Schwerpunkt: Revitalisierung von Einzelhandelsimmobilien

Strategische Entscheidungen für Handelsimmobilienentwicklungen im Bestand

In den kommenden Jahren wird sich ein Großteil der Handelsimmobilienentwicklungen auf die Entwicklung im Bestand und damit auf die Revitalisierung konzentrieren. In der folgenden Betrachtung soll es nicht darum gehen, die unterschiedlichen Begriffe rund um die Revitalisierung (Refurbishment, Restrukturierung, Redevelopment, Renovierung) zu erläutern, sondern Auslöser und Besonderheiten bei der Bestandsbetrachtung aufzuzeigen.

Verschiedene Betriebsformen mit Problemen

Um den Revitalisierungsbedarf in Deutschland zu erfassen, reicht es nicht aus, ihn auf das Segment Shoppingcenter zu verkürzen. Auch wenn das einzelne Shoppingcenter ein vergleichsweise großes Investitionsvolumen auslöst, so wird dieses Segment nur den kleineren Teil der Revitalisierungen der nächsten Jahre ausmachen, da zusätzlich andere Handelsimmobilientypen wie Möbelhäuser, Fachmarkt- und Nahversorgungszentren, SB-Warenhäuser, Warenhäuser, Stand-Alone-Fachmarkt- und Lebensmittelstandorte, Geschäftshäuser et cetera ebenfalls die Facetten der Revitalisierung umfassen. Die Auslöser von Revitalisierungen lassen sich nicht monokausal auf einen bestimmten Auslöser zurückführen. Sie können wie folgt zusammengefasst werden:

Einige Betriebsformen wie Fachmärkte und Discounter waren von der vergangenen Marktentwicklung begünstigt, während andere wie Fachgeschäfte und Warenhäuser benachteiligt waren. Überträgt man die Kurve des Produktlebenszyklus auf Handelskonzepte im Sinne von Betriebstypen und auf Handelsimmobilien, so zeigt sich, dass mit dem Schrumpfungsprozess einer Betriebsform beispielsweise Warenhaus, kleine Baumärkte, mittelgroße Möbelhäuser, noch lange nicht der Niedergang einer Handelsimmobilie einhergeht.

Während sich zum Beispiel der Betriebstyp Warenhaus trotz vieler positiver Beispiele insgesamt eindeutig in der Schrumpfungsphase befindet, lässt sich der Immobilientyp Warenhaus in guten Lagen durch geeignete Revitalisierungsmaßnahmen einem erneuten Wachstum im Sinne der Steigerung des Mietertrags zuführen. Warenhausimmobilien in schlechten Lagen scheiden dagegen aus dem Markt aus und benötigen eine neue, handelsunabhängige Nutzung.

Allein diese Zyklusbetrachtung und die Erkenntnis, dass viele Handelsimmobilien aus der Hauptexpansionsphase von 1990 bis Anfang der Jahrtausendwende jetzt einen zeitlich bedingten Verschleiß mit sich bringen, zeigen den großen Revitalisierungsbedarf über alle Handelsimmobilientypen hinweg. Darin enthalten sind auch alle zeitlich bedingten Anpassungen an die Infrastruktur einer Handelsimmobilie (Verbesserung der Energieeffizienz, Brandschutzauflagen, Dimensionierung von Parkplatzanlagen, Zugänglichkeit von mobilitätseingeschränkten Kunden, Anforderungen an Ver- und Entsorgung).

Real betrachtet stagniert der Markt für Konsumgüter seit fast 20 Jahren, während die Flächen überdurchschnittlich wachsen. Ausdruck für den intensiven Verdrängungswettbewerb ist die gesunkene Flächenleistung. Die guten Konzepte verdrängen die schlechten Konzepte und die guten Standorte die schlechten Standorte. Mittelmaß ist für Handelskonzepte und Handelsstandorte verboten.

