Im Gespräch

"Die rechtlichen Bedingungen müssen sich den Wettbewerbserfordernissen anpassen"

Wie weit ist W&W im Jahr 2010 dem Ziel der Marktführerschaft im Bauspargeschäft nähergekommen? Die Frage ist eine Herausforderung. Wie gut es tut, Marktführer zu sein, habe ich viele Jahre erleben dürfen. Heute spüre ich ebensoviel Freude darüber, dass Wüstenrot das Bausparneugeschäft in nur vier Jahren verdoppelte und deutlich auf Platz 2 des Treppchens aufgestiegen ist. Der im Jahr 2010 gelungene Zukauf der Allianz Dresdner Bausparkasse hat den Abstand zu den Verfolgern deutlich vergrößert; der Aufstieg selbst ist aber vor allem dem eigenen Außendienst von Wüstenrot zu danken, ergänzt um einen Rekordbeitrag des Ausschließlichkeitsvertriebs der Württembergischen im vergangenen Jahr. Hier liegt heute unser primäres Ziel: Wir wollen aus der gleichwertigen Kombination von Wüstenrot und Württembergische als der Vorsorge-Spezialist gemeinsam werthaltiges, nachhaltiges Wachstum erzeugen. In dieser einmaligen Verbindung konzentrieren wir uns auf den Kundenbedarf für Wohneigentum, Vermögensbildung, Zukunftssicherung und Risikoschutz. Bausparen ist ein besonders wichtiger Teil davon. Was haben Sie sich für 2011 vorgenommen? In diesem Jahr wird es vorrangig darum gehen, das bisher Erreichte zu sichern und auszubauen. Im Vordergrund steht die weitere Umsetzung unseres Zukunftsprogramms "W&W 2012", mit dem die Erfolge der letzten Jahre gestärkt werden sollen. Mit dem Programm verfolgen wir das Ziel, ab 2012 ein nachhaltiges, operatives Ergebnis von 250 Millionen Euro nach Steuern zu erreichen. Dieses ehrgeizige Ziel wurde abgeleitet aus unserem Potenzial und aus den verschärften Kapitalanforderungen. Wird Wüstenrot das Wachstumstempo beibehalten? Das Wachstum ist bei uns kein Selbstzweck. Es muss der dauerhaften Zufriedenheit unserer Kunden und der nachhaltigen Stärkung unserer Leistungsfähigkeit und Substanz dienen. In diesem Sinne wird es für unser Bausparen um eine Festigung des Wachstumskurses gehen. Dazu gehört einerseits, die W&W-Gruppe als "Der Vorsorge-Spezialist" voranzubringen; und andererseits gehört dazu, die neuen Kooperationsvertriebe mit der Expertise von Wüstenrot und mit den leistungsstarken neuen Mitarbeitern weiterzuentwickeln. Mit Hypovereinsbank, Commerzbank, Allianz und Ergo verkaufen Wettbewerber im Bank- und Versicherungsgeschäft jetzt die Bausparprodukte von Wüstenrot. Wie viel Fingerspitzengefühl und Diplomatie braucht die Koordination externer Bausparvertriebe? Verkauft sich Bausparen über diese Absatzkanäle als Spar- oder als Finanzierungsprodukt? Der Umgang mit externen Bausparvertrieben ist mit der Steuerung des eigenen Vertriebs natürlich nicht vergleichbar. Dies liegt nicht zuletzt an den unterschiedlichen Firmenstrukturen und -kulturen. Deswegen unterstützen wir unsere neuen Vertriebspartner durch entsprechende Führungskräfte, die jeweils auf die besonderen Belange dieser Partner eingehen, Absprachen sicherstellen und die Vertriebsunterstützung gewährleisten. Die Kunden der Partner sollen mit Wüstenrot als Kooperationspartner ihres Finanzdienstleisters sehr zufrieden sein. Nach unserer Erfahrung dient das Bausparen stets vor allem dem Ziel der Eigenkapitalbildung für eine Finanzierung bei gleichzeitiger Sicherung garantierter niedriger Darlehenszinsen. Die Kunden unseres Stammvertriebs und jene externer Vertriebe unterscheiden sich hier kaum in ihren Wünschen und Vorstellungen. Wie schreitet die Integration der neu erworbenen Bausparkollektive voran? Die Integration schreitet sehr gut voran: Die Übernahme der Vereinsbank-Victo-ria-Bausparverträge in das System der Wüstenrot Bausparkasse wurde zum Jahresende 2010 erfolgreich durchgeführt. Somit haben wir auch IT-technisch ein gemeinsames Kollektiv. Die Allianz-Dresdner-Bausparverträge werden nach aktueller Planung zum Jahresende 2012 in das Wüstenrot-System überführt. Bis dahin haben wir noch zwei bestandsführende Systeme. Die