Stadtentwicklung

Revitalisierung von Einzelhandelsimmobilien

Das CoRE Campus of Real Estate, die noch junge Marke der Immobilienwirtschaftler an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Geislingen, fällt mehr und mehr auch überregional positiv auf. Am 27. Oktober 2011 fand der von Winfried Schwatlo, Professor für Immobilienwirtschaft, mit Schwerpunkt auf Wirtschaftsethik und Konfliktmanagement initiierte CoRE Handelsimmobilientag zum zweiten Mal statt und widmete sich diesmal dem Thema "Revitalisierung von Handelsimmobilien". Als Aufsichtsratsvorsitzender der Focus Real Estate AG, die Einzelhandelsimmobilien entwickelt, hat sich Schwatlo mit Joachim Stumpf, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung und IPH Handelsimmobilien, aus München zusammengetan und auch BBE/IPH und Focus in die fachliche Leitung eingebunden.

Ein Vorabendprogramm zum Anfassen

Die Kombination von Wissenschaft, Beratungs-Know-how und Praxis kam bei den etwa 130 Tagungsteilnehmern - Projektentwicklern, Architekten, Immobilienfinanzierern, Investoren, Beratern und Immobilienjuristen, aber auch 40 bis 50 Studenten, überwiegend "Honour Students" und interessierte Letztsemester auf dem Sprung ins reale Business - gut an, auch weil es eine Gelegenheit ist, Praktiker und Young Professionals zusammenzubringen. Beide Seiten umwarben sich gegenseitig eifrig, denn die einen drängen in die Arbeitswelt, während die anderen qualifizierte Nachwuchskräfte suchen.

Ein Highlight der Veranstaltung war das Vorabendprogramm. Investor und Einzelhändler Manfred Herz stellte die Besonderheiten seines Revitalisierungsobjektes "City-Center-Pasing" vor. Er entwickelte eine ehemals von der Kaufhof AG über zwei Etagen genutzte Kaufhalle-Immobilie in ein Nahversorgungszentrum über vier Etagen mit den Ankermietern Penny, dm-Drogerie und Takko. Im 2. Obergeschoss betreibt er selbst das Kleinkaufhaus Herz, das die Nahversorgungssortimente ergänzt. Die Herausforderung dieser Revitalisierung in den vorhandenen Baugrenzen lag in der vertikalen Erschließung, die Voraussetzung für die Verkaufsflächen- und Sortimentserweiterung war.

Nur ein paar Meter weiter im gleichen Stadtbezirk führte Lars Jähnichen, Gesamtprojektleiter bei der MfI Management für Immobilien AG, durch die auf ehemaligen Bahnhofsflächen errichteten Pasing Arcaden. Der ersten Teileröffnung mit knapp 10000 Quadratmetern Verkaufsfläche wird eine im Bau befindliche Erweiterung um 17000 Quadratmeter Verkaufsfläche folgen. Jähnichen schilderte die architektonischen Herausforderungen des langgezogenen Gebäudekörpers, welche bei der Besichtigung des

Retail-Bereiches und von rund 50 Wohneinheiten über dem Shoppingcenter in Augenschein genommen wurden, und die Forderung der Stadt München nach der Schaffung von Wohnraum. Ausgelöst durch die Entwicklungen der Bahn mit der Umstrukturierung des Bahnhofs Pasing und der angrenzenden Areale befindet sich der gesamte Stadtteil Pasing in einem enormen Umbruch, der durch ein eigenes Stadtteilmanagement professionell begleitet wird. Da sich die beiden besichtigten Projekte in diesem Kontext befinden, erweiterte sich der Erkenntnisgewinn sehr wertvoll um die Dimension der städtebaulichen Perspektiven. Die anregenden Gespräche konnten in einem auf Einladung der MfI stattfindenden Abendessen im historischen Bürklein Bahnhof in direkter Nachbarschaft fortgeführt werden.

Das Thema wurde während der Tagung durch eine Podiumsdiskussion vertieft, in der neben den beiden Investoren auch der Stadtteilmanager Christian Bitter, der Stadtdirektor im Referat für Stadtplanung und Bauordnung von München, Walter Buser, der Sprecher der Bayerischen Hausbau Immobilien Management GmbH, Karl-Josef Stindt und als Vertreter der Belange der Kreditwirtschaft und Vorsitzender des Hochschulrates der HfWU, Senator E.h. Jürgen Hilse zu Wort kamen.

Frühwarnsysteme

Revitalisierung wird die zukünftige Entwicklung von Handelsimmobilien bestimmen. In seinem Einstiegsvortrag wies Joachim Stumpf darauf hin, dass die aktuelle Diskussion in der Fachpresse zum Thema Revitalisierung auf das Segment Shoppingcenter verkürzt werde, das jedoch nur den kleineren Teil der Revitalisierungen der nächsten Jahre umfasse, da zusätzlich andere Handelsimmobilientypen wie Möbelhäuser, Fachmarkt- und Nahversorgungszentren, SB-Warenhäuser, Warenhäuser und Geschäftshäuser die Facetten der Revitalisierung umfasse. Weiterhin identifizierte er fünf maßgebliche Auslöser von Revitalisierungen: den starken Wettbewerbsdruck im deutschen Einzelhandel, veränderte Kundenbedürfnisse, technologischen Fortschritt, den Lebenszyklus von Betriebsformen, Konzepten und Immobilien sowie baurechtliche Rahmenbedingungen.

