Abschied von der dreigeteilten Wohnbiografie

Der Wohnungsmarkt ist durch den gesellschaftlichen Wandel und die sich ändernden Ansprüche der Nutzer sehr stark im Wandel. Dabei ist es - anders als oft angenommen - nicht in erster Linie die zunehmende Zahl der Senioren, auf die die Wohnungswirtschaft künftig Rücksicht nehmen muss. Viel wichtiger ist folgende Entwicklung: Es gibt immer seltener die klassisch dreigeteilte "Wohnbiografie", bei der jemand die Phasen Jugend, Erwachsenenphase und Alter jeweils nach einem bestimmten Muster durchläuft und erst in einer Wohngemeinschaft, dann in einem Einfamilienhaus und schließlich in einer kleinen Wohnung oder im Seniorenheim lebt.

Heute werden Lebensläufe immer unberechenbarer, aus linearen Biografien werden parallel und sprungweise verlaufende Multigrafien und entsprechend verändern sich auch die Wohnbedürfnisse im Laufe eines Lebens mehrfach. Es gibt 50-jährige Singles mit ähnlichen Ansprüchen an eine Wohnung wie Alleinstehende Mitte 20 sie haben und es gibt 70-Jährige, die in einer Wohngemeinschaft leben. Auch die Studie "Zukunft des Wohnens - die zentralen Trends bis 2025" vom Zukunftsinstitut in Wien kommt zu dem Schluss, dass Immobilienunternehmen künftig vor allem Wohnungsangebote konzipieren müssen, die sich "an Lebensphasen orientieren und das Versprechen eines leichten Wechsels integrieren".

So muss bereits bei der Planung von Wohngebäuden bedacht werden, dass aus Familien Alleinwohnende werden können oder dass Patchwork-Familien entstehen. Flexible Wände ermöglichen einen leichten Umbau, indem zum Beispiel aus einer großen Wohnung zwei kleinere gemacht werden können oder umgekehrt. Moderne Grundrisse sind recht offen gehalten und enthalten kaum noch vordefinierte Räume. Die Architektur gibt nur noch den Rahmen vor und überlässt die Struktur und Einteilung verschiedener Wohnzonen den Bewohnern.

Immer häufiger kommt es vor, dass das private Bad halboffen an das Schlafzimmer gebaut wird, die beiden ehemals getrennten Räume verschmelzen zur "Intimzone". Für Besucher gibt es heute fast immer ein separates Bad, oft auch mit Dusche. Was praktisch gar nicht mehr gebaut wird ist ein großzügiger Flur, weil der als Fläche ohne Nutzen wahrgenommen wird. Heute betritt man meistens zunächst einen nur kleinen Empfangsbereich mit Garderobe, an den sich der Wohnbereich direkt anschließt. Die Küche ist durch die heute übliche Verschmelzung mit den Wohnräumen quasi zu ihrer ursprünglichen Intention zurückgekehrt. Über Jahrhunderte hinweg war sie der zentrale Ort des häuslichen Lebens, wo die Grundbedürfnisse des Menschen nach gutem Essen und nach Geborgenheit befriedigt wurden. Gefragt sind heute große Wohnküchen, in denen erst gemeinschaftlich gekocht und dann zusammen gegessen wird. Die Wohnküche dient außerdem in vielen Haushalten als Managementzentrale der Familie und ist der kommunikativste Ort im Haus. Und das wiederum ist bei Patchwork-Familien genauso der Fall wie bei Wohngemeinschaften junger Studenten.

Nils Olov Boback, Geschäftsführer, NCC Deutschland, Fürstenwalde

Noch keine Bewertungen vorhanden


X