Unternehmenssteuerung erfolgt jedoch schon heute mit einer integrierten Sicht auf alle Kollektivbestände. Wie ist der Erfolg der gesamten W&W-Gruppe einzuschätzen? Unserer Mannschaft ist es gelungen, das durchschnittliche Geschäftsergebnis des W&W-Konzerns von 2007 bis 2010 im Verhältnis zu den ersten sieben Jahren dieses Zusammenschlusses mehr als zu verzehnfachen. Und das trotz der Finanzkrise. Wir sind darauf stolz und ich bin allen Beteiligten dafür von Herzen dankbar. Unsere Motivation für diese Leistung und deren Ausbau schöpfen wir aus den starken Säulen Bausparen und Kompositversicherung und aus dem Synergiekonzept als "Der Vorsorge-Spezialist". Neben den passenden Produkten und Service-Leistungen spricht für die W&W die gewachsene Grundattraktivität ihrer beiden Marken. Wüstenrot als die älteste deutsche Bausparkasse und die Württembergische als eine der ältesten deutschen Versicherungen stehen für bewährte Erfahrung, Kundenverständnis vor Ort und Sicherheit. Wir legen die Gelder unserer Kunden solide an, wir setzen auf Transparenz, Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit. Das honorieren die Kunden gerade auch aus den Erfahrungen der Finanzkrise. Wie steht es inzwischen um das Cross-Selling in der W&W-Gruppe? Gemessen am Provisionsaufkommen hat die Ausschließlichkeitsorganisation von Wüstenrot im Jahr 2010 im Vergleich zu 2009 ein Plus von 12,5 Prozent beim Cross-Selling, also beim Verkauf der Versicherungs- und Fondsprodukte, erzielt. Die Württembergische hat ihre Cross-Selling-Ziele für 2010 ebenfalls erreicht. Sie lieferte mit fast 900 Millionen Euro den höchsten Beitrag zum Bauspar-Bruttoneugeschäft seit Bestehen der Partnerschaft und ist damit die Versicherung Deutschlands, die das höchste Bauspargeschäft schreibt. Allerdings haben wir unsere Möglichkeiten in diesem Bereich angesichts der großen Potenziale im Kundenbestand noch längst nicht ausgeschöpft. Welche Anpassungen in der IT, in den Prozessen, in den Personalstrukturen braucht es in der Gruppe noch? Mit unserem 2006 gestarteten Programm "W&W 2009" hatten wir begonnen, die gesamte Gruppe auf mehr Wachstum, Effizienz und Rentabilität auszurichten. Diese Restrukturierung war die wesentliche Grundlage aller aktuellen Erfolge. Die logische Fortführung des eingeschlagenen Kurses ist nun unser Zukunftsprogramm "W&W 2012", bei dem es darum geht, das Erreichte zu verstetigen und auszubauen. Wesentliche Strukturen, um den Vorsor-ge-Spezialisten erfolgreich zu machen, haben wir geschaffen. Gleichwohl bleiben natürlich einzelne, teils auch umfangreichere Herausforderungen. So gehen wir jetzt daran, die Beratungssoftware in der Gruppe zu vereinheitlichen. Vor allem in unserem Lebensversicherungs- und Baufinanzierungsgeschäft besteht noch Anpassungsbedarf auf der IT-Ebene. Zwangsläufig nehmen solche Vorhaben eine gewisse Zeit in Anspruch. Welche Auswirkungen hätte die europäische Einlagensicherung für die Rentabilität des Bauspargeschäfts und die Ertragsstärke der W&W-Gruppe? In welchem Umfang die europäische Einlagensicherung die Rentabilität beeinträchtigt, kann zurzeit noch nicht beurteilt werden. Wir kennen heute einen Richtlinienentwurf, der in seiner Grundkonstruktion auf eine nationale Ausgestaltung der konkreten Umsetzungsmaßgaben setzt. Es wird sehr darauf ankommen, seitens der Politik darauf zu achten, dass der geringe Risikogehalt des Geschäftsmodells Bausparen und die in Deutschland gesetzlich vorgeschriebene zusätzliche Absicherung des Bausparkollektivs durch den Fonds zur bauspartechnischen Absicherung ausreichend berücksichtigt werden. Die Kumulation von Bankenabgabe, Basel III und europäischer Einlagensicherung unter Anrechnung des Bauspartechnischen Fonds darf eine angemessene und verkraftbare Gesamtbelastung nicht überschreiten. Welche Entwicklungen erwarten Sie im Bausparmarkt - bei Angebot und Nachfrage? Die Nachfrage wird vorrangig vom Geschehen auf den Wohnungsmärkten beeinflusst