Private Baufinanzierung

Die Zukunft des Bausparens aus Sicht des Verbraucherschutzes

Das Eigenheim war die klassisch historische Form der Existenzsicherung für Gegenwart, Zukunft und Alter. Es war das einzige nachhaltige materielle Vermögen, auf das der Mensch nicht verzichten wollte. Es wurde oft in Eigenarbeit und wie bei den Amish in Pennsylvania mit Nachbarschaftshilfe erstellt, ausgebaut oder geerbt. Mobilität, gesellschaftliche Arbeitsteilung und gestiegene Ansprüche haben das Haus heute zu einem Gut werden lassen, das mit hohem Geldkapitalaufwand erworben werden muss. Doch die Trennung in Arme und Reiche und die Landflucht haben das eigene Haus für viele unerreichbar gemacht. Der Mietwohnungsmarkt als Form gesellschaftlichen Eigentums war der Ausweg. Doch der Gewinn an (Miet)Wohnraum bedeutete auch Verlust an Selbstbestimmung. Die umfassenden Rechte für Gestaltung und Verwaltung der Wohnung blieben beim Eigentümer. Deshalb blieb der Traum von den eigenen vier Wänden auch in der Marktwirtschaft erhalten. 80 Prozent der Bevölkerung nennen ihn immer noch ihren größten Wunsch und ihr primäres Sparziel neben der Altersvorsorge. Die ursprüngliche Bausparidee ... Die Bausparidee modernisierte die alte Idee der Nachbarschaftshilfe und Vorsorge für die Geldwirtschaft. Man sparte Kapital in Geldform, um über die daraus gewährten Bauspardarlehen den Erwerb der ersten Wohnung lange vor dem Erreichen des individuellen Sparziels realisieren zu können. Für die Masse der Verbraucher wurden damit Ziele des Verbraucherschutzes verwirklicht, wie sie auch in den Konsumgenossenschaften ihren Ausdruck gefunden hatten. Verbrauchersouveränität (Wohneigentum), Solidarität (Bauspargemeinschaft), Nachhaltigkeit (Vorsorge und Kapitalerhalt), rationale Haushaltsführung (Spargedanke) waren mit ökonomischer Bildung verbunden. Doch die Konsumgenossenschaften verschwanden. Dagegen behauptete sich eher insular in Deutschland das Bausparen als Geschäftsmodell. Ein Viertel der Spargroschen werden hier noch angelegt. 113 Milliarden Euro entsprechend 12,5 Prozent der Wohnungsfinanzierung (ohne Lebensversicherer) entfallen heute noch auf die Bausparkassen. ... und die aktuelle Realität Doch ist es wirklich noch die beschriebene Bausparidee? Das Sparen zur Kreditvergabe ist heute eher die Ausnahme als die Regel. Von den 113 Milliarden Euro Kredit entfallen 28 Milliarden Euro auf Bauspardarlehen. Aber auch diese Bauspardarlehen dienen in aller Regel nur noch der Ablösung der Vorschaltdarlehen und Zwischenfinanzierungen, mit denen Bauspareinzahlungen wirtschaftlich gesehen auf Kredit erfolgen und seit 2000 aus rechtlichen Gründen simuliert werden. Die Bausparkassen stehen nicht alleine. Auch bei dem Flaggschiff privater Altersvorsorge, der Kapitallebensversicherung, hat das Policendarlehen keine Bedeutung erlangt und der Lebensversicherungshypothek, einer anderen Sparsimulation, den Weg geebnet. De facto setzt sich somit überall der losgelöste Hypothekenkredit durch, der das Ansparen durch Nachsparen ersetzt und sofortige Liquidität verschafft. Die moderne Gesellschaft hat Familien geschaffen, deren Wohneigentumsbedarf bei Gründung entsteht, die auf die Hilfe der immer älter werdenden vorherigen Generation nicht warten können und die ein nachlassendes Mietwohnungsangebot nicht mehr