Schwerpunkt: Genossenschaften in der Immobilienwirtschaft

"Die Kunden haben einen großen Bedarf an sicheren, mit realen Werten unterlegten Investmentprodukten"

I& F Wie fühlt man sich im Moment als Manager der "sterbenden Spezies" Offener Immobilienfonds?

Ohne jetzt in unpassenden rosa Tönen zu malen, von einer sterbenden Spezies kann keine Rede sein. Denn von den negativen Meldungen rund um die Offenen Immobilienfonds spürt Union Investment nichts. Nachdem wir bereits 2010 und 2011 sehr hohe Mittelzuflüsse verzeichneten, ist 2012 mit bis jetzt netto 1,7 Milliarden Euro erneut ein Spitzenjahr, und auch andere Anbieter haben sehr gute Mittelzuflüsse

I& F Wie erklärt sich das?

Aktuell ist der Offene Immobilienfonds für den Anleger das richtige Produkt. Dieses Maß an Sicherheit, Beständigkeit und Substanzerhalt zu wettbewerbsfähigen Renditen bietet derzeit kein anderes Produkt.

I& F Das klingt so, als hätte es das gute Dutzend Fondsschließungen und -auflösungen in den letzten zwei Jahren nicht gegeben. Die Branche befindet sich - vor dem Hintergrund der jüngsten Gesetzesinitiative der Bundesregierung - faktisch in Auflösung. Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?

Sie sprechen den aktuellen Entwurf des Bundesfinanzministeriums zum Kapitalanlagegesetzbuch an. Dieser Entwurf sieht vor, dass keine neuen Offenen Immobilienfonds mehr aufgelegt werden sollen. Die Bestände werden aber geschützt, und zwar aus gutem Grund. Denn die Anleger der Fonds, die weiterhin offen sind, sind sehr zufrieden mit ihrem Investment. Daran muss nichts geändert werden.

Im übrigen werden unsere Anleger über das, was in der Branche und im regulatorischen Umfeld passiert, immer sehr zeitnah durch die Bankberater in den Volks- und Raiffeisenbanken, die unseren ausschließlichen Vertriebsweg darstellen, informiert. Die Vertriebsmitarbeiter sind flächendeckend verteilt und sehr nah am Kunden. Die erforderlichen Informationen werden von uns aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Da brennt nichts an.

I& F Sie erwarten also keine negativen Folgen, wenn die AIFM-Richtlinie so umgesetzt wird, wie im Gesetzentwurf vorgesehen?

Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens kann der Entwurf noch viele Änderungen erfahren. Die AIFM-Richtlinie formuliert nur Anforderungen an die Fondsmanager, doch die von der Bundesregierung vorgeschlagene Umsetzung in nationales Recht ist bezüglich der Offenen Immobilienfonds ein von der Europäischen Kommission so nicht vorgesehener Produkteingriff. Dagegen wehren sich nicht nur die Interessenvertreter der Kapitalanlagegesellschaften, sondern auch viele andere Verbände. Zudem wäre es wünschenswert, erst die Folgen des 2013 in Kraft tretenden Anlegerschutzgesetzes abzuwarten, bevor die Regeln schon wieder verändert werden.

Aber ist es nicht verständlich, dass der Gesetzgeber nach der Entwicklung bei einer ganzen Reihe von Offenen Immobilienfonds und dem offensichtlichen Unvermögen der Branche, Lösungen selbst zu erarbeiten oder vorzuschlagen, jetzt handelt und nach jahrelangem Hickhack Tabula rasa macht?

I& F Wie schon gesagt, geht es nicht um Tabula rasa, sondern um angemessene gesetzliche Regelungen, die Fondsschließungen in Zukunft möglichst unwahrscheinlich machen.

Mittlerweile wird aber mit dem Hansaimmobilia auch ein Fonds liquidiert, der bislang noch nicht die Anteilscheinrücknahme ausgesetzt hatte. Wird es doch Zeit für einen Nachruf auf das

Produkt? Der Fonds ist in mehrerer Hinsicht ein Sonderfall und nicht mit den anderen, in Liquidation befindlichen Fonds vergleichbar. Es dürfte hier eher an der kritischen Masse für eine breite Diversifikation gefehlt haben, sodass die Entwicklung des Fonds wohl nicht den Erwartungen entsprochen hat. Im eigentlichen Sinne wird daher der Fonds auch nicht aufgelöst, sondern faktisch in einen Spezialfonds überführt.

