MiFID II und Transparenz für Anleihehandel

Eine der Neuerungen der MiFID-II-Novelle ist die Einführung von Vorhandelstransparenzpflichten für den Anleihehandel. Demnach müssen Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, welche einen Handelsplatz beziehungsweise einen geregelten Markt, ein multilaterales Handelssystem (MTF) oder ein organisiertes Handelssystem (OTF) betreiben, die aktuellen Geld- und Briefkurse und die Tiefe der Handelspositionen zu diesen Kursen, die über ihre Systeme für Anleihen gehandelt werden, veröffentlichen.

Qualifizieren sich Wertpapierfirmen, welche keine Handelsplätze betreiben, als sogenannte systematische Internalisierer, müssen sie insbesondere verbindliche Kursofferten (quotes) auf Anfrage eines Kunden abgeben, diese Kursofferten ihren anderen Kunden zugänglich machen sowie mit diesen unter Umständen auch kontrahieren. Ausnahmen hiervon gelten für Anleihen, für welche kein liquider Markt besteht sowie für Transaktionen, deren Volumen den Schwellenwert size specific to the financial instrument (SSTI) überschreiten.

Dazu gibt es jetzt seit dem 28. September 2015 seitens der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) Entwürfe technischer Regulierungs- und Durchführungsstandards bezüglich der MiFID-II-Novelle. Diese enthalten konkrete Vorgaben, insbesondere für die Bestimmung der Liquidität von Anleihen sowie der SSTI. Im Gegensatz zum bisher vorgeschlagenen Ansatz, wonach die Liquidität je nach Assetklasse und Emissionsvolumen statisch definiert werden sollte, soll ESMA dem neuen Vorschlag nach quartalsweise Transaktionsdaten einsammeln und pro ISIN Berechnungen durchführen. Das Ergebnis beziehungsweise die Einordnung pro Instrument wird von ESMA jedes Quartal neu veröffentlicht.

Ein liquider Markt soll für eine Anleihe bestehen, wenn das tägliche Durchschnittsnominalhandelsvolumen mindestens 100 000 Euro beträgt, die tägliche durchschnittliche Anzahl der Handelstransaktionen mindestens zwei beträgt und die Anleihe an 80 Prozent der Handelstage im jeweiligen Quartal gehandelt wurde. ESMA hat sich bezüglich der Bestimmung der SSTI analog zur Bestimmung der Liquidität für einen dynamischen ISIN-basierten Ansatz entschieden. So soll die SSTI einmal jährlich für jede Anleihe neu berechnet werden und in Bezug auf die Vorhandelstransparenz bei Anleihen einem Transaktionsvolumen entsprechen, bis zu welchem 60 Prozent aller Transaktionen mit dieser Anleihe stattfinden. Transaktionen mit einem Volumen bis zu 100 000 Euro werden bei den Berechnungen nicht berücksichtigt.

Covered Bonds genießen laut ESMA aufgrund ihrer besonderen Relevanz für die Realökonomie, insbesondere in Bezug auf die private Immobilienfinanzierung, insofern eine Privilegierung, als für sie der Perzentil-Anteil zur Bestimmung der Vorhandelstransparenz-SSTI 40 Prozent beträgt.

Die neuen ESMA Vorschläge gestalten sich durch den dynamischen Ansatz zur Ermittlung der Liquidität und der Schwellenwerte sehr komplex. Wertpapierfirmen müssen künftig prüfen, welche einzelnen Anleihen im Abgleich mit den ESMA Einstufungen als liquide gelten. In Anbetracht der umfangreichen Transparenzpflichten, insbesondere für systematische Internalisierer für Anleihen, sind diese Vorschläge als kritisch und teilweise praxisuntauglich einzustufen, da Wertpapierfirmen in Zukunft auf jeden Fall eine entsprechende Vorhandelstransparenz-Infrastruktur im Bondhandel bereithalten müssen.

Sascha Tamim Asfandiar, vdp Verband deutscher Pfandbriefbanken, Berlin

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