mipim-Messekommentar

Wer ist schuld?

Wer in diesem Frühjahr vom 11. bis 14. März die internationale Immobilienmesse Mipim (Marché International des Professionnels d'Immobilier) im französischen Cannes besuchte, musste feststellen, dass wohl noch nie in den vergangenen 19 Jahren die Diskrepanz zwischen Sein und Schein so groß war. Äußerlich bot sich den Besuchern auch 2008 wieder das gewohnte Spektakel aus gehetzter Geschäftigkeit und mediterraner Nonchalance. Doch außer Zeltplatz-Idylle, Boots-Romantik und Hotel-Glamour hatte die Veranstaltung diesmal wenig Substanzielles. Während im Palais des Festivals, in den Restaurants und auf den Yachten noch Party wie zu besten Zeiten angesagt war, ist auf wichtigen Immobilienmärkten die Musik deutlich leiser geworden.

"Die Stimmung ist besser als von vielen erwartet wurde", meint der Vorstandsvorsitzende der Eurohypo, Bernd Knobloch, und versucht damit etwas Zuversicht in den Markt zu tragen. Einige scheuen unter vorgehaltener Hand dennoch nicht den Vergleich mit einer Szene auf der Titanic - das Schiff sinkt, aber die Kapelle spielt noch. Ganz so dramatisch, wie diese Katastrophen-Propheten meinen, wird jedoch weder die Lage noch die nähere Zukunft von den meisten Marktkennern eingeschätzt, denn die fundamentalen Wirtschaftsdaten geben in vielen Ländern keinen Anlass zur Sorge.

Aber wo klemmt es? Hier werden die Ursachen durchaus differenziert bewertet und die "Schuldfrage" wird je nach Profession unterschiedlich beantwortet. So würden Immobilienbesitzer und Projektentwickler wie die IVG Immobilien gerne Objekte verkaufen - zum Beispiel das Airrail Center in Frankfurt am Main, doch sind die momentan gebotenen Preise aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden Wolfhard Leichnitz schlichtweg inakzeptabel. Investoren wie Corpus Sireo möchten gerne kaufen, warten aber noch ab, wann die Preise ihre Talsohle erreicht haben.

"Wir möchten nicht in ein fallendes Messer greifen", erklärt Corpussireo-Chef Michael Zimmer, "sondern warten, bis es auf dem Boden liegt, um es aufzuheben." Er ist allerdings zuversichtlich, dass einige Marktteilnehmer, die in den vergangenen Jahren mit hoher Fremdfinanzierung Objekte und Portfolios kauften, bald unter Druck veräußern müssen, weil die kurzfristigen Kredite, mit denen der Erwerb finanziert worden war, auslaufen und nur deutlich teurer prolongiert werden können.

Hier schlägt die Finanzmarktkrise durch. Denn solange die Verbriefungskanäle verstopft sind, haben vor allem die einst sehr aggressiv am Markt auftretenden (Immobilien-)Investmentbanken nicht genügend Kapazitäten für umfangreiches Neugeschäft frei. Dies führt dazu, dass die Investoren, welche die gestiegenen Margen-, Risiko- und Eigenkapitalanforderungen der kreditgebenden Banken nicht erfüllen, derzeit keine Finanzierungen erhalten (siehe hierzu auch das Messe-Interview). "Unter dem Eindruck der aktuellen Marktverhältnisse sind alle Marktteilnehmer extrem vorsichtig. Es herrscht Attentismus", fasst Hypo-Real-Estate-Vorstand Frank Lamby die Lage zusammen.

Der Stillstand macht sich jedoch in unterschiedlicher Qualität bemerkbar. So konstatiert Bruno Sommer, als Generalbevollmächtigter bei der Helaba zuständig für das Immobilienkreditgeschäft, global betrachtet einen West-Ost-Anstieg. Am düstersten werden demnach die Perspektiven in den USA eingeschätzt. Das dortige Abrutschen der Immobilienpreise ist allerdings für die einen schon das Symptom der Rezession, für andere stellt es sich lediglich als die Marktkorrektur nach dem Hype dar.

Internationale Markttendenzen

Doch nicht nur die USA, auch die westeuropäischen Märkte befinden sich im Abschwung. Dass vor allem in der Londoner City der Büroleerstand deutlich zunimmt, ist nach Auskunft von Wolfhard Leichnitz indirekt auch eine Folge der Finanzmarktkrise, die zu Arbeitsplatzabbau im Bankensektor und mittelbar auch zu sinkendem Flächenbedarf der Kreditinstitute führt. Verleiht die Bankenlastigkeit auf der Nutzerseite dem Londoner Markt in Aufschwungphasen zusätzliche Dynamik, so nimmt jetzt das Abschwungpotenzial deutlicher zu als dies beispielsweise in Paris der Fall ist. Während in London die Finanzdienstleister die Hälfte der Flächennachfrage ausmachen, sind es in der französischen Hauptstadt gerade einmal zehn Prozent. Entsprechend sind die Mieten und die Vermietungsumsätze in Paris auf stabilerem Niveau.

