt erzielbaren Cash-Flows ausreichen, um daraus über die vorgesehene Laufzeit hinweg Zins und Tilgung für das Darlehen erwirtschaften zu können. Die geforderte Eigenkapitalhöhe ergibt sich aus der Finanzierungsstruktur beziehungsweise dem -volumen.

In Abhängigkeit der Kapitaldienstfähigkeit des Objektes ergibt sich eine maximale Finanzierungshöhe (zum Beispiel Loan-to-Value 80 Prozent), der Rest (bis 100 Prozent) muss mit Eigenkapital aufgefüllt werden. Normalerweise liegt der Eigenkapitaleinsatz im Bereich zwischen 20 bis 35 Prozent. Bei entsprechender Objektliquidität sind auch geringere Eigenkapitalquoten denkbar. Über das einzubringende objektbezogene Eigenkapital hinaus gibt es allerdings dann keinen weiteren Rückgriff auf den Investor. Diese Struktur hat für die Bank den Vorteil der Abschirmung der externen Konkursrisiken des Investors (sogenannte Bancruptcy-Remote-Struktur).

Klare Konditionen, klare Sanktionen

Um der Bank eine frühzeitige Reaktion zu ermöglichen, falls der objektbezogene Cash-Flow nicht mehr alle objektspezifischen und finanzierungsrelevanten Kosten decken sollte, werden sogenannte Covenants vertraglich festgeschrieben. Dabei handelt es sich um bestimmte Regeln zum Schutz des Kreditgebers, die der Kreditnehmer einzuhalten hat und deren Verletzung vorab klar definierte Sanktionen nach sich zieht. Typische Beispiele für Covenants sind die Festlegung einer Interest Cover Ratio oder einer Debt Service Cover Ratio. Diese Kennzahlen geben an, in welchem Verhältnis die nach Abzug bestimmter Kosten verbleibenden Objekteinkünfte mindestens zur Zins- und Tilgungsbelastung stehen müssen. Zudem wird neben Zustimmungsvorbehalten ein regelmäßiges Reporting, vor allem in Form von Quartalsberichten und Compliance-Nachweisen, gefordert. Dies erleichtert dem Kreditgeber eine wirksame Kontrolle darüber, wie sich die finanzierte Investition wirtschaftlich entwickelt.

Grundsätzlich sind sämtliche Immobili-en-Investitionen für Non-Recourse-Strukturen geeignet. Die Finanzierungsstruktur passt sich dann den unterschiedlichen Risikoprofilen hinsichtlich Leverage, Besicherung und Covenants entsprechend an. In der Praxis kommen Non-Recourse-Strukturen in erster Linie dann zum Zuge, wenn es um die Finanzierung von Bestandsimmobilien sowie von Immobilienportfolios mit gut prognostizierbaren, stabilen Cash-Flows geht. Dagegen sind sie weniger gefragt, wenn Restrukturierungsobjekte, Spezialimmobilien ohne Drittverwendungsfähigkeit oder Projektentwicklungen mit hohen Fertigstellungs- oder Vermietungsrisiken finanziert werden sollen. Hier sind in der Regel erhöhte Beiträge der Investoren in Form von Equity, Zusatz-Sicherheiten oder ein limitierter Rückgriff zum Abfedern des erhöhten Management-Risikos erforderlich.

Für die Banken bieten Non-Recourse-Finanzierungen einen wichtigen Vorteil, der insbesondere im Zusammenhang mit Basel II stark an Bedeutung gewinnt. Aufgrund ihres vergleichsweise hohen Standardisierungsgrades und ihrer hohen Transparenz eignen sich Non-Re-course-Finanzierungen besonders gut zur Verbriefung. Damit können Banken das in diesem Segment ausgereichte Finanzierungsvolumen leichter am Kapitalmarkt refinanzieren und die Belastung ihrer Eigenkapitalquote vermindern. Dies eröffnet flexible, teilweise größere Handlungsspielräume für das Kreditgeschäft Immobilien finanzierender Banken.

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