Leitartikel

Wozu REITs? - Pro und Kontra

Noch ist in Sachen deutscher REIT nichts entschieden; noch tobt die
Diskussion über das Ob und Wie. Und weil das Thema nun schon so lange
den öffentlichen Raum beherrscht, wurde die Schar derer, die sich zur
Teilnahme am Disput berufen fühlen, immer größer, der Chor immer
vielstimmiger. Ein Dirigent, der den Kanon zur Harmonie und zu einem
wohlklingenden Ganzen führen könnte, fehlt bis jetzt. So sind sich
auch die Befürworter der REITs uneins, ob das Vehikel börsennotiert
sein muss oder nicht (siehe hierzu in diesem Heft Seite 506-510)
Welche Argumente werden vorgebracht - pro und kontra REIT? Soweit
diese eindeutige Gegenüberstellung angesichts der Gemengelage von
unterschiedlichen Interessen überhaupt möglich ist, soll dies im
Folgenden aufgezeigt werden.
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Initiiert wurde die REIT-Diskussion vor kaum zwei Jahren von der
Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD), die im November 2005 auch
als erstes Konzept einen börsennotierten REIT mit Trustvermögen
vorstellte. Hinter der IFD stehen 18 Institutionen, Banken und
Versicherungen, angefangen bei der Deutschen Bundesbank über die
Großbanken bis hin zum US-amerikanischen Investmenthaus Morgan
Stanley. Auch vier weitere Investmentbanken amerikanischer Provenienz
sind assoziiert. Angesichts des geballten Finanz-Know-hows fragen die
REIT-Kritiker, welches Interesse diese erlauchte Gruppe an dem neuen
Vehikel hat. Den Standort Deutschland mit innovativen Produkten
stärken, erhalten sie zur Antwort.
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Denn REIT-Aktien würden wegen der zugrunde liegenden Immobilienwerte
anders rentieren als Aktien, Anleihen oder Liquidität, so dass sich
positive Portfolioeffekte ergäben. Auch würden sie das bestehende
Spektrum indirekter Immobilienanlagen sinnvoll ergänzen. Wie die
Offenen Fonds würden sie Steuervorteile (Befreiung von der
Gewerbesteuer) genießen, sich aber wegen der höheren Volatilität eher
für institutionelle Anleger eignen. Gegenüber den Spezialfonds hätten
REITs den Vorteil der besseren Fungibilität. Wobei das freilich nur
für die Public-REITs gelten würde, bei denen die Höhe der Anteile pro
Investor limitiert wäre. Ein Private REIT, mit nur einem oder wenigen
Anlegern, hätte wie der Spezialfonds den Nachteil, dass die Anteile
nur schwer und eventuell mit Verlusten zu veräußern wären. Kaum zu
handeln sind Anteile an Geschlossenen Fonds, während die bestehenden
Immobilien-Aktiengesellschaften zwar hoch fungibel, aber durch die
doppelte Besteuerung auf Unternehmens- und Anlegerebene diskriminiert
sind.
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Dieser Vergleich mit den bestehenden Anlageformen zeigt für die
REIT-Verweigerer, dass mit dem REIT nur die Rosinen herausgepickt
werden sollen. Zudem sei das Vehikel nur ein neues Beratungsprodukt
der Investmentbanken, die bei der erhofften Flut von Börsengängen
kräftig Kasse machen wollen. Gleichzeitig würde vor allem den
Versicherungen und Großunternehmen eine Möglichkeit gegeben, sich
steuervergünstigt von schlechten Beständen zu trennen. Allerdings wird
auch von den Kritikern zugestanden, dass sich mit dem REIT stille
Reserven heben lassen, die für neue Investitionen in den
Kerngeschäften eingesetzt werden könnten. Ob sich daraus aber - wie
die Befürworter argumentieren - nennenswerte Effekte für den
Arbeitsmarkt ergeben, muss angesichts der strukturellen Probleme
bezweifelt werden.
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Zudem wird argumentiert, dass der Gesetzgeber nicht auf der einen
Seite Steuerschlupflöcher schließen könne, wie bei den Geschlossenen
Fonds zum 1. Januar 2006 geschehen, um an anderer Stelle ein neues
aufzureißen. Denn auch wenn der REIT mindestens 90 Prozent seiner
Gewinne ausschütten müsste, so kann eine ausreichende Besteuerung beim
Anleger nicht sichergestellt werden, um die Steuerausfälle zu
kompensieren. Denn aufgrund der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) hätte
der deutsche Fiskus nicht nur erhebliche Probleme mit der
Steuererhebung bei Ausländern, auch Inländer könnten über ausländische
Gesellschaften Anteile an deutschen REITs halten, ohne die damit
erzielten Gewinne versteuern zu müssen. Als Lösung schlägt die IFD
bekanntlich ein Trennungsmodell vor, bei dem der Anleger zwar Anteile
am REIT besitzt, aber nicht der REIT sondern ein Treuhänder die
Immobilien verwaltet, aus denen dem Anleger Erträge aus Vermietung und
Verpachtung zufließen. Diese wiederum sind auch bei Ausländern voll
besteuerungsfähig, weil die DBA in der Regel vorsehen, dass dem Staat,
in dem sich das Grundstück befindet, auch die Steuern auf Mieten und
Pachten zustehen, die mit der Liegenschaft erzielt wurden
(Belegenheitsprinzip). Um REIT-Investitionen dennoch steuerlich
attraktiv zu machen, sollen die Erträge nur einer 20-prozentigen
Quellensteuer unterliegen, schlägt die IFD vor.
