Immobilien und IT

Regionale Kreditbearbeitung im genossenschaftlichen Finanzverbund

Ein Sprichwort lautet: "Den guten Seemann erkennt man bei schlechtem Wetter." Angesichts wirtschaftlich stürmischer Zeiten erfährt das Image der Volksbanken und Raiffeisenbanken zurzeit eine positive Neubelebung. Viele Kunden trauen es den Genossenschaftsbanken am ehesten zu, sicher durch die Finanzkrise zu steuern. Doch auch wenn das auf Nachhaltigkeit und Kundennähe ausgerichtete Geschäftsmodell momentan eine verstärkte Wertschätzung erfährt: Dies macht die Kunden bei der Finanzierung einer Immobilie oder bei der Selektion eines anderen Standard-Bankprodukts nicht etwa unempfänglich für die Lockangebote anderer Anbieter.

Der Preis- und Wettbewerbsdruck, dem sich Volksbanken und Raiffeisenbanken im Privatkundengeschäft ausgesetzt sehen, nimmt entsprechend weiter zu. Angesichts schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ist davon auszugehen, dass der Konditionenwettstreit künftig noch härter wird. Insbesondere im Geschäft mit privaten Immobilienfinanzierungen fällt es den Genossenschaftsbanken bereits seit längerem schwer, wettbewerbsfähige Konditionen anzubieten und gleichzeitig vertretbare Margen zu erzielen.

"Mehr als neun von zehn Kreditinstituten in Deutschland verlieren in der Immobilienfinanzierung Kunden an Direktanbieter und Baugeldvermittler", wurde in der Baufinanzierungsstudie 2009 der Planethome AG und des Instituts für Management- und Wirtschaftsforschung (IMWF) festgestellt. "74 Prozent der Institute geben unumwunden zu: In der Beratung sind wir unschlagbar, aber bei den Kosten sind andere für die Kunden attraktiver." Entsprechend stark empfinden viele Volksbanken und Raiffeisenbanken den Handlungsdruck, ihre Kosten in der Produktion zu senken und gleichzeitig alle verfügbare Kraft in die Ausschöpfung ihrer Vertriebspotenziale zu stecken.

Prozesse bündeln, Kosten senken

"Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele", lautet ein Ausspruch von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, einem der Urväter des deutschen Genossenschaftswesens. Diese genossenschaftliche Grundidee wird konsequent weitergeführt, wenn Primärbanken sich entschließen, Standardprozesse zu bündeln, um Synergien zu heben und sich stärker auf die eigenen Stärken und Kernkompetenzen konzentrieren zu können. Kreditservicer wie die VR Kreditwerk AG und das Tochterunternehmen VR Kreditservice GmbH bieten Finanzdienstleistern die Möglichkeit, ihre Backoffice-Prozesse auszulagern und dadurch ihre Kosten zu flexibilisieren und zu senken. Gleichzeitig sichern sich die Banken durch die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Dienstleister eine verlässliche Bearbeitungsqualität bei verbindlich kurzen Durchlaufzeiten.

Die Erfahrung als Dienstleister für den genossenschaftlichen Finanzverbund hat gezeigt, dass eine Auslagerung von Prozessen zum jetzigen Zeitpunkt nicht für jede Genossenschaftsbank eine Option ist. Angesichts der noch jungen Historie der Auslagerung von Kreditprozessen verbinden einige Primärbanken mit einem Outsourcing die Befürchtung, Einfluss oder Kompetenzen einzubüßen. Als zusätzliche Option neben der Auslagerung an eine überregionale Kreditfabrik werden im genossenschaftlichen Finanzverbund aus diesem Grund regionale Kooperationsmodelle zur Bündelung von Backoffice-Prozessen zurzeit intensiv diskutiert.

Regionale Service-Center bieten Genossenschaftsbanken die Möglichkeit, Synergien zu heben, jedoch gleichzeitig ihre Kreditbearbeitungskompetenz in der Region zu erhalten. Dafür nehmen die Treiber dieser Entwicklung in Kauf, dass die Kosteneinsparungen, die im Service-Center erzielt werden, möglicherweise nicht genauso hoch sind wie bei der Auslagerung an eine überregionale Kreditfabrik.

Als strategischer Partner der Genossenschaftsbanken im Kreditgeschäft hat sich die VR Kreditservice frühzeitig an den Diskussionen um die Einrichtung Regionaler Service-Center beteiligt und im Auftrag von Volksbanken und Raiffeisenbanken unterschiedliche Konzepte und Handlungsmöglichkeiten zur Gründung regionaler Servicegesellschaften geprüft. Inzwischen haben deutschlandweit die ersten Regionalen Service-Center die Arbeit aufgenommen.