befriedigen kann. Lassen sich somit kaum zehn Prozent der Bauspareinlagen mit der Bausparidee erklären, so zeigt die Abbildung 2, dass Baukredite der Bausparkassen und Bausparen vor allem seit 1990 getrennte Wege gehen, jeder für sich erfolgreich. Die Bausparsofortfinanzierung hat das Bauspardarlehen ersetzt. Damit müssen sich ihre Teile auch an den Hypothekendarlehen und Sparverträgen messen lassen. Diese Einsicht fällt Vertretern einer Branche schwer, die sich in Werbung, Absatzwegen und Produktbezeichnungen sowie auch in der Unternehmensidentität und ihrer Nähe zu gemeinnützigen Zielen und staatlicher Förderung in der Tradition alter Verbraucherschutzideen definiert. Doch die Verbraucherschützer folgen ihnen hier nicht. So wird seit langem aus der Sicht des Verbraucherkreditrechts die Intransparenz der Konstruktion kritisiert, bei der die Nichtberücksichtigung des finanzierten Sparanteils zu einer falschen Effektivzinssatz- und Gesamtbetragsangabe führt. Auch nur historisch zu erklären sind die hohen Tilgungsanteile bei Bauspardarlehen, die die tilgungsfreien Vorfinanzierungen ablösen und letztlich sogar die Raten erhöhen können, sodass mit intransparenten Zusatzdarlehen Tilgung und Zinsen gestundet werden müssen. Der starre, nicht an den Markt angepasste Darlehenszinssatz hat in der andauernden Niedrigzinsphase die einstigen Vorteile des Bauspardarlehens in Nachteile verwandelt und Anbieter, die ja das Bauspardarlehen als Belohnung für fleißiges Ansparen bewerben, verleitet, durch Vorfälligkeitsentschädigungen eine Darlehensabnahme zu erzwingen. Die Sparverträge sind demgegenüber unattraktiv geblieben, ohne noch den Vorteil des Darlehens für sich ins Felde führen zu können. Allein der staatliche Zuschuss, der im Direktmarketing eher die Fantasien beflügelt als den Geldbeutel entlastet, rettet Minimalverträge, während die damit erzielten großen Bausparsummen unberührt bleiben. Ärgernisse aus Sicht des Kunden Besonders ärgerlich wirkt heute die Abschlussgebühr, die ähnlich nur noch bei der Kapitallebensversicherung den Sparer zu Beginn seiner Ansparzeit in ein ungewöhnliches Minus zwingt. Die Erstattung bei Nichtabnahme des Darlehens macht die Konstruktion nicht einfacher, da dadurch der Bausparkasse ein unentgeltlicher Kredit gewährt wird. Hohe Gebühren mit möglichen späteren Chancen zu rechtfertigen, die die meisten Sparer gar nicht anstreben, kann auf Dauer kein Vertrauen aufbauen. Ärgerlich ist auch, dass die Gebühren immer noch auf die Bausparsumme berechnet werden, die faktisch gar nicht angespart wird und durch den Kredit künstlich erhöht erscheint. Der Anreiz für Vertreter, utopische Bausparsummen zu vereinbaren, um sie anschließend zu reduzieren, kann kaum durch Verbraucherschutz gezügelt werden. Die Bausparidee ist somit in rechtlich verfassten Produkten erstarrt, die mit staatlichen Anreizen und Gütesiegeln versehen eher zweckentfremdet als genutzt werden. Nicht nur für Verbraucherschützer (vergleiche zum Beispiel den Leitartikel "Der Markt und die Bausparkassen: Es bleibt ein Phänomen" in Immobilien & Finanzierung 07 - 2007 S. 204 ff.) ist es daher erstaunlich, dass zumindest das Sparprodukt weiterhin einen solchen Zuspruch erhält. Die verbliebenen Vorteile der nach Abschluss und Zinssatz gesicherten Kreditgewährung, der Nachrangigkeit im