werden. Der Wohnungsneubau entwickelt sich positiv, ebenso der Gebrauchtimmobilienmarkt. Vor allem aber wird der Renovierungs- und Modernisierungsmarkt weiter wachsen. Insbesondere die energetischen Anforderungen an Wohngebäude werden höher. Bestandsbezogene Maßnahmen haben heute bereits einen Zwei-Drittel-Anteil an unseren Wohnungsbauleistungen. Das Bausparen ist durch seine Systemvorteile sehr gut dafür geeignet, diese Investitionen zu finanzieren. Hinzu kommt die wachsende Bedeutung der eigenen vier Wände für die private Altersvorsorge. Bausparen hat sich auch in der Finanzmarktkrise bewährt. Kann und sollte das Produkt so bleiben wie es ist? Das Bausparen gibt es in Deutschland seit fast 90 Jahren. Das Produkt ist in seiner Grundkonstruktion zwar gleich geblieben, aber die Bausparkassen haben es verstanden, es flexibel den Kundenbedürfnissen und Markterfordernissen anzupassen. Ich denke da zum Beispiel an die Einführung der Tarifvarianten mit niedrigen Darlehenszinsen oder an Tarifvarianten, die auf bestimmte Zielgruppen wie etwa Modernisierer oder speziell junge Leute ausgerichtet sind. Auch die Einführung der Wohn-Riester-Tarife hat gezeigt, wie innovativ Bausparkassen auf gesellschaftliche Belange eingehen. Bei Wohn-Riester-Produkten sind die Bausparkassen im Vertrieb Marktführer. Die Finanzmarktkrise belegt eindringlich die stabilisierende Kraft des Bausparens. So hat es auch dank des Bausparens in Deutschland keine Krise der Wohnungsbaufinanzierung gegeben. Braucht das Bausparen den Spezialbankstatus der Bausparkassen? Das Bausparen braucht adäquate rechtliche Bedingungen, die sich den jeweiligen Wettbewerbserfordernissen anpassen. Sie müssen den Kundeninteressen und der Systemsicherheit entsprechen. Es gehört auch dazu, dass die Bausparkassen im Rahmen ihrer jeweiligen Unternehmensgruppe optimal und sicher aufgehoben sind. Regulatorischer Widerspruch zwischen Einzelinstituts- und Gruppenverantwortung sollte überwunden werden. Hat das Bausparen die "richtige" Lobby - in Deutschland und in Europa? Die Bausparkassen sind in Berlin wie in Brüssel gut vertreten. Sie haben zum Beispiel vor zehn Jahren in Brüssel einem freiwilligen Verhaltenskodex mit zum Durchbruch verholfen, der Verbrauchern seitdem vor der Kreditaufnahme bessere Informationen und Vergleichsmöglichkeiten bietet. In Berlin ist es gelungen, die Vorteile des selbst genutzten Wohneigentums über Jahrzehnte hinweg hochzuhalten. In dieser Zeit hat die Wohnimmobilie auch für die private Altersvorsorge eine Renaissance erfahren. Gleichwohl: Unser Bausparen ist seit dem Fall des eisernen Vorhangs erfolgreich nach Mitteleuropa "exportiert" worden. Auf europäischer Ebene ist dementsprechend politisch noch mehr zu tun für besseres Verständnis und für den Schutz und die Förderung der Leistungsfähigkeit dieses Bausparsystems im Interesse der Finanzmarktstabilität. Baufinanzierung mit Bausparen ist heute immer weniger mit Vorsparen, sondern in der Regel mit Sofortfinanzierungen verbunden. Wie verändern sich dadurch die Risiken im Bauspargeschäft? Es ist richtig, dass Sofortfinanzierungen bei den Bausparkassen jetzt häufiger vorkommen als früher. Trotzdem überwiegt auch heute noch das klassische Bausparen mit dem vorgelagerten Sparprozess. Es gibt Unterschiede zwischen den einzelnen Instituten, der Anteil der Sofortfinanzierungen am Bauspargeschäft dürfte branchenweit zwischen zehn bis 30 Prozent liegen. Die damit verbundenen Risiken werden im Rahmen der Gesamtbanksteuerung entsprechend berücksichtigt und kontrolliert. Als Alternative zu Kapitalmarktanlagen verbessert das Kreditgeschäft die Risikodiversifikation auf der Aktivseite. Welche Probleme bereitet das aktuelle Zinsniveau den Bausparkassen? Wie wünschenswert oder verhängnisvoll wäre ein rascher Zinsanstieg? Zunächst der Blick auf die Kunden: Die Bausparkassen haben ihre Tarife den derzeitigen Markterfordernissen angepasst, insbesondere durch ihre Varianten mit niedrigen