Mit der neu gegründeten Genossenschaft Regionales Service-Center VR-Banken Rhein-Main eG in Darmstadt hat zum Jahresbeginn 2009 das erste Ser-vice-Center den produktiven Betrieb aufgenommen, das mit konzeptioneller und fachlicher Unterstützung durch die VR Kreditservice entstanden ist. Initiator war die Volksbank Dreieich eG, die inzwischen weitere Banken aus der Region Rhein-Main als Partner für das Regionale Service-Center gewonnen hat.

Im Frankfurter Speckgürtel gelegen, bekommt die Volksbank Dreieich den zunehmenden Wettbewerb um die attraktive Zielgruppe der privaten Bankkunden besonders intensiv zu spüren. Aus diesem Grund hatte die Bank die VR Kreditservice bereits frühzeitig damit beauftragt, unterschiedliche Optionen zu prüfen, um ihre Marktfolge zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Dabei sollte dem Wunsch der Bank Rechnung getragen werden, ihre Kreditbearbeitungskompetenz in der Region zu erhalten und die vorhandenen Mitarbeiter möglichst auch in der neuen Einheit einzusetzen. Im

Auftrag der Volksbank wurden die fachlichen, technischen und rechtlichen Grundlagen für eine regionale Bündelung der Kreditprozesse in der Region geprüft. Dabei wurden verschiedene Kooperations- und Geschäftsmodelle ebenso betrachtet wie unterschiedliche Arbeits- und Prozessmodelle.

Weiterentwicklung der "Hilfe zur Selbsthilfe"

Bereits frühzeitig fiel die Entscheidung, die neue Gesellschaft in der Rechtsform der Genossenschaft zu führen. Dies entspricht dem Selbstverständnis der Gründer, die in dem Regionalen Service-Center eine konsequente Weiterführung des genossenschaftlichen Prinzips der "Hilfe zur Selbsthilfe" sehen. Für neu angeschlossene Banken bedeutet dies, dass sie sich als gleichberechtigte Partner unabhängig von ihrer Größe nachhaltig dieselben Einflussmöglichkeiten im Regionalen Service-Center sichern und damit alle in demselben Maße an den erzielten Kostenvorteilen partizipieren.

Nach Abschluss der Konzeptionsphase erhielt die VR Kreditservice den Projektauftrag zum Aufbau und zur Einrichtung des Regionalen Service-Centers. Zu den Aufgaben gehörte beispielsweise die Einrichtung der technischen Infrastruktur sowie die Unterstützung bei Personalrekrutierung, Preisgestaltung und Kapazitätsplanung. Das durch die VR Kreditservice erstellte Processing-Handbuch erhält zudem alle Richtlinien, Anweisungen und Abläufe für die Kreditsachbearbeitung. In dieser Form wurden in der neu gegründeten Gesellschaft standardisierte Best-Practice-Prozesse etabliert, an deren Weiterentwicklung alle angeschlossenen Banken künftig gemeinsam partizipieren werden.

Um das Processing-Know-how und die flexiblen Bearbeitungskapazitäten auch langfristig zu nutzen, greift das Regionale Service-Center zudem auch künftig bei Auftragsspitzen und Kapazitätsengpässen auf die temporäre Unterstützung der VR Kreditservice im Rahmen von Spitzenausgleichs-Tätigkeiten zu.

Industrialisierung der Prozesse

Die Bündelung der Prozesse sowie die Kooperation mit dem Kreditservicer ermöglichen eine verbesserte Kapazitätsauslastung sowie eine Senkung von Leerzeiten und erschließen den Banken gleichzeitig neue Möglichkeiten in der Personaleinsatzsteuerung. Gleichzeitig ist eine konsequente Industrialisierung der Prozesse Pflicht. Zu den Stellhebeln zur Produktionssteigerung gehören dabei neben der Optimierung und Automatisierung der Prozesse kontinuierliche Investitionen in die IT. Eine leistungsfähige technische Plattform und ein anforderungsgemäßes Schnittstellenmanagement sind wichtige Erfolgsfaktoren.

Aus diesem Grund haben sich die Initiatoren der Regionales Service-Center VR-Banken Rhein-Main eG entschieden, zusätzlich zu den Anwendungen der genossenschaftlichen Rechenzentrale Fiducia die Produktionsstraße der VR Kreditwerk AG zu nutzen. Damit wurde in der neuen Servicegesellschaft die weitestgehende Automatisierung der Kreditbearbeitung Realität: Die Prozessstraße ermöglicht die integrierte und automatisierte Bearbeitung von Baufinanzierungsdarlehen im Neugeschäft von der Beantragung, der Kreditentscheidung über die Vertragserstellung und Unterlagenprüfung bis zur Auszahlung sowie Archivierung.

Ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor ist die Zugriffsmöglichkeit auf die Kernbanksysteme weiterer Primärgenossenschaften, die sogenannte Mehrmandantenfähigkeit. Diese ermöglicht es, mit jeder Anbindung weiterer Volksbanken und Raiffeisenbanken an die Servicegesellschaft, die gewünschten Skaleneffekte zu heben.

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