Lokal denken bringt Erfolg

Auch wenn Investoren den deutschen Immobilienmarkt scheinbar leerkaufen, bleiben Objekte liegen, weil sie nicht marktgängig sind: ausgediente Industrieanlagen, die ihre ursprüngliche Funktion längst verloren haben. Etwa jede zweite davon hat das Potenzial, mit geänderter Nutzung auf dem Markt zu bestehen. Allerdings liegen geschätzt zwei Drittel von ihnen nicht in den Zentren der Investment-Hochburgen. Deswegen ist es wichtig, die Bedürfnisse des jeweiligen lokalen Marktes zu verstehen und das Immobilienprodukt aus dieser Situation heraus zu entwickeln.

Das klingt simpel, aber das erste große Problem steckt nun einmal zumeist in den Köpfen der Beteiligten. Wenn Investoren und Kommunalpolitiker auf brachliegende Industrieflächen schauen, sprießen in ihrer Phantasie sofort ambitionierte Projekte. Ein Wissenschaftscluster könnte entstehen, eine Symbiose aus Arbeit in modernen Büros und Wohnen in Lofts! Das Ganze als Kombination aus alter Industriearchitektur und modernem Büro- und Wohndesign wie in London oder Hamburg.

Das Problem: Wir sind hier nicht in London, sondern irgendwo in der deutschen Provinz oder bestenfalls am Rande von Ballungsräumen, und natürlich wird niemand auch nur annähernd Mieten wie in Hamburg zahlen. Ohne ein solches Mietniveau bleibt der Umbau der Industrieruine in eine Luxusimmobilie aber unrentabel. Deswegen gilt meistens die Regel, dass weniger mehr ist. Die Beteiligten müssen es nur rechtzeitig verstehen. Also bevor die Ideen und Investitionen in den Himmel schießen.

Das ist besonders dann der Fall, wenn globale Steuerungseinheiten internationaler Konzerne sich mit Vertretern der Kommune an einen Tisch setzen. Dann schaukeln sich die Projektideen besonders hoch. Einerseits aus Unkenntnis des lokalen Marktes und andererseits aus der Aussicht auf ein spektakuläres Projekt, das den politischen Karrieren der beteiligten Kommunalpolitiker neue Impulse gibt.

Jetzt ist ein moderierender Brückenbauer gefragt, der die Ideen wieder einfängt und in Einklang mit der Marktsituation bringt. Man muss herausfinden, was technisch machbar ist und was der Markt erlaubt. So können oft einfache Büroräume beispielsweise durch den Verzicht auf Hohlraumböden zugunsten von mehr Etagenfläche die passende Lösung sein; hier stimmen die Mieten oder der Kaufpreis mit der Realität des Marktes überein. Langfristig wichtiger als ein hochmodernes Bürodesign sind Konzepte mit guter Aufenthaltsqualität, die auch Erholung und Kommunikation am Arbeitsplatz zulassen sowie zusätzliche Angebote mit Treffpunkt- und Service-Charakter. Ein Kiosk, der die Arbeitnehmer mit Alltagswaren versorgt, ein gastronomisches Angebot, eine Kindertagesstätte und eine bessere Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Solche Details sorgen dafür, dass sich die Menschen wohlfühlen. Und tragen damit zu einem besseren Image des Standortes bei.

Diese Argumente können die Vertreter der Kommune davon überzeugen, das Planungsrecht zu flexibilisieren. Sie werden einsehen, dass einfache, aber vermietete Büroflächen besser sind als Pläne für ein Wissenschaftscluster, das vielleicht niemals entsteht oder größtenteils leer steht, weil es dafür keine Nachfrage gibt.

Dann nämlich hätte man aus einer leer stehenden Industrieruine ein leer stehendes Wissenschaftscluster gemacht. Trotz aller Investitionen bliebe die angestrebte Aufwertung des Standorts in weiter Ferne.

Ernst Hanfstaengl, Director/Head of GCS Transaction Advisory, CBRE, Düsseldorf

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