Leitartikel

Zurück in die Zukunft

Ein gängiges Sprichwort lautet: "Was recht ist, kommt wieder." Für die Immobilie als wesentlichem Teil der Kapitalanlage institutioneller Investoren gilt das dieser Tage im Besonderen. Denn wie das Beratungshaus Ernst & Young in seiner jüngsten Umfrage unter deutschen Versicherungen herausfand, wollen immer mehr Assekuranzen in diesem Jahr ihre Immobilieninvestitionen erhöhen. Während im vergangenen Jahr, als die Krise am Kapital- und Aktienmarkt zwar bereits spürbar war, gerade einmal 40 Prozent der Versicherungen den Kauf von eigen- und fremdgenutzten Immobilien erwog, wollen bis Ende 2009 beachtliche zwei Drittel fremdgenutzte Immobilien hinzukaufen und 20 Prozent eigengenutzte Liegenschaften erwerben.

Dies weckt im doppelten Sinne ein Déjà-vu. Denn waren es nicht die Versicherungen, denen es zunächst im Dotcom-Hype nicht schnell genug gehen konnte, die steinernen (Brems-) Klötze aus ihrem Anlageportfolio zu lösen, um im virtuellen Cyberkosmos vermeintlich bessere, aber leider nicht nachhaltige Renditen herauszuholen? Und frönten in den letzten Jahren nicht unter anderem auch die Assekuranzen den synthetischen Risikokreationen mit ihren angeblich nebenwirkungsfreien, also quasi homöopathischen Ertragsstimulantien? Bewährte "Hausmittel" galten allzu voreilig als überholt und plump. Offensichtlich durch die jüngsten Erfahrungen bewegt besinnen sich die institutionellen Anleger wieder stärker auf immobile Werte, deren Anteil im Anlageportfolio laut Ernst & Young von 6,0 auf 6,3 Prozent steigen soll.

Das wird und soll nicht alleine durch Direktinvestitionen geschehen. Beachtliche 65 Prozent der befragten Versicherungen planen noch in diesem Jahr, Kapital in Immobilien-Spezialfonds anzulegen. Das ist umso erfreulicher, als - anders als in der Vergangenheit - diesmal nicht ausländische Vehikel, sondern Sondervermögen nach deutschem Investmentgesetz auf der Wunschliste ganz oben stehen. Diesen Sinneswandel im Kundenverhalten darf sich die hiesige Fondsindustrie als ihren Verdienst zugutehalten. Schließlich ist es ihr und dem BVI als Interessenverband gelungen, die Qualitäten der eigenen Produkte gesetzlich und in Praxis derart zu verbessern, dass sie gegenüber der Luxemburger Konkurrenz gut bestehen kann. Und sogar die REITs bilden in den Augen der Spezialfonds-Manager längst kein Reizthema mehr. Zumal die Aussetzung der Exit Tax als einem der wichtigsten "Startbeschleuniger" für diese steuertransparente Form der börsennotierten Immobilienanlage zum Jahresende auszulaufen droht.

Beim Lesen der BVI-Statistik fällt auf, dass es den Immobilien-Spezialfonds 2008 gelungen ist, den Mittelzufluss deutlich von 0,8 auf 2,2 Milliarden Euro zu steigern. Dies ist in dreierlei Hinsicht bemerkenswert. Erstens ist der Mittelzuwachs diesmal vollständig aus dem Kreis bestehender Anbieter heraus gelungen. Das heißt, Sondereffekte wie ihn Marktneulinge zunächst hervorrufen können, sind von dieser Seite nicht festzustellen. Zweitens stehen die Zuwächse in deutlichem Kontrast zu den massiven Mittelabzügen aus den Wertpapier-Spezialfonds, was als ein Vertrauensbeweis für die Immobilie gewertet werden kann. Drittens haben es die Manager der Immobilien-Spezialfonds offensichtlich besser vermocht, die Investoren von der Vorteilhaftigkeit dieser Immobilienanlage zu überzeugen, als es den Offenen Immobilien-Publikumsfonds gelang, bei denen vor allem semi-institutionelle Investoren allein im Oktober vergangenen Jahres über fünf Milliarden Euro abzogen.

Dass Immobilien-Publikumsfonds, die auch in starkem Maße von institutionellen Anlegern genutzt werden, und Immobilien-Spezialfonds eine so gegenläufige Entwicklung erleben, liegt auch an der Möglichkeit, Fondsanteile zurückzugeben. Denn während in einem Publikumsfonds die Rückgabe der Anteilscheine relativ schnell und fast uneingeschränkt möglich ist, hat der "Aussteiger" aus einem Spezialfonds das Problem, einen Abnehmer für seine Anteile zu finden. In Zeiten, in denen viele Anleger ihre Anteilscheine zu Geld machen wollen, aber keine entsprechenden Ersatzinvestoren aufgetrieben werden, bleibt nur der Verkauf von Fondsobjekten. Dies würde jedoch einerseits nicht kurzfristig gelingen, andererseits käme dieses Vorgehen in der aktuellen Marktphase einer erheblichen Wertvernichtung gleich.

Waren es zur Jahrtausendwende noch Wohnimmobilien, die als aufwendige und ertragsschwache Kapitalanlage in großen Portfolios von den Versicherungen und Pensionskassen abgestoßen wurden, so nimmt der Wohnungsanteil in den Fonds jetzt wieder deutlich zu. Und immer mehr Spezialfonds-Anbieter haben mittlerweile sogar reine Wohnimmobilienfonds im Bauchladen, deren Anteile sich dem Vernehmen nach wie "geschnitten Brot" verkaufen. Die Gründe für die Renaissance der Wohnung als Kapitalanlage: große Granularität, geringe Ausfallrisiken sowie stabile Erträge, die den letzten IPD-Erhebungen zufolge sogar die Renditen von Büroflächen toppen.

Mit dem verstärkten Engagement im Wohnungsmarkt beweisen Versicherer und Pensionskassen durchaus Geschick. Denn während sie in der Zwischenkrisenzeit ihre Bestände teils mit aberwitzigen Portfolioaufschlägen abgestoßen haben, bieten sich jetzt relativ günstige Wiedereinstiegschancen. Zudem passt die Wohnimmobilie als Anlageobjekt in das demografische Marktumfeld: Der Gravitation der Ballungsräume fehlt bislang der äquivalente Wohnungsneubau. Angebotslücken und folglich Mietpreissteigerungen sind deshalb absehbar. Noch ist ein Ende der Rezession nicht auszumachen. Die Nachfrage nach Büro-, Logistik- und Einzelhandelsfläche wird zurückgehen und selbst bei einer konjunkturellen Erholung werden die Immobilienmärkte dem Aufschwung nachlaufen. Und schließlich zeigen die jüngsten Maklerdaten, dass auch die Diversifikation der Immobilieninvestments über mehrere Märkte in der aktuellen Phase kaum einen Risikoausgleich bringt. Ob und wann die Immobilienmärkte wieder versetzte Zyklen aufweisen, ist derzeit schwer zu sagen. Die Erhöhung der Immobilienquote der institutionellen Investoren - vor allem durch die Anlage in Wohnungen - mag daher wie die Rückkehr in die Vergangenheit erscheinen. Doch warum sollte die Besinnung auf Bewährtes kein Schritt in die Zukunft sein? Ausruhen darf sich die Immobilienwirtschaft auf den jüngsten Entwicklungen freilich nicht. Denn der nächste Börsenhype kommt bestimmt. L. H.

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