Im Blickfeld

Verschoben, aber nicht aufgehoben

Alles schien zu passen: An den Börsen hellte sich trotz manch widriger Umstände die Stimmung weiter auf, Wohnungen waren als Kapitalanlagen gefragt und auch die Medien begleiteten das Unternehmen überwiegend positiv. Am Ende nützte das alles nichts, die GSW Immobilien AG musste ihren seit Monaten vorbereiteten und für den 7. Mai 2010 geplanten Börsengang absagen. Einen neuen Versuch soll es zwar geben, aber wann dies sein könnte, bleibt offen. Erst einmal müssen in der Berliner Unternehmenszentrale, Charlottenstraße 4, noch die Wunden geleckt werden.

Die Zuversicht, mit der die GSW ihren Lauf an die Börse startete, war groß und die Gesellschaft durfte sich berechtigte Hoffnungen auf einen Erfolg machen. Ende April, genau in der Phase als das Unternehmen und seine Konsortialbanken mit Road Shows um Anleger warben, veröffent-lichte die Deutsche Börse ihren Stimmungsindikator für Erstnotierungen. "Sinkende Volatilität der Aktienmärkte in Kombination mit steigenden Kursen deuten verstärkte Emissionsaktivitäten an", machte die Deutsche Börse Mut. Ein sich stetig verbesserndes Umfeld für Börsengänge sei zu erwarten. Demnach war die Stimmung so gut wie seit Dezember 2007 nicht mehr.

Dass dies alles am Ende doch nicht reichte, lag sicherlich zum Gutteil an der sich plötzlich eintrübenden Großwetterlage an den Kapital- und Aktienmärkten, aber nicht zuletzt eben auch am Unternehmen selbst. Vor allem die Griechen-land-Krise habe die potenziellen Anleger verunsichert, klagte die GSW. Denn das 110 Milliarden Euro schwere Hilfspaket für den hellenischen Pleite-Haushalt lässt einen Anstieg des Zinsniveaus in der Eurozone befürchten. Für Unternehmen mit hohem Fremdkapitaleinsatz erwachsen daraus schwer kalkulierbare Risiken. Davon sind insbesondere die teils hoch verschuldeten Immobilien-Aktiengesellschaften betroffen. Vor allem auf Wohnimmobilien fokussierte Unternehmen wie Gagfah, Colonia Real Estate und Deutsche Wohnen haben deutliche Kursverluste erlitten.

Dass in diesem Umfeld ein Börsengang der GSW gelingen könne, galt schon bald als fragwürdig, wenn nicht sogar unmöglich. So kamen nicht annähernd genügend Zeichnungswillige zusammen, um das vorgesehene Platzierungsvolumen unterzubringen. Kritisch wurde vor allem die hohe Verschuldung des Unternehmens gesehen. Mit den erhofften Emissionserlösen des Börsengangs sollte ein Kredit in Höhe von 72 Millionen Euro teilweise getilgt werden. In der Folge wäre die Loan-to-Value-Ratio nach Angaben des Unternehmens auf unter 60 Prozent gesunken. Darüber hinaus sollten mit dem frischen Kapital zinstragende EK 02-Steuerverbindlichkeiten in Höhe von 44,7 Millionen Euro beglichen werden. Allerdings steht im August 2011 ein mehr als 900 Millionen Euro schwerer Kredit zur Zinsanpassung an, für den die Investoren eine deutliche Verschlechterung der Konditionen erwarten. Auch die mit 13 Euro pro Quadratmeter im Jahr kalkulierten Instandhaltungsinvestitionen werden von einigen Marktbeobachtern als zu niedrig angesehen.

Für Verwirrung sorgte zudem die im Vorfeld des Börsengangs erfolgte kräftige Aufwertung des Immobilienvermögens der Gesellschaft, während die Liegenschaften von Wettbewerbern auf dem Berliner Wohnungsmarkt tendenziell abwerteten. In der Bundeshauptstadt besitzt die GSW rund 49000 ehemals kommunale Wohnungen und verwaltet weitere 17000 Wohnungen für Dritte. Im Zuge des angestrebten Börsennotierung kamen die unabhängigen Gutachter von CB Richard Ellis - mit gleicher Bewertungsmethode - jedoch zu einem Wert von 1870 Euro pro Quadratmeter - deutlich mehr als die GSW bisher selbst ermittelte.

Den plötzlichen Wertzuwachs begründet das Unternehmen zum einen damit, dass es den Leerstand in seinen Beständen während der letzten Monaten von 5,8 Prozent auf etwa 4,5 Prozent abgebaut hat. Zum anderen sind die Mieten im Schnitt um 3,2 Prozent angehoben worden. Beides zusammen hätte die Ertragskraft des Wohnportfolios signifikant gesteigert, was sich wiederum positiv in der Bewertung niedergeschlagen habe. Trotzdem gelang es nicht, die vor allem aus angelsächsischen Ländern stammenden institutionellen Investoren zu überzeugen.

Die vorerst gescheiterte Erstnotierung der GSW macht das altbekannte Problem der deutschen Immobilienaktien deutlich: Es fehlt ihnen an Rückhalt im heimischen Markt. Inländische Anleger investieren lieber in Immobilienfonds oder erwerben die Objekte direkt. Immobilienaktien lassen sich dagegen fast nur bei ausländischen Investoren platzieren, deren Anlageverhalten sich jedoch mehr an makroökonomischen Entwicklungen und Perspektiven orientiert als an den Potenzialen des "underlying Assets". Diese Überzeugungsarbeit vermochten ganz offensichtlich weder die GSW noch Goldman Sachs, Cerberus oder die Konsortialbanken zu leisten. L. H.

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