Gebrochene Vorsätze

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Mit Neujahrsvorsätzen ist es bekanntlich immer so eine Sache: Von den vielen guten und ambitionierten Zielsetzungen zu Beginn eines neuen Jahres bleibt am Ende oftmals wenig übrig. Auch die EZB kann davon ein Lied singen, denn sie hatte sich das Jahr 2019 ursprünglich ganz anders vorgestellt: Die Ende 2018 vollzogene Einstellung der Nettoanleihekäufe sollte eigentlich den Auftakt für die viel beschworene geldpolitische Wende darstellen. Doch davon kann keine Rede mehr sein. Stattdessen stehen die Zeichen infolge der wirtschaftlichen Abkühlung in der Eurozone wieder ganz auf geldpolitischer Lockerung.

Das verdeutlichte auch einmal mehr der Auftritt von EZB-Präsident Mario Draghi im Nachgang zur jüngsten Ratssitzung vom 10. April: "Die hereinkommenden Wirtschaftsdaten sind schwach, vor allem für die Industrie", betonte der Italiener, der zum Ausklang seiner achtjährigen Amtszeit also offensichtlich noch einmal in seine Paraderolle als Krisenmanager schlüpfen darf. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, wird die EZB deshalb voraussichtlich im Juni die Details zu den bereits beschlossenen neuen Geldspritzen für Banken (TLTRO III) bekannt geben - eine Maßnahme, die ganz nebenbei eine Ausweitung der Notenbankbilanz auf neue Rekordstände mit sich bringt. Die konkrete Ausgestaltung dieser Refinanzierungsgeschäfte wird laut Draghi stark von den anstehenden Projektionen abhängen. Soll heißen: Je schlechter der Konjunkturausblick, umso großzügiger die Konditionen. Zudem signalisierte die EZB ihre Bereitschaft, potenzielle Entlastungen für Kreditinstitute hinsichtlich der negativen Einlagefazilitäten zu prüfen. Im Gespräch ist hier ein Modell mit gestaffelten Einlagezinsen.

Angesprochen auf die Frage, ob diese beiden Maßnahmen für den Fall eines Abdriftens in die Rezession ausreichen würden, betonte Draghi gleich mehrfach, dass die Notenbank trotz des mittlerweile ziemlich dünn bestückten geldpolitischen Werkzeugkastens mit ihrem Latein noch längst nicht am Ende sei: "Die EZB hat keinen Mangel an Instrumenten zur Zielerreichung". Konkretisieren wollte er dieses markige Statement indes nicht. Viele Experten interpretieren es aber bereits als eine Art Einstimmung auf neue Wertpapierkäufe, dann vermutlich sogar auf Aktien ausgeweitet. Am trefflichsten lässt sich die missliche Lage der EZB wohl mit einem Zitat Goethes umschreiben: "Die Geister, die sie rief, wird sie nun nicht mehr los."

Nicht loszuwerden ist auch die Kritik von US-Präsident Donald Trump an der Geldpolitik der Federal Reserve. Erneut hat er deutlich gemacht, dass er niedrigere Leitzinsen wünscht und das Anleihekaufprogramm nie hätte zurückgefahren werden dürfen. Zudem will er nun zwei enge Vertraute für das Führungsgremium der Notenbank nominieren. Wenig überraschend treten beide Kandidaten für eine extrem lockere Geldpolitik sowie volkswirtschaftlich kaum ernstzunehmende Thesen ein. Über die Frage der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit wird deshalb inzwischen heftiger denn je diskutiert. Selbst Mario Draghi hat sich dazu eingeschaltet und ungewohnt deutlich seine Sorgen über die Entwicklung in den USA kundgetan.

Unterdessen überraschte das im Nachgang zur jüngsten Sitzung des Offenmarktausschusses veröffentlichte Protokoll. Dieses legt - entgegen den momentan am Markt vorherrschenden Zinssenkungsfantasien - den Schluss nahe, dass sich die US-Notenbank für dieses Jahr alle Optionen offen hält. So betonen darin zahlreiche Fed-Entscheider, "dass sich ihre Sicht auf den angemessenen Zielzins für die Federal Funds auf Basis der hereinkommenden Daten in jede Richtung bewegen könne".

Nur eine Richtung scheinen derweil die Bauzinsen in Deutschland zu kennen: nach unten. Der von der Dr. Klein Privatkunden AG ermittelte Bestzins für zehnjährige Hypothekendarlehen erreichte Ende März mit 0,79 Prozent einen abermaligen Tiefststand. Und: Aufgrund der anhaltend politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten könnte es noch weiter bergab gehen. ph

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