Leitartikel

Pfandbriefe - wieder ausgebremst

Es hätte der Auftakt zu einer Normalisierung des Kapitalmarktes und zu einem Triumph des Pfandbriefs werden können. Als der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) Mitte Februar zur Jahrespressekonferenz einlud, hatten es LBBW und Postbank wenige Tage zuvor unabhängig voneinander geschafft, einen öffentlichen und einen Hypotheken-Pfandbrief im Jumbo-Format zu platzieren. Zudem belebte sich auch der Absatz von kleinteiligen Pfandbriefen wieder, denn die Investoren - allen voran Versicherungen, Versorgungswerke und Pensionskassen fassen langsam wieder Mut. Am Vertrauen in den Pfandbrief mangelte es ohnehin nie. So wuchs das Platzierungsvolumen sogar im Krisenjahr 2008 um stolze 13 Prozent auf 153 Milliarden Euro und von weniger als sieben Milliarden Euro im Dezember 2008 auf mehr als acht Milliarden Euro im Monat Januar 2009. Die positive Entwicklung setzte sich auch in der ersten Februarwoche mit einem Absatzvolumen von 3,6 Milliarden Euro fort.

Man sollte meinen, diese Zahlen böten - angesichts der gesamtwirtschaftlich trüben Lage - genug Anlass, um Zuversicht auszustrahlen. Doch statt eines kämpferisch-umtriebigen Präsidenten - den die Covered-Bond-Community als "Pfandbrief-Löwen" kennt, schätzt und zuweilen wohl auch fürchtet - wirkte Henning Rasche ungewohnt ernüchtert, fast, so möchte man meinen, resigniert. Er weiß, die bisher vermeldeten Erfolge reichen längst noch nicht aus. Denn die vorgelegten Emissionszahlen geben nur den Bruttoabsatz wieder. So erfreulich diese Belebung ist, sie genügt noch nicht, um die Fälligkeiten - soweit notwendig - zu ersetzen. Folglich werden sich die Institute weiterhin zur Europäischen Zentralbank bemühen müssen. Dabei bietet gerade für die auf Sicherheit setzenden Investoren derzeit kein anderes Anlagemedium ein so exzellentes Verhältnis von Risiko und Rendite. Auch gegenüber staatsgarantierten Anleihen ist der Pfandbrief trotz höherer Spreads für die Emittenten noch immer das kostengünstigere Refinanzierungsinstrument.

Aber Rasche hat erkannt und - ohne wirklich eine andere Wahl zu haben - auch akzeptiert, dass er trotz konsequenten und hartnäckigen Aufbäumens, Mahnens und Appellierens nicht verhindern kann, dass die staatlichen Garantien auf ungedeckte Bankanleihen mit Laufzeiten bis fünf Jahre ausgedehnt werden. So notwendig der größere Schirm für die Nicht-Pfandbriefinstitute sein mag, für den Pfandbrief bedeutet er eine weitere Markteinengung. In diesem Falle verbleibt nur noch der zehnjährige Laufzeitbereich. Der Verbandspräsident kritisiert daher zu Recht, dass der sich gerade erst berappelnde Pfandbrief jetzt erneut an die Wand gedrückt wird. Dass die Investoren derart langfristige Anlagen im Moment noch scheuen, erschwert die Lage zusätzlich. Der LBBW- und der Postbank-Jumbo, beide mit fünfjähriger Laufzeit, wären unter diesen Umständen wahrscheinlich nicht platzierbar gewesen.

Dabei hätte Deutschland mit diesen beiden und weiteren signalgebenden Emissionen die Chance, als erstes Land ein Kapitalmarktsegment zur Refinanzierung der Banken wieder zu öffnen, ohne dass dafür Staatsgarantien notwendig wären.

Welchen besseren Beweis für die Qualität des Pfandbriefs hätte es gegeben? So aber muss sich der Verband mit einer Studie behelfen, um die Überlegenheit des Pfandbriefs in puncto Sicherheit gegenüber Mortgage Backed Securities (MBS) und anderen Refinanzierungsinstrumenten wenigstens in der Theorie nachzuweisen. Die beauftragten Professoren, Markus Rudolf, Inhaber des Dresdner Bank Stiftungslehrstuhls für Finanzwirtschaft an der WHU Otto Beisheim School of Management, Koblenz, und Antony Saunders von der Stern School of Business der New York University, hatten jedoch das Problem, dass auch ihre Arbeit von den aktuellen Ereignissen überholt wurde.

Zudem war das Ergebnis - rückblickend - vorhersehbar, doch fehlte bislang der wissenschaftliche Beleg. Aber eigentlich haben es die Pfandbriefbanken schon immer gewusst: Die Ausfall- und Kreditrisiken eines Pfandbriefs sind im Vergleich zu Triple-A gerateten Collateralized Debt Obligations (CDO) und MBS eklatant geringer. So rechnen die Wissenschaftler anhand eines Modells vor, dass gegenüber einem Pfandbrief, der (selbstverständlich) eine AAA-Benotung aufweist, der Zinsaufschlag von MBS um das 4,2-fache und bei CDO um das 3,8-fache höher sein müsste, um das Risiko auszugleichen. Da dies von den Investoren und Ratingagenturen jedoch ignoriert oder schlichtweg übersehen wurde, war die Krise unvermeidlich. Die Lehre der Professoren ist: Auch außerbilanzielle Finanzinstrumente sind mit Eigenkapital zu unterlegen und Basel II ist in den Punkten zu überprüfen, die zu einer Unterausstattung der Banken mit Eigenkapital führen und die prozyklische Wirkungen auf das Eigenkapital haben.

Die Resultate sind durchaus bemerkenswert, doch kommen sie einerseits zu spät, um noch gegensteuern zu können, aber andererseits zu zeitig. Denn es muss befürchtet werden, dass der Kapitalmarkt, sobald er - in ein paar Monaten oder ein paar Jahren (?) - wieder funktionstüchtig ist und ausreichend Liquidität bereitstellt, schnell vergisst. Wer denkt schon gern an Krisen zurück. An die Mahnungen der Ursachenforscher von damals wird man sich dann ebenso ungern erinnern wollen. Es ist daher zu hoffen, dass sich die von den beiden Professoren beobachteten Tendenzen der Annäherung des angelsächsischen Verbriefungsmodells an das deutsche Pfandbriefsystem als nachhaltig erweisen.

Dieses Fazit impliziert freilich auch eine Kritik an den deutschen Pfandbriefbanken, deren aktuelle Probleme doch ganz wesentlich darauf zurückzuführen sind, dass sie nicht mehr Spezial-, sondern Universalbanken sein wollten. Fusionierten nicht sogenannte reine Hypothekenbanken, wenn sich die Gelegenheit bot, stets auf die "gemischte"? Dazu passte, dass das Außerdeckungsgeschäft kontinuierlich ausgeweitet wurde. Deshalb wurde auch das Spezialbankprinzip nur zu gern dem Pfandbriefgesetz geopfert, durften die privaten Institute doch jetzt endlich tun, was die lästige öffentlich-rechtliche Konkurrenz schon immer tat: Den ganzen Bauchladen der Kapitalmarktkreationen anbieten. Vieles davon ist heute nicht opportun. Doch auch ein Zurück zum alten Hypothekenbankenwesen wird es nicht geben können, weil dies weder zeitgemäß noch umsetzbar wäre. Aber wie sieht eine zukunftsfähige Pfandbriefbank aus? Der Markt sollte das entscheiden, nicht der "garantierende" Staat. L. H.

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