Starker Wettbewerbsdruck

Dieser ständige Anpassungsbedarf kann in regionalen Märkten ganz unterschiedlich intensiv ausfallen. Es ist ein Unterschied, ob eine schleichende Intensivierung des Wettbewerbs stattfindet oder eine Großansiedlung wie zum Beispiel ein Shoppingcenter oder ein großes Nachversorgungszentrum plötzlich zu einer massiven Lageverschlechterung für Bestandsobjekte führt. Der starke Wettbewerbsdruck führt aber auch dazu, dass Konzept- und Managementfehler zu wirtschaftlichen Schieflagen, Insolvenzen und Marktaustritten führen (beispielsweise Sinn Leffers, Arcandor, Wal Mart, Woolworth), die mangels adäquater Nachnutzungen ebenfalls Revitalisierungen auslösen können.

Eine restriktive Ausweisung von neuen Handelsflächen und eine auf Schutz von zentralen Versorgungsbereichen ausgerichtete Landes- und Stadtplanung erzwingen die stärkere Entwicklung im Bestand. Neben dieser allgemeinen Betrachtung kann im Einzelfall eine Revitalisierung auch dadurch ausgelöst werden, dass sich eine Handelsimmobilie in einem Gebiet ohne Bebauungsplan befindet und die Kommune die Aufstellung eines Bebauungsplanes plant, der eine Veränderungssperre beinhaltet. Dadurch werden die zukünftigen Handlungsspielräume eventuell eingeschränkt (vgl. Stumpf/Wotruba, Einzelhandelsimmobilien 2010, S. 135). Der steigende Anteil an Smart Shoppern hat Konzepte mit hoher Preisprofilierung begünstigt. Hybrides, wenn nicht sogar paradoxes Einkaufsverhalten führt zu geringerer Einkaufsstättenbindung und zu steigenden Erwartungen an Handel und Einkaufszentren. Das meint Erlebnis, Verweildauer, Ladenbau, Convenience.

Online-Handel als Chance

Diese Bedürfnisse sind keine originären Auslöser von Revitalisierungen. Sie lösen aber Anpassungen bei Konzepten, Ladenbau, Marketing und Serviceleistungen aus und können den Verlust an relativer Marktattraktivität beschleunigen. Auf alle Fälle sind sie bei Weiterentwicklungen entsprechend zu berücksichtigen. Electronic Commerce, Mobile Commerce werden nicht nur Konkurrenz zum stationären Handel, sondern auch Teil dessen im Rahmen eines Multichannel-Ansatzes. Überhaupt wird das Verschmelzen von "Cyperspace" und Realität auch in zunehmendem Maße das Verhalten sowie die Kommunikation der Menschen und damit das Marketing radikal verändern. Im Smartphone verschmelzen Information, Einkauf, Hobby, Beruf und Kommunikation.

Aktuell führen die Innovationen noch dazu, dass Versand- und Online-Händler mit eigenen stationären Konzepten (Ja-ko-O, Manufactum, Bon Prix) als neue Mieter in den Markt eintreten. Unklar bleibt aber, ob die Multichannel-Aktivitäten der stationären Unternehmen in Zukunft zu Flächenreduzierungen führen werden. Erst dann würde sich ein erhöhter Revitalisierungsbedarf ergeben.

Frühwarnsystem

Da die Komplexität und die Projektentwicklungsdauer von Handelsimmobilien steigt und auf der anderen Seite die Konzeptanforderungen der Betreiber immer schnelllebiger werden, müssen Bestandshalter ihre Handelsimmobilienbestände sehr früh und sehr professionell einem Frühwarnsystem unterziehen, um die möglichen Handlungsspielräume bestmöglich nutzen zu können. Bereits zwei bis drei Jahre vor der Beendigung der Hauptmietzeit eines Ankermieters muss die eigene Verhandlungsposition unter Einbeziehung potenzieller alternativer Nutzungen detailliert analysiert werden. Auf der Ebene der strategischen Betrachtung hilft die Einordnung der Immobilie in eine Ampelmatrix analog Abbildung 1, welche durch die Aggregation und Bewertung aller erhobenen Objekteigenschaften ermöglicht wird. Die Handlungsstrategien lassen sich auf dieser Basis (Abbildung 2) schematisch ableiten.

Leider sind die frühzeitigen strategischen Überlegungen, mit denen eine Revitalisierung beginnt, nicht die Regel. Meist ist es der beginnende Leidensdruck, der an baulichen, technischen oder ökonomischen (zum Beispiel rückläufige oder schleppend eingehende Mieten) Mängeln konkret zu spüren ist. Bei aktiv gemanagten Immobilien sind es die Gespräche des Centermanagers mit unzufriedenen Mietern oder die sinkenden Umsatzmieten, die einen Handlungsbedarf erkennen lassen. Der daran anschließende Prozess einer Revitalisierung wird in Abbildung 3 schematisch dargestellt.

