Im Gespräch

"Wichtig ist, dass die Spezialbankenkultur erhalten bleibt"

I& FHerr Metz, es wird wieder einmal viel über angeblichen Wohnungsnotstand in Deutschland diskutiert: Braucht es eine neue Wohnungsbaupolitik?

Steigende Preise, steigende Mieten und fehlende Wohnungen sind vor allem in den Ballungszentren und in einigen Universitätsstädten anzutreffen. Das allein ist sicherlich noch keine dramatische Entwicklung, weil es auch auf den Wohnungsmärkten immer wieder Zyklen gibt. Im Jahr 2000 waren die Preise hoch, 2003 und 2004 war ein Tiefstand erreicht. Wir sehen derzeit deutliche Nachholeffekte im Wohnungsmarkt. In der Vergangenheit wurde viel zu wenig gebaut.

Darauf wurde immer wieder hingewiesen. Und die Menschen suchen heute verstärkt nach Investitionen in Sachwerten. Das erhöht die Nachfrage zusätzlich. Befördert wird dies alles durch niedrige und damit attraktive Zinsen, aber auch von der Verunsicherung der Verbraucher durch die Staats-Schulden-Krise. Dieses Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage führt dann zwangsläufig zu steigenden Preisen. In den attraktiven Ballungsgebieten wie München, Berlin und Hamburg sehen wir im Schnitt eine parallele Entwicklung zwischen dem Anstieg der Wohnungspreise und der Mieten. Von daher kann man nicht von einer spekulativen Preis-Blase sprechen. Das soll nicht heißen, dass es keinen Handlungsbedarf gibt. Im Gegenteil: Dieser konzentriert sich vielmehr auf ausgewählte Regionen, in der Regel auf Zuzugsgebiete. Dazu zählen natürlich nicht nur Ballungszentren, sondern insbesondere auch Mittelzentren.

I& F Aber wie kann man dieser Entwicklung entgegenwirken, sie vielleicht sogar verbessern?

Es sind eine Reihe von Möglichkeiten denkbar. Zum einen könnten die Kommunen ihren Beitrag leisten, indem sie mehr Bauland zur Verfügung stellen. Brach- und Konversionsgrundstücke, die durchaus noch vorhanden sind, könnten in Bauland für den Wohnungsbau umgewidmet werden. Dazu gehört auch die Bereitstellung von attraktivem Bauland für junge Familien. Viele sind angesichts der Grundstückpreise mit ihren Mitteln schon am Limit und machen dann bei den Neubauten Abstriche, was der Substanz aber nicht gut tut.

Zudem könnten bessere Möglichkeiten der Umwidmung von Gebäuden gerade in Studentenstädten geschaffen werden. Der Bedarf für Ein- oder Zwei-Zimmer-Appartements kann nicht gedeckt werden, wenn bestehende Gebäude nicht bedarfsgerecht umgebaut werden können. Schließlich würde ich mir mancherorts eine flexiblere Handhabung des kommunalen Wohnbaurechts wünschen. Es gibt immer noch viele teils rigide Restriktionen, was zum Beispiel den Abstand zum Nachbarhaus oder die Dachneigung angeht. Das nimmt Möglichkeiten, den veränderten Wünschen der Menschen Rechnung zu tragen, beispielsweise in Form von Mehr-Generationen-Häusern.

I& F Hat man diese Probleme in den vergangenen Jahren, als es keine Diskussionen gab, ein bisschen aus den Augen verloren?

Es war sicherlich aus kommunaler Sicht wenig Notwendigkeit vorhanden, sich damit auseinanderzusetzen und aus Investorensicht fehlte die Attraktivität. Nun ist der Druck da. Steigende Preise und Mieten in den Ballungszentren sind unbestritten aktuell ein Thema, aber man sollte auf keinen Fall hergehen und glauben, steigende Mieten seien zu beseitigen, in dem man sie deckelt. Vielmehr müssen Anreize geschaffen werden, dass mehr Wohnraum entstehen kann. Dabei warne ich aber davor, Förderung mit der Gießkanne wahllos auszuschütten. Die Anreize müssen wohlüberlegt gesetzt sein, damit sie wirklich an den richtigen Stellen ankommen und entsprechend bei den Bürgern wirken.

I& FWenn Sie drei Wünsche an die Wohnungsbaupolitik frei hätten, wie sähen die aus?