I& F Was wird aus den Offenen Immobilien-Publikumsfonds für institutionelle Investoren, wenn die neuen Anlegerschutzregeln mit den

begrenzten Auszahlungs- und Rückgabelimiten in Kraft treten? Unser einziger Immobilien-Publikumsfonds für institutionelle Investoren enthält bereits seit seiner Auflage im Jahr 2004 Vertragsbedingungen, die über die bisher geltenden gesetzlichen Regelungen hinausgehen. So wird ein Rückgabeabschlag vorgenommen, wenn bei der Rückgabe der Anteile eine 18-monatige Ankündigungsfrist nicht berücksichtigt wird. Die ab 2013 für alle Arten von Publikumsfonds geltenden gesetzlichen Regelungen sehen künftig eine Mindesthaltefrist von zwei Jahren und eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten vor, allerdings mit Freibeträgen von 30 000 Euro pro Kalenderhalbjahr. Für die Anleger in unserem institutionellen Fonds wie auch für die Anleger in den für Privatkunden vorgesehenen Fonds sind das akzeptable Bedingungen.

I& F Das heißt, die institutionellen Investoren kommen aufgrund ihrer höheren Anteilssummen nur langsam aus dem Fonds heraus. Ist es dann noch das richtige Produkt für diese Anleger?

Das ist es weiterhin. Zum einen kennen die Anleger die gesetzlichen Regelungen und wissen, dass es ein langfristiges Investment ist. Zum anderen hätten sie die Möglichkeit, in einen Spezialfonds zu investieren. Sie haben sich jedoch bewusst für einen Publikumsfonds entschieden, weil hier mit relativ kleinen Summen mit vielen anderen Anlegern gemeinsam investiert werden kann. Wir sprechen hier über sechsstellige, allenfalls niedrige siebenstellige Euro-Beträge, die von den Investoren - nicht nur Banken, sondern auch Adressen aus der Industrie - angelegt werden. Trotzdem summieren sich diese Mittel auf ein Fondsvolumen von immerhin zwei Milliarden Euro. Die Nachfrage ist derzeit so groß, dass wir den Vertrieb sogar dämpfen mussten.

I& F Was erwarten die Vertriebe von der Union Investment Real Estate hinsichtlich Produktqualität und Informationen zu Märkten und politischen Rahmenbedingungen?

Der Offene Immobilienfonds ist seit Jahrzehnten ein Standardprodukt für die Volksbanken und Raiffeisenbanken und bedarf von daher keiner besonderen Erklärung. Dass der Informationsbedarf derzeit besonders groß ist, liegt weniger an der politischen Debatte, wie die Fonds und ihre Manager künftig zu regulieren sind, sondern vielmehr an der hohen Nachfrage nach dem Produkt und weil es relativ wenig alternative Anlageformen

dazu gibt. So stehen Fragen zur Entwicklung der Immobilienmärkte im Vordergrund und wie die Immobilienfonds der Union Investment die sich daraus ergebenden Chancen nutzen wollen. Das Interesse am Bestandsmanagement, an der An- und Verkaufs- sowie der Vermietungsstrategie ist deutlich größer als an den regulatorischen Änderungen.

I& F Wird der REIT attraktiver, wenn der Offene Fonds immer weiter reglementiert wird?

Der REIT ist kein Substitut des Offenen Immobilienfonds. Es sind zwei völlig unterschiedliche Produkte, die zwar ähnliche Ziel-Assets haben, aber doch ganz andere Risiko-Rendite-Profile aufweisen. REITs sind Aktien und hängen mehr von der Stimmung an den Börsen ab als von den Immobilienmärkten, bieten dafür aber auch die Chance auf höhere Renditen. Investoren werden Offene Fonds stets mit schwankungsarmen Anlagen vergleichen, während sie REITs im Rahmen ihrer Aktienanlagen betrachten.

I& F Wie sieht die Zukunft der Offenen Immobilienfonds in der genossenschaftlichen Finanzgruppe aus?

Da die Kunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken überwiegend bodenständige, konservative Anleger sind, haben sie einen großen Bedarf an sicheren, mit realen Werten unterlegten Investmentprodukten. Wie gut es uns gelingt, diesen Ansprüchen gerecht zu werden, zeigen die Vertriebserfolge der Fonds. Aber auch das Fondsgeschäft unterliegt Zyklen. Wenn die Zinsen steigen, werden für die Kunden wieder andere Anlageprodukte interessanter, bei denen sie schneller am Zinsanstieg partizipieren können.

I& F Nun können große Immobilien- fonds ihren Bestand nicht von heute auf morgen drehen, um eine bessere Performance zu erreichen. Warum atmen die Fondsrenditen dann so stark mit der Zinsentwicklung?