Darlehenszinsen, den sogenannten Finanzierungstarifen. Damit sprechen wir vor allem Kunden an, die gezielt auf eine Immobilie sparen oder die bereits eine Immobilie haben und für Modernisierung oder Umbau vorsorgen möchten. Und der Blick auf die Bausparkassen selbst: Sie haben es gelernt, unterschiedliche Zinsszenarien im Rahmen ihrer Risikofähigkeit auszusteuern, aber ein dauerhaft niedriges Zinsniveau, wie wir es zuletzt hatten, ist eher ergebnisbelastend. Grundsätzlich wäre für die Inanspruchnahme von Bauspardarlehen ein Zinsanstieg am Markt förderlich, die Attraktivität würde für die Kunden zunehmen. Aus Sicht der Bausparkasse wäre ein langsamer Zinsanstieg besser als ein plötzlicher, um mehr Reaktionszeit zu haben für die Umsteuerung bei den Tarifen und im Aktiv-Passiv-Management. Tages- und Termingelder gewinnen gegenüber langfristigen Festanlagen. Wie kann Bausparen als Sparprodukt im Wettbewerb mit anderen Sparformen bestehen? Bausparen ist grundsätzlich kein reines Sparprodukt und keine Kapitalanlage. Beim Bausparen geht es darum, Kapital anzusparen, um sich dadurch den Anspruch auf ein zinsgünstiges, kapitalmarktunabhängiges Bauspardarlehen zu sichern. Insofern steht das Bausparen in keinem direkten Wettbewerb mit Tages- und Termingeldkonten. Zumal solche Konten in der Regel nicht kontinuierlich bespart werden, sondern vor allem zur Anlage von Einmalbeiträgen dienen. Speziell das letzte Jahr hat gezeigt, dass das Bausparen im Vergleich durchaus am Markt bestehen kann. Auch beim Kauf eines Finanzproduktes zahlt der Kunde einen Preis. Warum ist es richtig, für Bausparverträge und Versicherungspolicen unterschiedliche Modelle anzuwenden? Die Gebühren bei Bausparkassen sind für Kunden und Interessenten transparent. Die Abschlussgebühr, die immer wieder thematisiert wurde, ist der Preis für den Eintritt ins Bausparer-Kollektiv und nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gerechtfertigt. Die Umlage der Vertriebskosten bei Vertragsabschluss auf die Neukunden ist laut XI. Senat des BGH nicht unangemessen und deswegen nicht zu beanstanden. Im Übrigen handelt es sich beim Bausparen und bei Versicherungen um unterschiedliche Produkte, etwa im Hinblick auf ihre Laufzeiten und das Chancen-Risiken-Profil. Es ist normal, dass unterschiedliche Produkte auch voneinander abweichende Preise aufweisen. Kann Vorsorge für Bildung und Pflege nach dem Prinzip des Bausparens auch in Deutschland funktionieren? Bereitet sich W&W schon darauf vor? Das Bildungssparen wird von der Politik als Zukunftsthema betrachtet. Diese Meinung teilen wir. Im Berliner Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP ist das Thema bereits berücksichtigt. Dort sind Bildungssparen und Bildungsfinanzierung ausdrücklich erwähnt. Angedacht ist in der Koalition, für das Bildungssparen für jedes neugeborene Kind ein Zukunftskonto mit einem Startguthaben von 150 Euro einzurichten und eine jährliche staatliche Prämie bis zur Volljährigkeit des Kindes zu gewähren. In Bezug auf das konkrete Produkt und dessen Anbieter sind die Formulierungen aber offen. Das Bausparen ist als kombiniertes Spar- und Darlehensprodukt grundsätzlich geeignet, Bildungsinvestitionen zu finanzieren. Die Bausparkassen haben viel Erfahrung mit dem zugrundeliegenden Geschäftsmodell. Sie erreichen die Zielgruppe und können das Thema vorantreiben. Allerdings können die Bausparkassen aufgrund der Restriktionen des Bausparkassengesetzes heute noch kein Bildungssparen anbieten. Dafür wären erst die Voraussetzungen, der rechtliche Rahmen, zu schaffen. Es bedarf jetzt eines klaren Signals der Bundesregierung, dass die Haushaltsmittel für die Förderung des Bildungssparens bereitgestellt werden und damit einer sinnvollen und dringend notwendigen Weiterentwicklung der Finanzierung von Studium und Bildung zum Durchbruch verholfen wird.

Alexander Erdland , Senior Advisor, Ardian Germany, Frankfurt am Main
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