Zunächst einmal: Eine passgerechte Förderung beispielsweise durch gezielte Anreizsysteme für junge Familien. Und dann ein Umdenken in der kommunalen Wohnungsbaupolitik verbunden mit besseren Möglichkeiten für private Investoren, neuen Wohnraum zu schaffen.

I& F Das sind aber nur zwei Wünsche?

Den dritten Wunsch würde ich weniger unter Wohnungsbau-Politik einordnen, sondern eher unter Altersvorsorge. Ich meine den Wohn-Riester und plädiere dafür, dass die bereits angedachten Änderungen baldmöglichst umgesetzt werden. Der Wohn-Riester ist ein wirklich gutes Förder-Instrument mit einem hohen Nutzen für den Sparer. Bislang werden nur Kauf und Bau gefördert, aber keine Umbaumaßnahmen. Das kann in Zeiten einer älter werdenden Bevölkerung und eines steigenden altersgerechten Umbaubedarfs nicht zielführend sein.

I& F Sie erwähnen eine bessere zielgerichtete Förderung: Geht das überhaupt? Kann Förderung effizient sein oder führt sie nicht immer zu unerwünschten Nebeneffekten in Form von Übertreibungen oder Verzerrungen?

Für effiziente Förderung sind zwei Dinge entscheidend: Zum einen muss das Anreizsystem so gestaltet sein, dass das Förderziel auch bestmöglich erreicht werden kann. Zum Zweiten muss die Förderung konsequent und mit dem Willen aller Beteiligten erfolgen. Das ist leider nicht immer der Fall, wie das Beispiel der energetischen Sanierung zeigt. Manchen Ländern war der Vorschlag des Bundes zu teuer. Deshalb haben sie die Beteiligung verweigert. Dadurch wurde das Programm verschoben, was aber am Ende nur zu einem Investitionsstau geführt hat. Nun läuft das Programm abgespeckt auf dem Umweg über die KfW. Das kann nicht gewollt sein - insbesondere dann nicht, wenn man sich das eigentliche Ziel vor Augen hält: Energiesparende Maßnahmen in breiten Bevölkerungskreisen zu beschleunigen.

I& F Empfinden Institute wie das Ihre die politisch motivierten Aktivitäten der KfW als Konkurrenz, als ärgerlich?

Vorweg: Die KfW ist ein gut aufgestelltes, aktives und bewährtes Institut. Aber natürlich beobachten wir, dass der KfW immer mehr Aktivitäten in der klassischen Wohnungsbaufinanzierung übertragen werden. Das ist nicht originäre Aufgabe einer Förderbank, wird aber sozusagen als Ersatz für mangelnde staatliche Aktivitäten durchaus politisch befördert.

I& F Würde mehr Eigentumsbildung die "Wohnungsnot" lösen?

Unsere gesellschaftspolitische Aufgabe als Bausparkasse ist es, den Menschen zu Wohneigentum zu verhelfen. Trotzdem sollte man aus sozialpolitischen Gesichtspunkten heraus keinen künstlichen Gegensatz zwischen Eigentum und Miete konstruieren.

Schließlich haben viele heutige Eigentümer als Mieter und Bausparer begonnen. Das Bedürfnis der Menschen, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, ist ja ungebrochen. Das ist aber kein Widerspruch beispielsweise zu einer sozial orientierten Wohnungsbaupolitik. Diese war und ist wichtig. Nicht alle Engpässe können durch Eigentumsbildung aufgelöst werden, das würde nur wieder zu Preissteigerungen führen. Richtig ist auch, dass die Vorschriften des Mietrechts bisweilen hinderlich sind: Ein Hausbesitzer, der ein Objekt energetisch saniert, kann die entstandenen Kosten nur zu einem kleinen Teil weitergeben, obwohl es doch gerade den Mietern zugutekommt.

I& F Haben Sie Verständnis für das verstärkte Interesse der Aufsichtsbehörden an den Bausparkassen, die in diesen Bereichen sicherlich systemrelevante Spieler sind?

Ich kann nicht feststellen, dass es eine erhöhte Aufmerksamkeit an unserer Branche gibt. Aber natürlich sind die Bausparkassen von der allgemeinen Regulatorik, die über alle Kreditinstitute ausgerollt wird, an einigen Stellen betroffen. Diese Regulierung halte ich nicht für differenziert genug, weil sie den vorhandenen Risiken nicht angemessen Rechnung trägt. Bausparkassen sind risikoarme Institute, sie sind per se nicht systemrelevant und sie haben sich in der Finanzkrise bestens bewährt. Das wird auch die Aufsicht so sehen.

