Aktuelles Urteil zur Erbschaftsteuer

Verfassungswidrige Bewertung

Auch wenn es mancher wie einen Paukenschlag auffassen wollte, überraschend war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer nicht. Schon seit Jahren dürfte klar gewesen sein, dass die bisherige Wertermittlung für vererbte Immobilien willkürlich und verfassungswidrig war. Denn statt wie Sachvermögen und Wertpapiere, bei denen der Verkehrswert als Steuerbemessungsgrundlage diente, wurden Grundstücke nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren mit einem pauschalen Vervielfältiger von 12,5 bewertet. Eine korrekte Bewertung der Liegenschaften war damit nicht sichergestellt, befanden jetzt auch die Verfassungsrichter.

Doch anstatt diesen offensichtlichen und im Übrigen auch längst bekannten Mangel im Gesetz schnellstmöglich zu beseitigen, hat sich der Gesetzgeber - wie leider immer öfter - vor seiner Verantwortung gedrückt und die Entscheidung nach Karlsruhe abgewälzt. Aber das Gericht soll und darf keine Gesetze machen, sondern soll deren Konformität mit dem Grundgesetz prüfen. Deshalb ist wohlgemerkt kein Urteil gegen die steuerliche Begünstigung von Immobilien und Betriebsvermögen im Erbschaftsfall gefällt worden. Sondern völlig zu Recht fordern die Verfassungshüter, dass die Privilegierung der Immobilie bei Vererbungen nicht bei der Bewertung stattfinden darf.

Fazit der Entscheidung: Vererbtes Vermögen muss für die Berechnung der Erbschaftsteuer gleich bewertet werden, doch im Interesse des Gemeinwohls dürfen selbstverständlich bei der Festlegung des Steuersatzes "Verschonungsnormen" genutzt werden. Die steuerlichen Subventionen sind dann jedoch nicht mehr verschleiert, sondern müssen politisch gerechtfertigt werden. Davor freilich scheint bisher jede Regierung zurückgeschreckt zu sein, leidet doch dieses Land an einem nicht zu vernachlässigenden Neidkomplex. Steuergeschenke an Hausbesitzer zu verteilen, bedarf in einem Land mit so hohem Mieteranteil schon einer populären Erklärung. Einfacher ist es freilich, auf die Karte der sozialen Ungerechtigkeit zu setzen und die Erbschaftsteuer zum Wahlkampfthema zu machen, wie befürchtet werden muss.

Zudem ist angesichts der klammen öffentlichen Kassen die Versuchung groß, die bevorstehende "Erbschaftswelle" für die Stopfung von Haushaltslöchern zu nutzen. Daher appelliert der IVD bereits jetzt, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht als Vollmacht zur Steuererhöhung auszulegen. Befürchtet wird jetzt, dass die Karlsruher Entscheidung auch als Anlass genommen werden könnte, den bisher geltenden Freibetrag für Vererbungen und Schenkungen von 205 000 Euro abzusenken. Dies freilich ist bei einer Wohneigentumsquote von rund 43 Prozent zwar unpopulär, aber leider nicht unmöglich. Bis Ende 2008, so haben die Richter entschieden, hat der Gesetzgeber Zeit zur Neuregelung. (Red.)

Aus der Urteilsbegründung:

"Die durch § 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs ist mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil sie an Steuerwerte anknüpft, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht genügt.

a) Die Bewertung des anfallenden Vermögens bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage muss wegen der dem geltenden Erbschaftsteuerrecht zugrunde liegenden Belastungsentscheidung des Gesetzgebers, den durch Erbfall oder Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs zu besteuern, einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel ausgerichtet sein. Die Bewertungsmethoden müssen gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden.

b) Bei den weiteren, sich an die Bewertung anschließenden Schritten zur Bestimmung der Steuerbelastung darf der Gesetzgeber auf den so ermittelten Wert der Bereicherung aufbauen und Lenkungszwecke, etwa in Form zielgenauer und normenklarer steuerlicher Verschonungsregelungen, ausgestalten."

BVerfG, 1 BvL 10/02 vom 7.11.2006, Absatz-Nr. (1 - 204)

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