Grundbuch sowie der staatlichen Subvention können angesichts der entsprechenden Angebote von Forward- und Zweitrangdarlehen sowie der eher symbolischen staatlichen Förderung dies kaum noch erklären. Doch Ideen und Erfahrung sind auch in einer scheinbar so rationalen Geldwirtschaft heute durchaus wirtschaftlich bedeutsamer als allgemein angenommen. Vorsorge, Solidarität, gemeinsames Handeln, Sicherheit, Solidität, Nachhaltigkeit, persönlicher Kontakt und Beratung sowie staatliche Mitverantwortung in der Geldwirtschaft sind Werte, die sich gerade nach der Finanzkrise viele "Kreditverbraucher" für das Geldsystem wünschen. Nicht die Idee des Bausparens ist ins Gerede gekommen, sondern ihre durch Finanztechnik und Gesetze erstarrte Umsetzung. Bauspargedanke gefragter denn je Die Probleme, die einst zum Bausparen führten, sind nämlich heute eher mehr denn weniger geworden. Wie die einer Studie für die EU zur Wohnraumfinanzierung in Europa entnommene Tabelle zeigt, ist der Traum von den eigenen vier Wänden in Deutschland mit einer stagnierenden Wohneigentumsquote von 43 Prozent (nahe 20 Prozent in Großstädten) als Schlusslicht in der EU weit von einer Verwirklichung entfernt. Deutschland hat zudem eine viel zu geringe private Altersvorsorge, einen stagnierenden Hypothekenkreditmarkt und hohe Hauspreise mit entsprechendem Kreditbedarf, die den geringen Wettbewerb auf den Wohneigentumsmärkten widerspiegeln. Mit zehn Prozent Erwerbsnebenkosten wird in Deutschland zudem Mobilität ebenso wie Neuerwerb bestraft. Ein System von Zutrittsschranken zum Wohneigentum und zur Kreditaufnahme für liquiditätsschwache Teile der Bevölkerung wartet darauf, durch innovative wertgebundene und sozial orientierte Anbieter angegangen zu werden. Dazu wären Bausparkassen berufen. Sie müssten nur Anspruch und Wirklichkeit der Bausparfinanzierung angleichen, nicht sofort und nicht als Alternative, aber doch in einer Übergangszeit von zehn Jahren, in der neue Produkte entwickelt und neben den alten erprobt werden. Neue Produkte, alte Werte Das Institut für Finanzdienstleistungen hat in der Vergangenheit im Auftrag einzelner Anbieter und Stiftungen eine Reihe von Produkten solidarischer Spar- und verantwortlicher Kreditformen entwickelt, die die Best-Practice-Erfahrungen des Social Investments beziehungsweise des Community Reinvestments aus aller Welt genutzt haben. Sie beruhen auf der Anpassung von Finanzdienstleistungen an die realen Verhältnisse bestimmter Zielgruppen ohne Eigenkapital, auf solidarischer Risikotragung, fairem Ausstieg und der Einbeziehung öffentlicher Fördermöglichkeiten. Sie entwickeln die traditionell lokal begrenzte Gemeinschaftsorientierung hin zu einer Gesellschaftsorientierung, die dem Einzelnen mehr Freiheit und Wahl lässt, ohne seine Bindungen zu ignorieren. Die Idee des Bausparens waren der "Bau" und das "Sparen". Der "Bau" stand für den Zugang zum selbstbestimmten Wohnen, das "Sparen" repräsentierte den Vorsorgegedanken. Beides war verbunden durch die Familie, deren Schutz und Zukunft gesichert werden sollte. An die Stelle des "Bauens" sind heute vielfältige Wohnformen getreten wie Neubau, Hauserwerb, Wohneigentum, Ferienwohnung, Timesharing, Altenwohnformen. Familie steht für Wohlergehen und Perspektive der Kinder. Vorsorge umfasst die drei staatlich anerkannten