Im Blickfeld

Öko-Zertifikate - ein Debakel für Bestandshalter

Energie, Telekommunikation, Finanzen auf den ersten Blick haben die Konzerne Eon, Vodafone und Deutsche Bank nichts gemein. Und doch eint sie ein Aspekt. Sie fragen ähnliche Immobilien nach, um sie für ihre Verwaltung und Filialen zu nutzen und wollen Objekte, die ein Nachhaltigkeitssiegel vorweisen können. Egal, ob DGNB, LEED oder ein anderes Zertifikat - das Gebäude muss als nachhaltig ausgezeichnet sein, damit sie es als Käufer oder Mieter in Erwägung ziehen.

Inzwischen hat sich die Zertifizierung insbesondere bei Großunternehmen als Standard etabliert. Die neuesten Zahlen verdeutlichen, wie schnell sich der Wunsch nach einem "Green Building" in den vergangenen Jahren durchgesetzt hat. So wird beispielsweise ein hoher Energiestandard - als Teilaspekt eines nachhaltigen Gebäudes - von Interessenten zunehmend vorausgesetzt. Das zeigt der Marktmonitor Immobilien 2011 des Portals Immowelt und des Professors Stephan Kippes von der Hochschule Nürtingen-Geislingen. So gingen 48 Prozent der in der Studie befragten Makler 2011 davon aus, dass sich bereits der Anschein eines hohen energetischen Sanierungsbedarfs negativ auf den Preis auswirkt. Im vorangegangenen Jahr befürchteten dies lediglich 29 Prozent. Auf der anderen Seite waren nur noch 44 Prozent der Ansicht, dass sich ein guter energetischer Objektzustand positiv auf den Preis auswirkt. Vor einem Jahr waren es 60 Prozent.

Für Bestandshalter wie Offene Immobilienfonds hingegen ist die Forderung der Unternehmen nach Nachhaltigkeitssiegeln ein Debakel und verlangt völlig neue Abwägungsprozesse. Denn die wenigsten der von ihnen gehaltenen Gebäude besitzen ein solches Siegel. Dass vielen Immobilien eine Zertifizierung fehlt, liegt schlicht und ergreifend an ihrem Alter. Das muss nicht einmal besonders hoch sein: Ein Immobilienfonds, dessen Objekte im Durchschnitt sieben Jahre alt sind, hat im Vergleich zur Konkurrenz und in Relation zur gesamten Lebensdauer von Immobilien ein junges Portfolio. Unter Zertifizierungsgesichtspunkten sind die Gebäude jedoch alt. Denn das in Deutschland vorherrschende DGNB-Zertifikat kam erst 2008 auf den Markt.

Es besteht zwar die Möglichkeit, die bereits im Bestand befindlichen Gebäude nachträglich zertifizieren zu lassen. Doch die energetische Sanierung ist mit einem hohen finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden - und das nicht nur in Einzelfällen, sondern über alle Gebäude- und Nutzungsarten hinweg, wie Studien beispielsweise von IVG Research zeigen. Zu allem Überfluss ist zudem der Ausgang des Zertifizierungsverfahrens offen: Niemand kann garantieren, dass der Zertifizierungsprozess ein positives Ergebnis hervorbringt.

Bestandshalter müssen sich demnach entweder darauf einstellen, in Zukunft viel Geld für einen nachhaltigen Umbau ihrer Objekte auszugeben. Oder sie müssen sich schleunigst neue Gebäude zulegen - was angesichts des großen verwalteten Vermögens und der noch überschaubaren Zahl zertifizierter Gebäude schwierig sein wird.

So oder so steht die Immobilienbranche vor großen Herausforderungen. Die Immobilienökonomie und die Sachwalter der Zertifizierungssysteme werden in den kommenden Jahren Methoden zur Verfügung stellen müssen, die gewährleisten, dass Bestandshalter langfristig verlässlich planen und kalkulieren können.

Andreas-Norbert Fay, Vorsitzender des Beirats, Fay Projects GmbH, Frankfurt am Main

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