Die Handlungsoptionen für Revitalisierung, Restrukturierung oder Redevelopment einer Handelsimmobilie können am fundiertesten beurteilt werden, wenn alle Entscheidungsparameter in einer Markt- und Standortanalyse (intern oder mithilfe von externer Expertise) zusammengetragen und in einer SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats) bewertet werden. Die Analyse kann je nach Objekt und Fragestellung in unterschiedlichem Umfang erstellt werden.

In der Regel umfasst sie die Makro- und Mikro-Standortfaktoren, die Abgrenzung des Einzugsgebietes, die Analyse des Wettbewerbsumfeldes (inklusive zu erwartender Veränderungen), die Objektanalyse und die Berechnung des vorhandenen Markt- und Utemnszaitazlsp.o Sie kann aber auch um eine Verbraucher- und/oder Kundenbefragung erweitert werden. Wichtig ist es, neben den möglichen Nutzungsoptionen inklusive Mietertragsprognosen eine langfristige, am Wettbewerb ausgerichtete Positionierung der Immobilie anzustreben, an welcher sich Nutzung und Marketing orientieren können. Neben der Analyse der marktrelevanten Betrachtung gehören zur fundierten Vorarbeit ebenfalls die intensive Mietvertragsanalyse sowie die der baurechtlichen Spielräume (etwaige vorhandene Baurechtsreserven und/oder Stolpersteine bei Nutzungsänderung) aufgrund der beschriebenen baurechtlichen Besonderheiten von Einzelhandelsimmobilien. Auf Basis dieser Vorarbeit kann zunächst die strategische Entscheidung erfolgen, ob und in welchem Umfang eine Revitalisierung stattfinden soll oder ob der Cash Burn Out, also die Weiternutzung der Immobilie bis zum kompletten Leerstand, erfolgen soll.

Die weiteren Maßnahmen in der Revitalisierungsphase wie Sicherung der Marktpräsenz, das Einbeziehen der Nutzer, das Marketing für das Objekt et cetera sollen an dieser Stelle nicht vertieft werden. Revitalisierungen zeichnen sich dadurch aus, dass keine einzige der anderen gleicht. Sie sind hochgradig individuell und müssen an Objekt und Umfeld intelligent angepasst werden. Wie die folgende Abbildung zeigt, erfordert dies den Dialog im Spannungsfeld zwischen Kommune, Investor und Betreiber sowie die rechtzeitige Einholung von juristischem Rat aufgrund der von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Regelungen bei der Baurechtschaffung für Einzelhandelsgroßprojekte. Aber auch die Ansprüche an ein Centermanagement oder Teilzeit-Centermanagement werden höher, um auch schon kleinere Standortagglomerationen oder Nahversorgungszentren als Destination nachhaltig in dem Relevant Set eines Verbrauchers zu verankern.

Literaturverzeichnis

Stumpf, J./Wotruba, M., (2010), Einzelhandelsimmobilien Stand - Entwicklung - Perspektiven, Grundlagen für erfolgreiches Investment und Management, München, 2010.

Vahs, D./Burmester, R., (2002), Innovationsmanagement. Von der Produktidee zur erfolgreichen Vermarktung, Stuttgart, 2002.

Adamovicz, M./Stumpf, J./Wotruba, M., (2008), in: BBE-Handelsberatung GmbH und IPH Immobilien- und Projektentwicklung für Handel und Gewerbe GmbH (Hrsg.), Fachmarktatlas 2009, München, 2008.

Bernreuther, A., (2008), in: BBE-Handelsberatung GmbH und IPH Immobilien- und Projektentwicklung für Handel und Gewerbe GmbH (Hrsg.), Fachmarktatlas 2009, München, 2008.

Bernreuther, A., (2009), in: BBE-Handelsberatung GmbH und IPH Immobilien- und Projektentwicklung für Handel und Gewerbe GmbH (Hrsg.), Nahversorgung 2010, München, 2009.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des

Autors auf dem 2. CoRE Handelsimmobilientag in München.

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