Säulen Alter, Bildung und Einkommensvorsorge. Damit sind familiengerechtes Wohnen und Vorsorge für die eigenen Kinder und das Alter die Hauptziele. Sie werden erreicht durch die Trias aus Solidarität, Solidität und Personalität. Dies muss sich zuallererst in Werbung, Direktmarketing und durch Fortbildung der Vertreter niederschlagen. Nachhaltige Provisionssysteme, die Beratung statt Menge prämieren, Beraterinnen, die sich mit den Problemen in Familie und Wohnen auskennen, müssen auf Produkte zurückgreifen können, die diese Werte verinnerlicht haben. Der Produktabbruch muss sozial abgefedert erfolgen und darf nicht zur Quelle von Gewinnen werden. Neben die Vorschalt- und Zwischenfinanzierungsdarlehen sollten speziell für liquiditätsschwache Haushalte nachrangige (echte) Hypothekendarlehen treten, die langfristig angelegt sind, faire Anpassungsmechanismen für extreme Marktschwankungen vorsehen, über Versicherungsprodukte kurzfristige Engpässe überbrücken, Sicherheit versprechen und für Beratung und Anpassung dann auch kostendeckende Entgelte verlangen. Im Bereich der Gruppenfinanzierung etwa für Wohngruppen oder liquiditätsschwache Haushalte sollten soziale Fondsmodelle propagiert werden, die den Einzelnen als Mitglied einer Gruppe ansprechen. Hierin kann der Bewohner zugleich Mieter, Kommanditist und Genossenschaftsmitglied sein und sich damit in solidarischen Formen mit jederzeitiger Ausstiegsoption einen sukzessiven Zugang zum Wohneigentum für Schwellenhaushalte ermöglichen. Bausparkassen als Vorreiter gefordert Die Bausparkassen könnten in solchen Modellen auch Vorreiter in der Ablösung historisch überholter Zwangsversteigerungen durch einverständliche und moderierte Verfahren werden, die in anderen Ländern bereits die Kosten aller Beteiligten entscheidend gesenkt haben. Der Schutz der Familie sollte sichtbares Aushängeschild in diesem Segment sein. Neben die Wohnfinanzierung muss die Ausbildungsfinanzierung treten, weil sie ähnliche Probleme und vor allem eine identische Ansprechgruppe hat. Damit könnten auch solidarische Spar- und Kapitalbildungsprozesse verbunden werden. Die finanzierten und damit fiktiven Sparprozesse sollten durch Produkte für paralleles Sparen als Risikovorsorge und Rückzahlungssicherung ergänzt werden. Identische Zinssätze für kongruente Finanzierung und Anlage sichern Transparenz und schützen vor Übervorteilung. Im Bereich der Sparprodukte geht es darum, den finanziellen Vorsorgegedanken eigenständiger zu entwickeln. Bereits jetzt ist die Arbeitnehmervermögensbildung zum Hauptzweck geworden. Wichtig ist die Einbeziehung in die Riesterrente. Dabei muss die Liquidität im Alter durch im Voraus zugesicherte umgekehrte Hypothekenkredite mit Rentenzahlung gesichert werden. Die aktuelle Wohn-Riesterförderung greift dagegen in das Altersvorsorgevermögen zugunsten der Bauindustrie ein und ist untauglich. Ihr Wertaufholungsgebot schafft nur Mitnahmeeffekte aber keinen verbesserten Zugang. Gruppensparverträge mit Versicherungscharakter, marktgängige Zinsen und Serviceangebote sollten Bausparen zum Solidarsparen entwickeln helfen. *) Bei der Abfassung des Beitrags haben den Autor mit Argumenten und Material Dr. Achim Tiffe, Laura Flach und Michael Feigl (iff e. V.) unterstützt.

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