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Hinter dem Trennungsmodell vermuten die REIT-Gegner vor allem in der
Bundestagsfraktion der SPD ein trojanisches Pferd, "in dessen Bauch
umfangreiche steuerliche Verlustverrechnungsmöglichkeiten
transportiert werden". Welche das sein könnten, wird jedoch nicht
genauer erklärt. Gleichwohl ist das Trennungsmodell wegen seiner
Komplexität selbst bei den REIT-Begeisterten umstritten. So
favorisiert das Bundesministerium der Finanzen (BMF) derzeit ein
Dividendenmodell, das sich stark an den britischen Entwurf anlehnt.
Allerdings ist dabei die Besteuerung von Ausländern hier wie dort noch
nicht befriedigend gelöst. Folglich verweisen die Kritiker auf die
Erfahrungen in Frankreich, wo sich vor allem das DBA mit Spanien
nachteilig für den französischen Fiskus auswirkte. Von zwei Milliarden
Euro Mindereinnahmen pro Jahr ist dabei die Rede.
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Strittig ist auch, wie die Einbringung der Immobilien in einen REIT
steuerlich behandelt werden soll. Um dem Vehikel den nötigen
Anfangsschwung zu geben, müsse für eine gewisse Zeit die Grund- und
die Grunderwerbsteuer gesenkt beziehungsweise ausgesetzt werden, wenn
Liegenschaften in einen REIT überführt werden. Hier allerdings könnten
die Länder und Kommunen mit Verweis auf die knappen Haushalte ein Veto
einlegen, denn die Grundsteuer steht den Städten und Gemeinden, die
Grunderwerbsteuer den Ländern zu.
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Ein nächstes, noch ungeklärtes Problem ist der Umgang mit den
Steuerprivilegien, die vielen Wohnungsgesellschaften gewährt wurden,
als sie 1990 aus der Gemeinnützigkeit entlassen wurden. Die
unversteuerten Rücklagen, die so genannten EK02-Bestände, beliefen
sich zum Jahresende 2003 auf immerhin 78 Milliarden Euro. Bei ihren
Ausschüttungen an die Gesellschafter müssen diese Unternehmen auch
einen Teil des EK02 nachversteuern. Deshalb werde versucht, die
Ausschüttungen möglichst gering zu halten. Ist eine Überführung dieser
Gesellschaften in einen REIT damit erst möglich, wenn der EK02-Bestand
abgebaut oder sofort - steuerwirksam - abgebaut wurde? Falls ja, käme
ein REIT für diese Wohnungen wohl nicht in Frage.
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Ein weiteres Pro-REIT-Argument ist, dass mit der neuen Assetklasse die
Attraktivität des Standorts Deutschland für Immobilienunternehmen
erhalten bleibe. Kommt der REIT nicht nach Deutschland, so warnt die
IFD, würden deutsche Immobilien in ausländische REITs gepackt - mit
steuerlichen Nachteilen für den deutschen Fiskus. Erste Beispiele gäbe
es bereits. Doch lediglich der US-Investor Fortress, der die Filialen
der Dresdner Bank an die Amsterdamer Börse brachte, kann damit gemeint
sein. Denn die Commerz Grundbesitz brachte keine deutschen, sondern
drei Pariser Immobilien in eine SIIC, das französische Pendant zum
REIT, ein. Die Gründe dafür waren eher Steuerersparnisse in
Frankreich, die dringend benötigt wurden, um einen Teil der
beachtlichen Mittelabflüsse aus dem Offenen Immobilienfonds zu
kompensieren. Und auch die Vivacon sagte den Börsengang eines
REIT-ähnlichen Konstruktes an der Londoner Börse mangels
Anlegerinteresses ab.
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Auch die möglichen Konjunkturimpulse durch REITs sehen die Kritiker
nicht. Zwar prognostiziert die IFD für die ersten fünf Jahre nach
Einführung des steuerbegünstigten Vehikels, dass Immobilien im Wert
von 120 Milliarden Euro in die REITs eingebracht werden, doch rechnen
Pessimisten mit wesentlich weniger. Denn aufgrund von Basel II und den
steigenden Anforderungen der Ratingagenturen würde die
Kreditwürdigkeit von Unternehmen künftig höher eingeschätzt, wenn sie
Immobilien besitzen. Seien die Immobilien aber erst verkauft, würde
das Betriebsergebnis durch Mietkosten belastet. Dieser Aufwand könnte
sogar steigen, wenn die REITs die hohen Renditeerwartungen der
Investoren erfüllen sollen, prophezeien die REIT-Gegner. Dies, so ihre
Schlussfolgerung, veranlasse die Unternehmen, auf günstigere Standorte
- wahrscheinlich im Ausland - zu wechseln. Freilich ist dieses
Argument reine Polemik, denn auch ein REIT muss seine Immobilien
vermieten, wenn er Gewinne erzielen will. Und gerade
Industrieimmobilien sind nur mit viel Aufwand für andere Mieter als
den ursprünglichen nutzbar zu machen.