Deutschland zeigt sich insgesamt als ausgeglichener Markt, dessen Durchschnittsmieten in den Metropolen nach Meinung der IVG Immobilien tendenziell steigen werden. Noch größer werde der Zuwachs bei den Spitzenmieten ausfallen. Für das Investmentsegment prognostiziert die Immobiliengesellschaft einen weiteren Rückgang der Transaktionen. Gleichzeitig dürften die Nettoanfangsrenditen steigen: Während in London um 30 bis 40 Basispunkte zu sehen sind, werden es in Deutschland nur fünf Basispunkte bei Top-Objekten und um bis zu 20 Basispunkte in weniger guten Lagen sein. Aufgrund dieser relativ stabilen Entwicklung in Deutschland und der Abschwächung in den westeuropäischen Kernmärkten spricht Hanno Weiß, Geschäftsführer von Lloyd Fonds Real Estate Management, bereits von einer Renaissance deutscher Core-Objekte bei privaten Investoren. Uneinheitlich sind die Meinungen zu Osteuropa. Während die einen angesichts der niedrigen Anfangsrenditen für Immobilieninvestitionen eine gewisse Nervosität verspüren, ist für andere die Welt dort noch völlig "in Ordnung". Lediglich in Ungarn und Polen ist das erreichte Niveau gerechtfertigt, findet der Vorstandsvorsitzende der HSH Real Estate, Marc Weinstock. Für Russland sieht er zwar Potenzial, doch hält sein Haus den Markt noch für unreif und das Investoreninteresse überschätzt.

Durchweg positiv beurteilen Investoren und Finanzierer die Immobilienmärkte in Fernost. Die asiatischen Märkte werden auch 2008 weiteres Wachstum erleben, prognostiziert Peter Axmann, stellvertretender Leiter Immobilienkunden bei der HSH Nordbank. Als Gründe nennt er nicht nur die wirtschaftliche Prosperität, sondern auch den hohen Zuzug von Menschen in die Metropolen, den Anstieg der Bürobeschäftigten und den zunehmenden Wohlstand. Und da die Neubautätigkeit allenfalls moderat ist, werde das Angebot an modernen, hochwertigem Büroraum knapp bleiben.

Überforderter Veranstalter

Obwohl das Transaktionsgetriebe zumindest in den westlichen Immobilienmärkten einige Gänge zurückgeschaltet wurde, läuft die Messe selbst auf Hochtouren. Mit 28 000 Besuchern sei der Vorjahreswert um zwölf Prozent übertroffen worden, jubelt der Veranstalter Reed Midem. Diesen Erfolg mag man der Mipim gönnen, freuen können sich darüber aber immer weniger Teilnehmer, denn die Veranstaltung hat ihre Grenzen längst überdehnt.

Dass den Gästen trotz exorbitanter Eintrittsgelder und Standgebühren nicht der beste Komfort zugemutet wird, daran hatten sich die meisten fast schon gewöhnt, doch nun scheint die Messe logistisch immer weniger beherrschbar zu sein: So zog sich das Zeltlager in diesem Jahr über Kilometer am Strand entlang, sodass sich der geneigte Wanderer am Ende fast schon im Nachbarort Antibes wiederfand. Derweil herrschte in den einst lauschigen Fischrestaurants eine kuschelige Enge, die Geschäftsgespräche faktisch zu einer öffentlichen Unterhaltung machte.

Und auch im Hafen drängten sich die vermieteten Yachten bis in die entfernteste Kaispitze. Wer wie die DG Hyp dort draußen ankern muss, war nur noch mit Barkasse erreichbar. Dass das Palais des Festival - von vielen verächtlich "der Bunker" genannt - ebenso wenig zur Messehalle taugt wie die Prachthotels an der Croisette den Ansprüchen an moderne Konferenzzentren entsprechen, bedarf keiner weiteren Kommentierung. Kurz: Die Mipim ist eine Immobilienmesse ohne geeigneten Veranstaltungsort.

Dieser Vorwurf richtet sich jedoch nicht allein an den Ausrichter, auch die Stadt Cannes und deren Hotellerie scheinen die Messe nicht sonderlich wertzuschätzen. So wurden just in der Messewoche gleich mehrere große Hotels wegen Renovierung geschlossen. Auf die nicht unerheblichen Übernachtungseinnahmen scheint man im mondänen Cannes leicht verzichten zu können. Angesichts dieser ungünstigen Umstände mehren sich die Stimmen, die eine Verlegung der Messe nach Paris begrüßen. Dort ließen sich fast alle Probleme, mit denen die Veranstaltung bisher kämpft, zufriedenstellend lösen. Und statt Yachten im Mittelmeer müssten es dann eben Hausboote auf der Seine sein.

Aufsehen erregende Auftritte

Nachdem sich die Deutschen in den vergangenen Jahren etwas rarer gemacht hatten, sollen sie in diesem Jahr die drittstärkste Teilnehmernation gewesen sein. Und tatsächlich wurde im Palais, am Hafen und auf der Croisette wieder öfter Deutsch gesprochen. Andere Nationen erregten allerdings deutlich mehr Aufmerksamkeit, indem sie die Frauenquote in der von Männern dominierten Besucherschar massiv anhoben. Leider korrelierte die optische Klasse an den vorwiegend osteuropäischen Ständen noch nicht immer mit der fachlichen Kompetenz. Aber das wurde wohl von der Bikini-Schönheit, die sich am rumänischen Stand unter künstlicher Sonne im Liegestuhl räkelte, auch nicht erwartet.

Insgesamt gesehen war die Mipim 2008 arbeitsorientierter als in den Vorjahren - trotz oder gerade weil die Immobilienmärkte derzeit im Wartestand verharren. Wie lange sich die Marktteilnehmer noch belauern werden, will derzeit niemand vorhersagen. Optimisten hoffen auf eine Normalisierung in sechs Monaten, andere gehen von einem wesentlich längeren Zeitraum aus. Vielleicht wird man im Oktober auf der Münchener Expo Real wieder etwas klarer sehen. L. H.

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