Wenn Sie mit Ihrer Frage auf die neuen Aufsichtsstrukturen unter der EZB anspielen: Es war immer mal wieder zu hören, dass durch die Festlegung der Größenordnung auf eine Bilanzsumme von 30 Milliarden Euro zwei Bausparkassen - unter anderem Schwäbisch Hall - ab dem kommenden Jahr von der EZB beaufsichtigt werden sollten. Doch es kann kaum gewollt sein, dass bei einer Behörde wegen zweier Institute entsprechendes Know-how aufgebaut werden müsste. Die Erfahrung und Kompetenz der BaFin hat sich bestens bewährt. Es wäre nicht sinnvoll, noch eine zusätzliche Fachaufsicht einzuführen.

I& F Nun ist Schwäbisch Hall doch Teil der DZ-Bank-Gruppe und wird auf diesem Wege ohnehin von der EZB überwacht?

Eine solche Lösung ist vernünftig. Wogegen wir uns als Bausparkasse aussprechen würden, wäre eine Art "Doppel-Beaufsichtigung" über die Zugehörigkeit zur DZ-Bank-Gruppe und als Einzelinstitut durch die EZB.

I& F Unabhängig von der Beaufsichtigung durch die EZB, welche anderen Punkte stören Sie an den neuen regulatorischen Anforderungen aus Sicht einer Bausparkasse?

Das Bausparkassen-Gesetz hat in der Vergangenheit für sehr solide Verhältnisse gesorgt und die Branche vor Schaden, vielleicht auch vor mancher Unüberlegtheit bewahrt. Daher wäre es im Prinzip die einfachste Variante, die Bausparkassen von den europäischen Regelungen auszunehmen, da der Branche bereits eine besondere Behandlung durch ihren Status als Spezialbank widerfährt. Mir ist auch klar, dass dies aus Gründen einer einheitlichen europäischen Regelung natürlich wenig realistisch ist.

Die Harmonisierung muss aber dort enden, wo die bewährte Diversifizierung in Deutschland gefährdet ist. Wir haben hierzulande gerade in der Finanzkrise mit dieser Vielfalt der Bankenlandschaft gute Erfahrungen gemacht. Insbesondere die Eigenkapitalbildung, wie sie gerade durch die Bausparkassen gefördert wurde und wird, ist ein gewichtiges Argument und ein Merkmal, um das uns viele andere Länder beneiden. Es ist wichtig, dass diese Spezialbankenkultur in Deutschland erhalten bleibt.

Und es ist wichtig, dass die Institute nicht durch immer mehr Vorschriften überfordert werden. Regulierung darf nicht zur Strangulierung werden. Ein Drittel aller Investitionen bei Schwäbisch Hall ist mittlerweile Aufwand für den regulatorischen Bereich. Die laufende Erfüllung der Vorschriften belastet Mitarbeiter und Systeme, die sich eigentlich um den Markt und um die Kunden kümmern sollten.

I& F Gibt es noch Möglichkeiten, hier Erleichterungen auszuhandeln? Ist die Lobbyarbeit der Bausparkassen professionell genug?

Interessenvertretung ist für Bausparkassen deshalb besonders wichtig, weil es sich um eine deutsche Spezialität handelt, die zwar in Österreich und mehreren Ländern in Osteuropa sehr erfolgreich funktioniert, darüber hinaus aber kaum bekannt ist. Wir müssen deshalb insbesondere in der EU unser System, unseren Auftrag und unsere Sicherheitsphilosophie immer wieder erläutern. Insofern plädiere ich für eine einheitliche Interessenvertretung der Branche. Dafür gibt es schon gute Beispiele wie etwa die EuBV in Brüssel oder die Arbeitsgemeinschaft der Bausparkassen in Baden-Württemberg, wo lagerübergreifend gemeinsam gehandelt wird.

Hinzu kommt, dass Institute wie Schwäbisch Hall auch eigene Interessenvertretung betreiben müssen. Das ist eine Ergänzung der Aktivitäten der Verbände. Manche Themen betreffen eben nur uns. Denken Sie an unsere Auslandsaktivitäten oder das Thema Systemrelevanz. Da muss man dann in Eigenregie handeln.