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Interessanter für REITs scheinen aber Wohnimmobilien zu sein. Und
genau dieses fürchten die REIT-Gegner am meisten. Denn anders als in
Frankreich, Großbritannien und den USA ist der Anteil von
Mietwohnungen am Gesamtbestand mit etwa 56 Prozent deutlich höher. Die
Mieten sind vergleichsweise niedrig und die Hauspreise seit gut einem
Jahrzehnt faktisch unverändert. Die zahlreichen ausländischen
Investoren im Markt beweisen, dass hier noch Renditepotenzial vermutet
wird. Um dieses kurzfristig zu realisieren, seien nach Meinung der
REIT-Kritiker Mieterhöhungen sowie der Verzicht auf Sanierung und
Modernisierung unumgänglich. Droht also die Verslumung ganzer Städte?
Mitnichten, denn REITs sind tendenziell Bestandshalter und keine
Opportunity Funds. So argumentiert auch das BMF, das sogar erwägt, die
Handelsaktivitäten der REITs gesetzlich zu limitieren.
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Im SPD-geführten Finanzministerium ist man - im Gegensatz zum
Bundesbauministerium und der SPD-Bundestagsfraktion nicht der Meinung,
dass REITs negative Wirkungen für den deutschen Wohnungsmarkt hätten.
Dazu sei die Marktmacht viel zu gering. Denn REITs könnten lediglich
in dem relativ kleinen Segment der kommunalen und
privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen investieren, die zusammen
am gesamten Wohnungsbestand lediglich 16 Prozent ausmachen. Zudem
unterliegen alle Käufer von Wohnungsportfolios dem deutschen
Mietrecht, das Mieterhöhungen begrenze. Vielmehr geht das BMF davon
aus, dass REITs die Immobilienbestände effizienter bewirtschaften
werden als kommunale Wohnungsunternehmen. Tendenziell rechnet man
sogar mit Mietsenkungen.
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Auf das Argument, dass privatisierte Wohnungsunternehmen nicht mehr
für die sozialpolitischen Aufgaben der Kommunen zur Verfügung stünden,
entgegnen die REIT-Befürworter, dass in kommunalen Beständen nur
deshalb sozial schwächere Haushalte lebten, weil die Wohnungen nicht
dem Standard bei privaten Vermietern entsprächen. REITs könnten
demnach qualitativ hochwertigere und damit im Normalfall auch teurere
Wohnungen schaffen. Für die Kommunen könnte das höhere
Wohngeldzahlungen zur Folge haben, befürchten die Kritiker, während
die REIT-Befürworter meinen, dass gerade Wohngeldempfänger einen
besonders kontinuierlichen und regelmäßigen Cash-Flow garantierten.
Zudem könnten Belegungsrechte vorgeschrieben werden, notfalls auch per
Gesetz.
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REITs und Altersvorsorge ist kein Widerspruch, darin scheinen sich die
Befürworter und Gegner der REITs weitgehend einig. Denn die relativ
stabilen Zahlungseingänge seien für Anbieter von
Altersvorsorgeprodukten besonders attraktiv. Für Private wäre das
Vehikel dagegen weniger geeignet, denn es gleiche dem
Rendite/Risiko-Profil nach mehr einer direkten Aktienanlage als einem
auf Wertstabilität orientierten Offenen Fonds. Zudem bewirke die hohe
Fremdkapitalaufnahme, dass der Kurs eines REIT sehr stark auf
Zinsveränderungen reagiert.
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Die Diskussion um das Für und Wider einer deutschen REIT-Variante
zeigt, dass beide Seiten ihre Positionen mit durchaus guten und
berechtigten Argumenten vertreten. Allerdings wird der Disput nicht
frei von Emotionen geführt. Dabei stehen sich die einen wie die
anderen im Aufbau von Drohkulissen in nichts nach. Leidenschaft in der
Rhetorik ist sicher nicht verkehrt, doch allzu leicht geraten dabei
die Sachargumente unter die Räder. So besteht zunächst kein Grund zur
Hektik: Wenn das Land am 1. Januar 2007 keinen REIT hat, wird deswegen
kein Wohnquartier zum Slum. Und der hiesige Immobilienmarkt bleibt
auch weiterhin - da in den Portfolios der internationalen Investoren
tendenziell unterrepräsentiert - interessant. Dennoch lohnt es, über
Innovationen nachzudenken. Die Produktpalette der Immobilienanlagen
würde Neues sicher gut vertragen. Ein REIT kann, muss dabei aber nicht
die Lösung sein. L.H.

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