Da die Komplexität und die Projektentwicklungsdauer von Handelsimmobilien steigt und auf der anderen Seite die Konzeptanforderungen der Betreiber immer schnelllebiger werden, forderte Joachim Stumpf die Bestandshalter auf, ihre Handelsimmobilienbestände sehr früh und sehr professionell einem Frühwarnsystem zu unterziehen, um die möglichen Handlungsspielräume bestmöglich nutzen zu können.

Den Thesen von Joachim Stumpf folgte die Bestätigung durch ausgewählte Projekte, welche durch ihre Unterschiedlichkeit die Individualität von Revitalisierung kaum treffender schildern konnten. So folgte auf das Redevelopment eines als Leuchtturmprojekt einer innerstädtischen Entwicklung im Ballungsraum München, dem Joseph Pschorr Haus (bekannt als Karstadt am Dom), zu bezeichnendem Beispiel die Revitalisierung einer Einkaufspassage im strukturschwachen Neuruppin.

Begriffsklärungen

Diskutiert wurde im Übrigen auch, was denn eine Revitalisierung überhaupt ist. Bleibt der Bestand maßgeblich erhalten und erfolgt eine Sanierung bis zum Neubaustandard, ist das sicher kein Neubau. Aber was, wenn die Altimmobilie so massiv entkernt wird, dass vom Altzustand nichts mehr zu erahnen ist? Bauträger und Baujuristen denken hier auseinander.

Nicht duplizierbare Toplagen und Investitionen im Bestand sind mehr und mehr der Hauptgegenstand bei Retailentwicklungen. Aus Bankensicht erleichtert ein vorhandener altgelebter Standort die Beurteilung. Zugleich braucht der Investor ein hohes Bau-Know-how, um sicher kalkulieren zu können. Darin waren sich Klaus Meissner, Vorstand der Kreissparkasse Göppingen, und Rainer Schunke, Leiter Kundenbetreuung bei der Eurohypo München, einig.

Aus Sicht der Investoren, besonders von Andreas Reinert, Orlando-Vorstand, aber auch von Markus Bruckner, Geschäftsführer der Bruckner-Projekt GmbH, wurde eine eher besorgte Betrachtung der Finanzierbarkeit diskutiert. Der "gestörte" Kapitalmarkt bremst Fremdkapitalfinanzierungen. Gesucht werden alternative Finanzierungen, wenn Banken dank neuer EK-Anforderungen und Sonderabschreibungen nur noch sehr beschränkt als Kapitalgeber zur Verfügung stehen. So fehle es einerseits noch an strukturierten Produkten. Andererseits tauchen Versicherungen, Pensions- und Versorgungskassen als Kreditgeber auf. Hier scheint der Markt im Umbruch zu sein, was sehr wach beobachtet werden müsse. Gute Finanzierungschancen haben weiterhin Revitalisierungsmaßnahmen mit klar definierten Alleinstellungsmerkmalen. Vorgestellt und mit starkem Interesse aufgenommen wurde hierzu passend auch der neue Developmentfonds des FHB Fondshaus Bayern Invest GmbH, der in diesen Tagen an den Start geht.

Spannend waren auch die baurechtlichen Betrachtungen von Dr. Markus Butt und Dr. Bernhard Laas, GSK München. Wann besteht Bestandsschutz und was gefährdet ihn? Kaufe ich als Investor direkt oder indirekt, wähle ich also eine Asset- oder Share-Deal-Variante und ist das bei Neubauprojekten anders zu sehen als bei Bestandsimmobilien? Wie sind bestehende Mietverträge zu behandeln? Auch die Liste der baurechtlichen Aspekte bei Revitalisierungen ist lang und wichtig.

Wettstreit der Konzepte

Was wäre die Betrachtung von Handelsimmobilienentwicklungen ohne die Betrachtung von Konzepten der Handelsunternehmen selbst. Mit der Einheit "Trends und neue Konzepte" endete die Veranstaltung mit einer abwechslungsreichen Reise durch die Welt der Retailkonzepte. Auf der einen Seite das Start-Up-Konzept "Flowerbox" mit einer neuartigen Sortimentsidee rund um das Thema Blumen, auf der anderen Seite etablierte Konzernkonzepte aus dem Bereich Fachmarkt und Lebensmittel, die sich ebenfalls neu erfinden und auf die aktuellen Trends im Handel einstellen müssen, dargestellt an den Beispielen von Staples und Rewe.

"Immobilien & Finanzierung", die den 2. CoRE Handelsimmobilientag als Medienpartner begleitet hat, wird das Tagungsthema aufgreifen und die Essays der Vorträge im Januar 2012 veröffentlichen. Der 3. CoRE Handelsimmobilientag wird Ende Oktober 2012 stattfinden.

Prof. Dr. Winfried Schwatlo und Joachim Stumpf

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