Systemmarketing für Bausparkassen ist enorm wichtig, und die Politiker, die sich mit den Eigenheiten von 27 Ländern auseinandersetzen müssen, sind für jede Hilfe, für jede sachgerechte Erläuterung dankbar. Gutes und effizientes Eintreten für die Belange der Branche kann hier einiges erreichen.

I& F Sie haben das Bausparkassengesetz angesprochen: Sind die Vorschriften noch zeitgemäß oder gibt es aus Ihrer Sicht Anpassungsbedarf?

Das Bausparkassengesetz ist ein gutes und in allen Krisen bewährtes Gesetz. Es hat die Branche vor Schaden bewahrt, es sorgt für Stabilität und es gibt den Kunden das Vertrauen in das Produkt. Aber es ist nun auch schon mehr als zwei Jahrzehnte alt. Von daher würde es leichte, aber keinesfalls grundlegende Veränderungen durchaus vertragen.

So wäre es begrüßenswert, wenn es im Gesetz ein Ventil für die Refinanzierung beispielsweise über den Pfandbrief gäbe. Eine eigene Pfandbriefrefinanzierung einer Bausparkasse ist derzeit noch nicht zulässig. Aber das starke Wachstum in der Baufinanzierung, die in Form der Vor- oder Zwischenfinanzierung in zunehmendem Maße außerhalb des Kollektivs erfolgt, erfordert vorsorglich eine entsprechende Öffnung.

Dann ist derzeit das Zusammenlegen von Kollektiven außerordentlich kompliziert. Das behindert natürlich ein Stück weit auch eine Konsolidierung in der Branche. Hier könnte ich mir eine flexiblere Handhabung vorstellen.

Ich möchte aber noch einmal festhalten: Das Gesetz darf im Kern weder abgeschwächt noch aufgeweicht werden - es geht lediglich um einige wenige sinnvolle Ergänzungen mit Blick auf die sich verändernden Anforderungen an die Institute.

I& F Verändert sich durch die starke Zunahme der außerkollektiven Finanzierungen der Charakter des Bausparens, wandelt es sich vom Spar- zum Konsumprodukt?

Nein, denn auch die Vor- und Zwischenfinanzierungen sind immer mit Bausparverträgen unterlegt.

Die Einstellung der Menschen gegenüber dem Bausparen hat sich in den vergangenen Jahren weiter verbessert. Unser Produkt genießt ein hohes Vertrauen. Dass die Darlehen derzeit nicht in dem Maße wie früher abgerufen werden, hängt eindeutig mit dem niedrigen Zinsniveau zusammen. Strukturell gleichen wir diese geringere Inanspruchnahme durch ein höheres Sofortfinanzierungsgeschäft aus.

I& F Wie kann eine Bausparkasse diesem Trend entgegenwirken?

Durch eine Anpassung der Tarife, wie wir sie jetzt zum 1. April vorgenommen haben. Nach unseren Planungen wird die Inanspruchnahme der Kollektivdarlehen in den kommenden Jahren wieder spürbar zunehmen, weil die Darlehenszinsen auf ein höchst attraktives Niveau gesenkt werden. Damit rücken wir gleichzeitig wieder mehr ins Bewusstsein, dass Bausparen nicht nur sparen bedeutet, sondern auch bauen oder modernisieren.

I& F Wie tief können die Guthabenverzinsungen noch sinken, ist mit 0,25 Prozent der untere Punkt erreicht?

Eine negative Verzinsung kann ich mir natürlich nicht vorstellen. Entscheidend ist doch der Nutzen für den Kunden, den er durch die historisch niedrigen Darlehenszinsen hat und die wir ihm jetzt für einen langen Zeitraum garantieren. Und entscheidend ist für das Unternehmen die Marge. Die muss auskömmlich sein, um das Leistungsversprechen gegenüber den Kunden einhalten zu können.

I& F Entstehen dadurch nicht zusätzliche Risiken, wenn die Zinsen in Zukunft steigen werden?

Nein. Es ist ja unser Geschäft, das so auszutarieren, dass wir das beherrschen können. Wenn die Zinsen signifikant steigen sollten, würden wir natürlich mit unserer Tarifpolitik gegensteuern. Das bedeutet auch, dass wir bestimmte Tarife reglementieren oder kontingentieren. Das ist Managementaufgabe.

