Keine Insel der Glückseligen

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

"Kapitaldruck schlägt Rezession." So überschreibt JLL seinen Rückblick auf den deutschen institutionellen Immobilien-Investmentmarkt 2020 und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Nicht zuletzt aufgrund des anhaltenden Anlagenotstands vieler Investoren flossen im "Krisenjahr" 2020 mehr als respektable 81,6 Milliarden Euro in hiesige Gewerbe- und Wohnimmobilien. Gegenüber dem Fabelrekord aus dem Vorjahr (91,8 Milliarden Euro) ist das zwar ein Rückgang um gut 10 Prozent - zugleich aber noch immer das zweitbeste Ergebnis seit Aufzeichnungsbeginn. Die beim Aufkommen der Pandemie des Öfteren geäußerten Befürchtungen eines massiven Einbruchs beziehungsweise gar kompletten Stillstands am Investmentmarkt haben sich somit erfreulicherweise also nicht bewahrheitet. Institutionelle Investoren halten der Assetklasse Immobilie die Treue - insbesondere dann, wenn die Objekte in Deutschland liegen. Wie groß das Vertrauen in den Standort mittlerweile ist, belegt auch eindrucksvoll das jüngst erschienene "Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt 2021" von EY Real Estate. Mit 98 Prozent schätzt die überwältigende Mehrheit der rund 200 befragten Immobilienprofis den hiesigen Immobilienmarkt derzeit als attraktiv bis sehr attraktiv ein.

Fast noch bemerkenswerter erscheint das Bekenntnis im Länderkontext: Hier stimmen 93 Prozent der Akteure der Aussage zu, dass der deutsche Immobilien-Investmentmarkt im europäischen Vergleich als Gewinner aus der Krise geht. "Deutschland wird mehr denn je als safe haven wahrgenommen", so Christian Schulz-Wulkow, Leiter des Immobiliensektors bei EY für die Dach-Region. Gewiss: Diesen Ruf hat der hiesige Immobilienmarkt dank seiner traditionell relativ geringen Schwankungsanfälligkeit nicht zu Unrecht. Dennoch muss letztlich allen Akteuren klar sein, dass Corona auch hierzulande seinen Tribut fordert und man wird dementsprechend wieder deutlich mehr Aufwand betreiben müssen, um erfolgreiche Immobilieninvestments zu erzielen.

Einen Vorgeschmack darauf gibt schon die im vergangenen Jahr äußerst schwache Entwicklung an den gewerblichen Vermietungsmärkten. Der Büroflächenumsatz in den Top-7-Städten zum Beispiel lag laut Colliers satte 35 Prozent unter dem entsprechenden Vorjahreswert. Natürlich spielten auch hier die Lockdown-Maßnahmen zur Eindämmung des Virus eine nicht zu unterschätzende Rolle und gewisse Nachholeffekte werden in den kommenden Monaten sicher zu beobachten sein.

Aber es schwingt schon eine ordentliche Portion Optimismus mit, wenn 29 beziehungsweise 60 Prozent der von EY Befragten mit einer vollständigen Erholung von Büroimmobilien noch in 2021 beziehungsweise 2022 bis 2023 rechnen. Als Augenwischerei erachtet Schulz-Wulkow in diesem Kontext im Übrigen die Hoffnung vieler Büroinvestoren auf einen unterm Strich vernachlässigbaren Homeoffice-Effekt: "Da haben so manche Branchenvertreter den Ernst der Lage noch nicht erkannt. Homeoffice ist ein dauerhaftes Phänomen und es ist langfristig von einem geringeren Büroflächenbedarf auszugehen."

Erhöhte Wachsamkeit empfiehlt er schließlich auch mit Blick auf die abseits von Corona anstehenden Herausforderungen. Dazu zählten nicht zuletzt die näher rückende Anwendung der EU-Nachhaltigkeitstaxonomie, die den Druck zur Implementierung von ESG-Kriterien in Immobilien-Investmententscheidungen massiv erhöhen werde, sowie die Tatsache, dass Deutschland ein Superwahljahr ins Haus steht: "Wohnungsmieten und -preise werden 2021 noch stärker in den Fokus der Politik rücken", so die Überzeugung von Schulz-Wulkow. Ein Bundestagswahlkampf geprägt vom Ringen um zusätzliche Daumenschrauben für Vermieter wäre natürlich Gift für die Pläne vieler Investoren, ihre Wohnimmobilienquote in Deutschland weiter zu steigern - ganz unwahrscheinlich ist ein solches Szenario aber freilich nicht. Und so könnte im Laufe des Jahres noch so manchem der 200 von EY Befragten dämmern: Deutschland mag über einen sehr robusten Immobilienmarkt verfügen, eine Insel der Glückseligen ist es gleichwohl nicht. ph

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