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Paradigmenwechsel am deutschen Immobilienmarkt?

Die Auswirkungen der Finanzkrise und ein geändertes regulatorisches Umfeld (Basel III) nehmen maßgeblichen Einfluss auf die Rahmenbedingungen in der gewerblichen Immobilienfinanzierung. So hat sich bereits das Verhältnis des Darlehens zum Marktwert der beliehenen Immobilien verringert: Akzeptierten die meisten Banken vor der Krise noch Beleihungsausläufe von 85 bis sogar 95 Prozent, so ist heute eine Fremdkapitalquote von 70 bis 80 Prozent des Marktwertes der Immobilie üblich. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit im hinteren Mittelfeld. Die zweite wichtige Veränderung betrifft die Zinsbindungszeiträume, die sich verkürzt und damit internationalen Standards weiter angenähert haben. In der gewerblichen Immobilienfinanzierung betragen sie inzwischen in den meisten Fällen fünf bis sieben Jahre, wohingegen Finanzierungen über sieben Jahre eher selten und zehn Jahre Ausnahmen darstellen.

Wir sind in Deutschland derzeit an dem Punkt angekommen, an dem das Immobilienfinanzierungsvolumen nach den Krisenjahren wieder wächst. Verschiedenen Schätzungen zufolge wird das Bestandsvolumen an gewerblichen Immobilienfinanzierungen 2011 rund 320 Milliarden Euro erreichen und damit fünf Prozent über dem Vorjahr liegen.

Kürzere Kreditlaufzeiten

Da Kreditlaufzeit, Zinsbindung und Eigenkapitalerfordernisse der Banken die Volatilität des Immobilienmarktes wesentlich beeinflussen, könnte eine Änderung dieser Parameter weitreichende Folgen für den deutschen Immobilienmarkt haben - sind es doch die traditionell langfristigen Kreditverträge mit fester Zinsbindung, die einen großen Teil zur Stabilität des Marktes beitragen. Es existiert zwar bislang keine systematische Analyse des Zusammenhangs zwischen Zinsänderungen und Gewerbeimmobilienpreisen und -mieten. Tendenziell gilt jedoch der Grundsatz, dass längere Zinsbindungen eine dämpfende Wirkung auf die Volatilität des Marktes haben, da sie langfristig orientierten Immobilieninvestoren ein größeres Maß an Planungssicherheit bieten. Auf der anderen Seite sinkt jedoch die Flexibilität der Investoren. Darüber hinaus sind langfristige Immobilienkredite naturgemäß kostenintensiver.

Eine Zunahme der Kredite mit kürzeren Laufzeiten und eine stark verbreitete Einführung variabler Zinssätze würden dagegen die Schwankungen verstärken. Aus heutiger Sicht ist jedoch nicht davon auszugehen, dass ein vergleichsweise stabiler Markt wie der deutsche grundsätzlich ins Wanken gerät und Verhältnisse wie in den USA, Großbritannien oder Spanien drohen - dort dominieren kurze Laufzeiten und variable Zinsen.

Die Finanzierungsbedingungen und der Markt für Immobilienfinanzierungen in Deutschland werden sich zukünftig nicht nur durch den Einfluss internationaler Standards, sondern vor allem durch die Eigenkapital-, Liquiditäts- und Finanzierungsstandards von Basel III nachhaltig verändern. So soll die Kernkapitalquote zwischen 2013 und 2015 von vier auf sechs Prozent steigen. Zusätzlich ist bis 1. Januar 2019 ein Kapitalerhaltungspuffer von 2,5 Prozent aufzubauen. Hinzu kommt ab 2019 ein länderspezifischer, antizyklischer Kapitalpuffer von null bis 2,5 Prozent. Die Gesamtkapitalquote erhöht sich somit bis zum Jahr 2019 auf 10,5 bis 13 Prozent. Darüber hinaus fordert Basel III neben höheren Liquiditätsstandards auch modifizierte Refinanzierungsstandards. Letztere werden über die Net Stable Funding Ratio (NSFR) gemessen.

Die NSFR soll die Fristeninkongruenz zwischen den Aktiv- und den entsprechenden Passivpositionen der Bankbilanz zugunsten einer tendenziell langfristig orientierten Refinanzierung reduzieren. Das heißt, die Vergabe von langfristigen Krediten sollte auch entsprechend langfristig gegenfinanziert werden. Pfandbriefbanken haben hierbei den Vorteil, dass die Laufzeiten dieser gedeckten Schuldverschreibungen im mittleren bis langfristigen Bereich liegen und sie damit über ein vergleichsweise günstiges Refinanzierungsinstrument verfügen.

Begrenzung von Risiko und Volatilität durch Derivate

Die Nachfrage nach kurzfristigen oder variablen Zinsen wird in Deutschland vor allem durch den Einfluss der internationalen Investoren gefördert: Zum einen sind die vergleichsweise günstigeren Konditionen im kurzfristigen Bereich für Investoren ein Ansporn, zum anderen können die Investoren deutlich flexibler agieren. So gehen sie darüber hinaus auch von einer variablen Finanzierung mit einer entsprechenden Zinssicherung (Hedge) aus, wobei sie Letztere bei Ablösung der Finanzierung gegebenenfalls wieder auflösen können. Im Vergleich mit einer konventionellen Zinsfestschreibung ergibt sich ein Kostenvorteil, bei entsprechendem Zinsniveau sogar ein Veräußerungsgewinn.

Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass Zinsverschiebungen ein Investment nicht nur negativ, sondern durchaus auch positiv beeinflussen können. Voraussetzung ist, dass der Investor sich gegen negative Folgen der Volatilität absichert und den Zinssatz etwa durch Derivate sichert. Dabei werden in der Regel das Zinsmanagement und die Liquiditätsbeschaffung voneinander getrennt, sodass Darlehens- und Deriva-te-Vertrag grundsätzlich jeweils einzeln geändert, übertragen oder gekündigt werden können. So kann die Finanzierung zum Beispiel durch ein variables Darlehen auf Basis des 3- oder 6-Mo-nats-Euribor erfolgen, während das Zinsänderungsrisiko durch ein Derivat gesteuert wird.

Der Derivate-Vertrag bietet zudem den Vorteil, dass er individuell auf die Bedürfnisse des Investors, dessen Risikoneigung und die Markterwartung zugeschnitten ist. Hier gilt es, gemeinsam mit der Bank das geeignete Konzept zu entwickeln und die jeweils passenden Instrumente auszuwählen. Dazu zählen beispielsweise Swaps, die aus einem variablen einen festen Zinssatz machen, sowie Caps oder Collars, mit denen sich das Risiko von Zinserhöhungen ausschließen lässt, ohne die Chance auf sinkende Zinsen zu verlieren. Während beim Cap ein Zinshöchstsatz definiert wird und der Investor von Schwankungen nach unten weiterhin in vollem Maße profitiert, sind beim Collar die Chancen auf fallende Zinsen begrenzt.

Zentrale Bedeutung wird mit Blick auf Basel III auch weiterhin den Financial Covenants zukommen, deren Einhaltung eine große Rolle spielt. Auch in diesem Bereich haben sich die deutschen Finanzierungsstrukturen an das angelsächsische System angeglichen. So zählen neben Lage-, Gebäudequalität, Drittverwendungsfähigkeit des Objektes, Markt und Nachfrage insbesondere Kennziffern wie die Interest Cover Ratio (Kennzahl zur Zinsdeckung) und die Debt Service Cover Ratio (Kennzahl zum gesamten Kapitaldienst. Die Höhe dieser Kennzahlen wird zwischen Bank und Kreditnehmer entsprechend vereinbart und während der Laufzeit des Kredites regelmäßig überprüft.

Sollten die vorgenannten Ratios während der Laufzeit der gewerblichen Immobilienfinanzierung eine Verschlechterung anzeigen, kann dies eine Ratingverschlechterung des Objekts und damit eine höhere Eigenkapitalbindung der Banken zur Folge haben. Dies wird im Zuge von Basel III zu Vereinbarungen über Nachschussverpflichtungen beziehungsweise Zusatzsicherheiten des Investors führen oder die Verkürzung der Kreditlaufzeiten forcieren.

Alternative Finanzierung

Aufgrund der höheren Anforderungen aus Basel III an die Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung der Banken, wodurch mit einer Verknappung oder Verteuerung der Kreditvergabe zu rechnen ist, ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach alternativen Finanzierungsinstrumenten wachsen wird. So werden Mezza-nine-Kapital und Private-Equity-Beteiligungen an Bedeutung gewinnen. Mezza-nine-Finanzierer übernehmen in diesem Zusammenhang die Junior-Tranchen, die aus Risiko- oder Kostengründen von den Banken nicht darstellbar sind.

Darüber hinaus ist zu erwarten, dass - vor dem Hintergrund von Basel III größere Kreditvolumina künftig stärker im Rahmen von Syndizierungen oder Konsortialfinanzierungen bereitgestellt werden. Anders als vor der Krise sind die meisten Banken nicht mehr bereit, Volumina von 200 Millionen Euro oder mehr im eigenen Buch zu halten, sondern platzieren Teile davon aus. Zwar finanzieren nach Beobachtung des Immobilienberatungsunternehmens CB Richard Ellis (CBRE) deutsche Pfandbriefbanken auch wieder häufiger großvolumige Immobilienkäufe im dreistelligen Millio-nen-Euro-Bereich. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass diese Darlehen überwiegend deckungsstockfähig sind. Die steigende Bedeutung alternativer Finanzierungsmöglichkeiten, insbesondere für den nachrangigen Teil der Finanzierung, lässt die Schlussfolgerung zu, dass sich die Nachfrage- und auch die Angebotsseite zukünftig deutlich verändern beziehungsweise erweitern wird. Die regulatorischen Veränderungen führen dazu, dass Banken ihre Geschäftsmodelle noch einmal prüfen und gegebenenfalls adjustieren. Jedoch verfügen vor allem Pfandbriefbanken über ein langfristiges Refinanzierungsinstrument, das auch weiterhin adäquate Zinsbindungsfristen und eine kostengünstige Refinanzierung ermöglicht. So ist davon auszugehen, dass Deutschland grundsätzlich ein Festzinsland bleiben wird - auch wenn sich die Kreditlaufzeiten verkürzt haben. Dies wird sich auch weiterhin stabilisierend auf den Immobilienmarkt auswirken.

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