In der langfristigen Betrachtung können aus dem Cash-Flow und der Wertentwicklung der Liegenschaften Renditen zwischen vier und fünf Prozent erzielt werden. Aber zwei Effekte kommen hinzu. Zum einen ist Liquidität vorzuhalten, weil dies gesetzlich so vorgeschrieben ist und zusätzlich, um Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Darüber hinaus halten wir noch einmal zehn Prozent des Fondsvermögens als freie Mittel für außerplanmäßige Anteilscheinrückgaben und Ankäufe vor. Da Liquidität derzeit jedoch sehr gering verzinst wird, drückt dies auf die Fondsperformance. Zum anderen wirkt bei den Immobilienwerten und Mieten noch die Finanzmarktkrise nach. Der zwischenzeitliche Aufschwung war zu kurz, um im Bestand Wirkung zu zeigen, sodass wir gegenwärtig per saldo keinen nennenswerten Anstieg der Immobilienwerte erleben.

I& F Wie schnell lassen sich die Mieten im Bestand anpassen?

Pro Jahr laufen etwa zehn Prozent der Mietverträge aus, sodass der gesamte Bestand innerhalb von zehn Jahren etwa einmal umgeschlagen wird. Damit ist der Spielraum, an kurzfristigen Mietpreissteigerungen teilzuhaben, relativ gering. Umgekehrt ist aber auch das Rückschlagspotenzial in der Cash-Flow-Rendite gering, wenn das allgemeine Mietniveau fällt.

I& F Wir erleben derzeit einerseits eine stärkere Rückbesinnung der Immobilienkapitalanleger auf ihre jeweiligen Heimatmärkte und andererseits ein starkes Interesse institutioneller Investoren an deutschen Immobilien. Registrieren Sie auch eine Verschiebung der Nachfrage von international investierenden hin zu deutschlandlastigeren Immobilienfonds?

Diesen Trend spüren wir. Der Deutschlandfonds ist momentan gefragt, weil Deutschland gefragt ist. Deshalb haben wir den Fonds zeitweise auf unserer Vertriebsampel auf "rot" stellen müssen, um nicht zuviel Liquidität zu bekommen.

Nachdem wir in diesem Jahr bereits Immobilien im Wert von 1,1 Milliarden Euro für den Fonds erworben haben, konnten wir diesen Anfang September wieder auf "grün" stellen.

Welche Immobilienmärkte gerade im Fokus der Anleger stehen, hängt im Wesentlichen von der jeweiligen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ab. So bestand in den Jahren 2004 und 2005 kaum Interesse an hiesigen Objekten. Dann entstand ein internationaler Run auf deutsche Immobilien, der sich mit der Finanzmarktkrise wieder abkühlte. Aktuell steht Deutschland erneut hoch in der Gunst der institutionellen Anleger aus aller Welt, sodass die Preise - zumindest für Qualitätsobjekte - deutlich gestiegen sind. Ob das so bleiben wird, hängt auch davon ab, wie stark Deutschland für die Bewahrung des Euro zur Kasse gebeten wird. Noch bessere Perspektiven als in Europa sehen wir aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklungen in den nächsten Jahren in Nordamerika und in einigen asiatischen Ländern.

I& F Welche Märkte stehen außerdem auf der Einkaufsliste Ihres Hauses?

Wir schauen uns derzeit die skandinavischen Märkte genauer an, insbesondere Finnland. Schweden ist momentan zu teuer. Nach wie vor sind London und Paris wichtige Standorte, aber auch in den Benelux-Staaten investieren wir.

Interessant ist auch Polen. Tschechien ist nur bedingt attraktiv und Südeuropa meiden wir derzeit ganz. In Asien beschäftigen wir uns aktuell insbesondere mit Singapur und Südkorea.

I& F Wie gut funktioniert die Vertriebsampel?

Sie funktioniert einwandfrei. Der Vertrieb erkennt an, dass es sich um eine Maßnahme zum Schutz der Anleger in den Fonds, also seiner Kunden, handelt.

I& F Als in der Hochphase Offener Immobilienfonds sehr viele neue Produkte auf den Markt kamen, wurde mit Ratings versucht, die Qualität der Objekte und des Managements vergleichbar zu machen. Welchen Sinn haben diese Beurteilungen noch, nachdem die Zahl der Anbieter und Fonds auf eine Restgruppe zusammengeschrumpft ist?

Die Fondsratings sollten weitergeführt werden. Zwar ist die Zahl der Produkte deutlich geschrumpft, doch darf nicht vergessen werden, dass die verbleibenden Fonds immer noch rund 60 Milliarden Euro verwalten. Dies rechtfertigt durchaus, dass unabhängige Agenturen den Umgang mit diesen Anlegergeldern beobachten und beurteilen. Dass künftig neben Scope auch Feri Fondsratings durchzuführen will, spricht dafür, dass im Markt ein großes Interesse an solchen Einschätzungen besteht.

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