Wir werden jedenfalls auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren, so wie wir das in der Vergangenheit immer getan haben. Eine andere Frage ist, wohin sich die Zinsen entwickeln. Doch dazu müsste man in die Glaskugel schauen können. Wir können das nicht, rechnen aber zumindest kurz- und mittelfristig nicht mit gravierenden Änderungen des Zinsniveaus.

I& F Kann denn jeder Anbieter auf die Niedrigzinsphase reagieren oder sind Ausfälle zu befürchten?

Es liegt naturgemäß im Interesse aller Häuser, dass die Branche intakt ist und intakt bleibt. Negativ-Schlagzeilen betreffen immer alle. Der kürzlich durchgeführte Stresstest der BaFin hat nach unserer Wahrnehmung keinerlei Auffälligkeiten ergeben. Danach haben alle Häuser die Zinsänderungsrisiken im Griff. Das ist schon mal eine gute Nachricht. Für eine detaillierte Beurteilung der Situation bei den anderen Instituten fehlt mir der Einblick.

I& F Sie haben die gesetzlichen Hinderlichkeiten für die Konsolidierung der Branche angesprochen: Schwäbisch Hall ist bislang vor

allem organisch gewachsen, wollen Sie das ändern? Nein, wir sind mit unseren Wachstumszahlen sehr zufrieden. Eine Fusion oder Übernahme würde zum einen die Komplexität erhöhen, zum anderen haben wir einen starken, bewährten Vertriebsweg mit den Volks- und Raiffeisenbanken. Das Erfolgsmodell von Schwäbisch Hall ist das Erfolgsmodell der Genossenschaftsbanken. Solange wir organisch wachsen, quantitativ ebenso wie qualitativ, ist das völlig in Ordnung. Andere Vertriebswege müssen in diese bewährte Partnerschaft passen und sowohl uns als auch den Genossenschaftsbanken einen Mehrwert bringen.

I& F Welche Wachstumschancen hat Schwäbisch Hall, welche Wachstumschancen hat das Bausparen in Deutschland noch?

Enorm große, auch wenn in Deutschland im Schnitt jeder zweite Haushalt heute schon einen Bausparvertrag hat. Durch die Energiewende steigt der Finanzierungsbedarf in allen Haushalten an, und es sind noch lange nicht alle Wohnungsbestände saniert. Da steckt noch ein riesiges Potenzial. Denn das Produkt Bausparen ist dafür geradezu wie geschaffen. Eine Energiewende ohne das Bausparen ist nur schwer denkbar.

Das zweite große Thema ist altersgerechtes Wohnen. Erst ein Prozent des Wohnungsbestandes ist "barrierearm", noch nicht einmal "barrierefrei". Die Menschen möchten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben - und sie werden immer älter. Im Umbau der Wohnungen steckt noch erheblicher Investitionsbedarf.

Auch dafür ist der Bausparvertrag bestens geeignet. Man darf im Übrigen auch nicht vergessen, dass die Sozialkosten für diese immer älter werdende Bevölkerung schon jetzt hoch sind und noch deutlich steigen werden. Von daher besteht auch ein politisches Interesse daran, dass die älteren Menschen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können. Doch diese muss dafür ausgerichtet sein.

I& F Wie haben sich die Wettbewerbsverhältnisse verschoben: Spüren Sie die Konkurrenz neuer Wettbewerber wie beispielsweise Versicherungen?

Das typische Bausparkassengeschäft ist sehr kleinteilig und damit nicht für jedermann attraktiv. Der durchschnittliche Bausparvertrag liegt bei 32 000 Euro. Weder Hypothekenbanken noch Versicherungen präferieren dieses Geschäft, sondern suchen eher größere Finanzierungsabschnitte.

Das zeigen auch die Zahlen: Zwischen 2002 und 2012 hat sich das Baufinanzierungsvolumen von Schwäbisch Hall verdreifacht. Wir spüren einen gesunden, aber keinen übertrieben harten Wettbewerb.

I& F Welche Rolle spielt hierbei die Neuausrichtung der DG Hyp und der damit verbundene Abschied aus der privaten Wohnungsbaufinanzierung?

Das hat uns natürlich einen zusätzlichen Schub gegeben, war aber nicht allein maßgeblich für die sehr positive Entwicklung unseres Baufinanzierungsgeschäfts.

