Die Innenstadt braucht kein Warenhaus

Es geht um gefährdete Arbeitsplätze, verwahrlosende Innenstädte und eine fehlende Nahversorgung - die Diskussion über die Probleme der großen Warenhäuser in Deutschland ist eine sehr emotional geführte Debatte. Egal, ob Hertie, Kaufhof oder Karstadt, der Betriebstyp Warenhaus steckt seit Jahren in der Krise. Das bedeutet nicht, dass wir uns vom Konzept des Warenhauses komplett verabschieden müssen. Aber die Bedeutung der Warenhäuser für die Innenstädte wird überschätzt, sowohl von Kommunen als auch vom innerstädtischen Einzelhandel.

Das Warenhaus bietet zwar den Generationen, für die ein Besuch der Innenstadt immer auch ein Besuch des lokalen Warenhauses bedeutete, nicht nur einen physischen, sondern auch einen emotionalen Anker. Für die nachwachsenden Generationen gilt das allerdings nicht. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov zufolge sind Menschen zwischen 18 und 24 Jahren kaum mehr in Warenhäusern zu finden. Mehr als 80 Prozent von ihnen gaben an, selten oder nie hier einzukaufen. Insgesamt spielen die Kaufhäuser für die meisten Deutschen höchstens noch eine untergeordnete Rolle. Fast zwei Drittel der Bundesbürger kaufen nur noch selten in Warenhäusern ein, jeder Zehnte nie. Trotz dieser Fakten gelten Warenhäuser bei kommunalen Entscheidungsträgern als Magnet, von dem die ganze Innenstadt abhängt und der gleichzeitig die Versorgung mit Lebensmitteln in der Innenstadt sichert. Zudem ist das Warenhaus der einzige Ort in städtischen Zentren, wo Haushaltswaren angeboten werden.

Keines dieser Argumente ist jedoch untrennbar mit dem Warenhaus verbunden. Die innerstädtischen Einkaufszentren sind gerade vielmehr dabei, ihren Anteil an Nicht-Handelsflächen auszubauen. Dies geschieht in Form von Gastronomie, Fitness-Studios oder anderen touristischen und freizeitwirtschaftlichen Angeboten - inklusive spektakulärer Ausblicke auf die Innenstädte. Damit üben Einkaufszentren eine Magnetfunktion aus, die meist die der Warenhäuser übertrifft.

Dort, wo durch die Entwicklung des Handels in der Vergangenheit Lücken entstanden sind, etwa im innerstädtischen Lebensmittelhandel, wurden diese erkannt und werden seitdem durch entsprechende Neuansiedlungen geschlossen. Konnte man vor zehn Jahren in vielen Innenstädten nur noch im Warenhaus Lebensmittel kaufen, so erleben wir heute eine Neuansiedlung von City- und Biomärkten und auch die Discounter kehren in die Innenstadt zurück. Auch der drohende Wegfall des Sortiments Haushaltswaren wird bereits teilweise durch entsprechende Konzepte wie Butlers oder Depot kompensiert. Vermutlich wird der Verlust von Warengruppen wie Leuchten, Schrauben und Werkzeug zur gegebenen Zeit durch kleine Innenstadtbaumärkte ausgeglichen, von denen in manchen Einkaufslagen schon die ersten Testmärkte zu finden sind.

Natürlich werden nicht alle Warenhäuser aus den Innenstädten verschwinden. Dazu ist ein Blick auf die Häuser aufschlussreich, die von der Warenhauskrise gänzlich ausgenommen sind, zum Beispiel die Premiumhäuser KaDeWe in Berlin, das Oberpollinger in München oder das Breuninger in Stuttgart. Ihre Positionierung als Weltstadt- und Premiumhäuser garantiert ihnen auch in Zukunft einen regen Zufluss an einheimischen und touristischen Besuchern. Dass dieses Konzept nicht nur in Deutschland funktioniert, zeigen Beispiele wie die Galeries Lafayette in Paris oder das Harrods in London.

Eine weitere Überlebensstrategie für Warenhäuser kann die Ausrichtung auf die lokalen Bedürfnisse sein. Wie bereits in der Praxis demonstriert, können vor Ort gesteuerte Warenhäuser in Kleinstädten wie auch in den Stadtteillagen der Metropolen nachhaltig funktionieren. Der Erfolg liegt dabei in der konstanten und aktiven Sortimentsanpassung für das einzelne Haus. Diese Strategie benötigt einen Manager mit lokaler Marktkenntnis, der unabhängig von der Konzernzentrale entscheiden kann.

Aber oft ist die Warenhausimmobilie nicht mehr zeitgemäß. Viele Immobilien befinden sich an einem Punkt ihres Lebenszyklus, wo sie den Anforderungen an eine moderne Handelsimmobilie so nicht mehr entsprechen. Auch nicht den Anforderungen an die Nutzung durch ein modernes Warenhaus. In Deutschland gibt es zahlreiche Warenhäuser, die neben unzeitgemäßen Deckenhöhen noch nicht einmal über Fahrtreppen in alle Etagen und beide Richtungen verfügen. Die Umstrukturierung in ein Einkaufszentrum oder der Abriss und Neubau der Immobilie kann hier die Lösung sein. Nicht zwangsläufig leidet dadurch die Attraktivität der Stadt. Im Gegenteil kann eine gut gestaltete Revitalisierung oder Neuprojektierung gegenüber einer in die Jahre gekommenen Handelsimmobilie die Attraktivität der gesamten Stadt steigern.

Nach dem Verkauf und der Revitalisierung der Immobilie kann beispielsweise ein neues Konstrukt entstehen, welches ein sortimentsgleiches Angebot bei neuer Betreiberstruktur anbietet. Hierzu wird das Warenhaus durch die Aufteilung der Sortimente auf Einzelbetreiber ersetzt. Wie in einem klassischen Warenhaus übernimmt ein Lebensmittelfilialist im Untergeschoss die Versorgung mit Nahrungs- und Genussmitteln. Im Erdgeschoss übernimmt ein Drogeriemarkt die Funktion der Parfümerie- und Drogerieabteilung und im ersten Obergeschoss zieht ein Textilfilialist die Kunden an. Für das Obergeschoss eignet sich ein Baumarktkonzept oder ein Gemischtwarenladen.

Das zeigt, dass die Emotionalität der Debatte übertrieben ist. Es gibt verschiedene Lösungen abseits der Warenhäuser, die für Kommunen nicht schlechter, dafür aber besser an die neuen Herausforderungen des Handels angepasst sind.

Markus Wotruba, Leiter Standortforschung, BBE Handelsberatung GmbH, München

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