Viele Wahrheiten und weniger Baugenehmigungen

Quelle: Statistisches Bundesamt

Wie kann denn das sein? Das mögen sich nicht wenige gedacht haben, als sie die Zahlen des Statistischen Bundesamtes vor Augen hatten. Um neun Prozent sind bundesweit die Baugenehmigungen von Januar bis April zurückgegangen. Und dies trotz eines immer weiter steigenden Wohnbedarfs. Sofort drängt sich hier die Frage nach dem Grund auf. Sind es nur die schleppenden Baugenehmigungsverfahren? Sind die Kommunen und ihre vermeintlich drögen Verwaltungen schuld? Oft ist der erste Gedanke aber auch nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Denn Hemmschuhe für den Wohnungsbau im Lande gibt es viele. Beispielsweise steigende Baukosten. GdW-Präsident Axel Gedaschko machte jüngst in Berlin darauf aufmerksam, dass die Explosion der Bauvorschriften zu immer höheren Bauwerkskosten führe. Derzeit gebe es 20 000 Bauvorschriften - im Jahre 1990 seien es nur 5 000 gewesen. Wärmedämm- und Energieeinsparungsvorschriften sind ebenfalls ein Preistreiber. Seit 2002 habe die Kostensteigerung hierdurch 16 Prozent betragen.

Aber auch über den ökologischen Standard hinaus steigen die Anforderungen an neue Gebäude. Schallschutz, Einbruchschutz, moderne, den digitalen Herausforderungen der neuen Welt gewachsenen Elektroinstallationen und erhöhte Sicherheitsstandards wegen der derzeit auch klar statistisch belegbar steigenden Einbruchsgefahr. Darüber hinaus werden Baugundstücke immer teurer angeboten - auch und gerade von den Kommunen. Das frustriert nicht nur Projektentwickler. Carsten Sellschopf, Geschäftsführer des Projektentwicklers Formart GmbH, klagt im Tagesspiegel, dass sein Unternehmen in Berlin immer mehr Angebote für Bauland insbesondere in den Vororten "auf die Seite" lege. Grund: Die überhöhten Preise und damit einhergehend möglicherweise nicht genügend Käufer.

So weit, so richtig. Aber ohne Frage profitieren die Bauherren auch ordentlich von den steigenden Verkaufspreisen der Immobilien und den niedrigen Zinsen. Im Segment der sogenannten Nichtwohngebäude sind die Standards und die Baukosten aber zweifellos geringer. Das lässt die Bewerbung auf solche Projekte möglicherweise attraktiver erscheinen als auf Wohnprojekte. Die Statistik des Statistischen Bundesamtes spielt diesem Gedanken in die Hände: Die Genehmigungen von Hotels und Gaststätten schnellten in den ersten Monaten dieses Jahres um satte 27,7 Prozent in die Höhe. Die Zulassung des Baus von Warenlagergebäuden kletterte um 18,1 Prozent. Büro- und Verwaltungsgebäude verzeichneten einen Anstieg um immerhin noch 3,6 Prozent. Diese Zahlen können den politischen Akteuren auf Dauer aber nicht ernsthaft gefallen. Die Schaffung für mehr Raum für Arbeit muss auch mit der im besten Fall kongruenten Schaffung von Wohnraum einhergehen. Und das am besten kurzfristig. Die Schieflage insbesondere in den Ballungsräumen vergrößert sich dadurch weiter. Was ist hier also zu tun? Die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl versprechen für die Bürger einige Bonbons. Die Bauträgerseite wird - bis auf die FPD - vergleichsweise schwach berücksichtigt. Es ist allerdings im Falle des Wohnungsbaus ein Gebot der Stunde, auch beide Seiten zu berücksichtigen.

Axel Gedaschko fordert plakativ eine "echte Willkommenskultur für Bagger und Neubau". Dieses Statement leuchtet nicht sofort ein. Die Akzeptanz der Bevölkerung innerhalb von bereits existierenden Nachbarschaften - aber auch auf größeren innerstädtischen Brachflächen - sei zurückgegangen, sagt er. Es gelte das Prinzip "not in my backyard". Wenn dies so wäre, wäre es zunächst einmal kein formeller Hinderungsgrund. Dennoch sind diese "pikierten" Bürger natürlich Wähler, die die Politik mit unbedachter Verdichtung vergraulen kann. Doch in der Peripherie von Ballungszentren sitzen ebenfalls frustrierte Bürger, die nur zu gern Wohneigentum erwerben oder zumindest in eine schickere zentraler gelegene Wohnung ziehen wollen. Eine weitere Forderung ist die Erhöhung der Abschreibungsmöglichkeiten im Wohnungsbau. Hier solle die lineare Höhe von zwei auf drei Prozent erhöht werden. Warum auch nicht?

Bleibt andererseits aber auch die stets wiederkehrende Forderung Gedaschkos und anderer nach Abschaffung der Mietpreisbremse. In Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen geschieht nun ebendies. Im ersten Falle mit der Begründung, die Maßnahme habe keine stabilen Mietpreise gesichert, im zweiten Fall argumentiert man in Düsseldorf, dass die Bremse gar die privaten Investitionen in den Wohnungsbau gebremst habe. Doch wie kommen die Koalitionäre darauf? Gibt es Untersuchungen oder Studien, die ebendies belegen? Bislang nicht. Außerdem gilt diese Regelung nur für Gebäude mit Baufertigstellung bis Oktober 2014. Alle Gebäude, die danach erstmalig vermietet oder umfassend modernisiert wurden, sind davon ausgenommen. Maßgeblich ist es, die Unattraktivität des Wohnungsbaus im Vergleich zu anderen Wohnungsbauvorhaben zu minimieren. Dann wäre schon einiges bewegt. Der Handlungsdruck liegt in diesem Falle bei der Politik auf allen drei Ebenen. Der Markt richtet das derzeit nicht alleine. dro

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