I& F Vermitteln die Genossenschaftsbanken Schwäbisch Hall auch als Anschlussfinanzierungen für die eigenen Hypotheken?

Das ist nur ein kleiner Teil des Volumens, das die Volks- und Raiffeisenbanken mit uns machen. Es ist ein Baustein des Gesamtangebots der genossenschaftlichen Finanzgruppe.

I& F Ist denn davon auszugehen, dass die Zinsüberschüsse angesichts des niedrigen Zinsniveaus in den kommenden Jahren zurückgehen werden? Welche Möglichkeiten hat man da gegenzusteuern?

Die Margen geraten natürlich unter Druck. Daneben führt die Zurückhaltung der Kunden bei der Inanspruchnahme der Bauspar-Darlehen zu einer erhöhten Überschussliquidität, die angelegt werden muss. Auch hier erzielen wir - im Gegensatz zu früher - natürlich geringere Renditen. Das heißt, der Zinsüberschuss kann nur durch zusätzliche Volumina wachsen oder wir müssen durch Kostensenkungsmaßnahmen gegensteuern.

Zur Kostenseite: Ein Unternehmen ist niemals fertig damit, die Effizienz zu verbessern, auch wenn natürlich alle Häuser, Schwäbisch Hall eingeschlossen, bereits in der Vergangenheit solche Maßnahmen ergriffen haben.

Es gibt gute Beispiele für weitere kostensenkende Maßnahmen: etwa die Online-Einreichung der vom Außendienst und den Banken abgeschlossenen Verträge. Da ist noch Potenzial, das wir heben möchten. Wir wollen unsere Partner motivieren, möglichst kein Papier mehr einzureichen, sondern die Aufträge elektronisch zu übermitteln.

I& F Wie macht man das, über höhere Gebühren für die Papierform?

Diese prozessualen Verbesserungen helfen den Banken und unserem Außendienst. Eine Prozessoptimierung ist aber auch im Kundeninteresse. Beispielsweise dauerte früher die Bearbeitung eines Kreditwunschs mehr als eine Woche, heute bekommt der Kunde während des Gesprächs die Sofortzusage von seiner Bank oder seinem Berater und innerhalb von zwei Tagen ist der Vertrag abgeschlossen. So etwas wäre noch vor fünf Jahren undenkbar gewesen. Wichtig ist, dass man Anstöße für Verbesserungen nicht nur von Unternehmen aus der eigenen Branche bekommt, sondern sich Anregungen bei den besten Prozessmanagern der Industrie holt. Das tun wir.

I& F Ist es möglich, auch über niedrigere Provisionen für die vermittelnden Banken nachzudenken?

Eine Bausparkasse hat zwei große Kostenblöcke: Verwaltungsaufwand und Provisionsaufwand. An beiden Schrauben muss man drehen, wenn dies erforderlich ist. Denn auch unsere Bankpartner haben ein Interesse an einer gesunden und stabilen Bausparkasse. Und wir sind gesund und stabil und wollen es auch bleiben.

I& F Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeitsteilung innerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe und innerhalb des DZ-Bank-Konzerns?

Sehr zufrieden. Natürlich würde auch Schwäbisch Hall eine Fusion der Rechenzentren begrüßen, da bei Produkten, die bundesweit vertrieben werden, die aber auf unterschiedliche IT-Systeme treffen, doppelter Aufwand entsteht. Aber die Arbeitsteilung insgesamt funktioniert ausgezeichnet.

I& F Wie sehen die Ertrags- und Gewinnziele von Schwäbisch Hall unter den besprochenen Rahmenbedingungen aus?

Es gilt, den drohenden Rückgang im Zinsergebnis durch entsprechende Kostensenkungen aufzufangen. Aber es ist auch wichtig, die Zukunft nicht aus dem Auge zu verlieren. Das Haus muss wetterfest und zukunftssicher gemacht werden. Deshalb investieren wir kräftig weiter - in strategische Projekte, in den Markt und in die Menschen. Insgesamt haben wir erneut rund 50 Millionen Euro bereitgestellt. Knapp die Hälfte davon geben wir für die räumliche Erneuerung und Erweiterung unseres Stammsitzes aus. Und leider ist auch ein erheblicher Teil des Geldes notwendig, um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen.

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