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Alternativen zum Core-Immobilienmarkt in Deutschland - Tokio kehrt ins Bewusstsein der Anleger zurück

Grafik 1: Bevölkerungsentwicklung japanischer Städte Quelle: Oxford Economics, 2014

Internationale Investoren suchen Alternativen zu deutschen Immobilien. Der Fokus richtet sich auf Asien, wo die Immobilienmärkte mit vielversprechenden Wirtschaftsdaten locken. Asiatische Metropolen werden den Westen mit ihrem rasanten Wachstum bald in vieler Hinsicht überholen. In Asien rückt nach zwanzigjähriger Auszeit Tokio wieder ins Bewusstsein. Entgegen dem Landestrend nimmt die Einwohnerzahl im Großraum Tokio weiter zu. Mit 84 Millionen Quadratmeter Bürofläche hat Tokio mehr zu bieten als New York und London zusammen. Langfristig engagierte Investoren werden in Tokio mit stabilen Mietrenditen belohnt. Jedoch sollten Anleger auf genaues Timing achten, da der Markt von zyklischen Wellen nicht verschont bleibt. Red.

Deutschland, und hier insbesondere der Retail-Markt, erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit unter internationalen Immobilieninvestoren. Aus Sicht der Investoren ist dies verständlich, denn hiesige Assets gelten vor dem Hintergrund der zurzeit bestehenden wirtschaftlichen und geopolitischen Krisen als "sicherer Hafen". Andererseits trifft die hohe Liquidität, die zurzeit nach Deutschland strömt auf ein immer knapper werdendes Angebot, insbesondere in den Top-Lagen der großen Städte, allen voran München.

Auf der Suche nach Alternativen in Europa sind Städte wie London, Istanbul oder Stockholm einen Blick wert. In ökonomischer, demografischer und technologischer Hinsicht verfügen sie über die vergleichsweise besten Voraussetzungen, um auch in Zukunft Fachkräfte, Touristen und internationale Mieter anzuziehen.

Jedoch hat sich hier (wie auch in den nordamerikanischen) Core-Märkten ebenfalls der Wettbewerb um die besten "Filetstücke" verschärft, sodass sich der Fokus zwangsläufig auf Asien richtet, wo die Immobilienmärkte mit sehr vielversprechenden Wirtschaftsdaten locken. Unverkennbar ist die Weltwirtschaft dabei, sich in die asiatischen Metropolen zu verlagern - ein globaler Megatrend. Noch repräsentiert Asien 60 Prozent der Weltbevölkerung, aber nur 35 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP). Bis 2050 wird die Region voraussichtlich die Hälfte des weltweiten BIP erwirtschaften und ein Pro-Kopf-Einkommen erreichen, das dem heutigen Niveau in Europa entspricht.

Megastädte entstehen am Fließband

Asiatische Metropolen werden den Westen mit ihrem rasanten Wachstum bald in vieler Hinsicht überholen und unsere Zukunft entscheidend prägen. Im Mittel wachsen diese Städte um 5 Prozent jährlich, im Vergleich dazu schaffen europäische und nordamerikanische Städte gerade einmal 2 Prozent. Die starke Urbanisierungsrate führt dazu, dass in China Megacities quasi am Fließband entstehen; in den kommenden 15 Jahren werden 70 Prozent der Chinesen in Städten leben - ähnlich hoch sind die Werte sonst nur in entwickelten Volkswirtschaften.

Die beeindruckenden Zahlen sollten jedoch nicht von Risiken ablenken lassen, die mit Investitionen in diesen Regionen einhergehen können: etwa ein Mangel an Transparenz bei gesetzlichen Vorgaben oder auch Fehlplanung und Überinvestition - ein Phänomen, das häufig in den schnell wachsenden Städten Chinas zu beobachten ist.

Weniger spektakulär als der chinesische Bauboom, dafür aber mit stabilen Fundamentaldaten, rückt nach zwanzigjähriger "Auszeit" eine Stadt ins Bewusstsein, die mit rund 36,5 Millionen Einwohnern heute die größte Metropolregion der Welt ist und auch für Jahrzehnte die größte globale Wirtschaftsregion bleiben wird, trotz rasantem Wachstum anderswo in Asien: Tokio.

Angst vor dem demografischen Wandel?

Die wirtschaftliche Stagnation, die Japan nach seiner Blütezeit bis Ende der achtziger Jahre als führende Wirtschaftsnation erlebte, macht sich bis heute bemerkbar. Von 1991 bis 2015 ist die japanische Wirtschaft um lediglich 0,8 Prozent pro Jahr gewachsen.

Gleichzeitig hat kein anderes Industrieland der Welt in den vergangenen Jahrzehnten eine derartige Alterung der Bevölkerung erlebt wie Japan. In Zukunft wird sogar die Gesamtbevölkerung schrumpfen. Bis 2050, so das National Institute of Population and Social Security Research Japan, IPSS, werden anstelle von 127 Millionen nur noch rund 95 Millionen Menschen in Japan leben.

Drastisch wirkt sich der demografische Wandel auf den Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung aus. Von 87 Millionen (70 Prozent der Gesamtbevölkerung), dem Höchstwert, ist er auf 77 Millionen (61 Prozent der Gesamtbevölkerung) im Jahre 2015 gesunken.

Was den demografischen Wandel angeht, gilt Japan als Blaupause für eine Entwicklung, die anderen Ländern, insbesondere Deutschland, noch bevorsteht. In den nächsten 20 Jahren wird der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung in Japan um weitere 4,5 Prozentpunkte sinken und damit den Tiefstwert aller Industrienationen erreichen. Andere Länder werden im gleichen Zeitraum einen noch deutlicheren Rückgang erfahren: schätzungsweise minus 5 Prozentpunkte in den USA, minus 8 Prozentpunkte in Deutschland, minus 10 Prozentpunkte in Singapur und minus 6,5 Prozentpunkte in China.

Aus dieser Perspektive ist der Ausblick für Japan sogar vergleichsweise positiv - zumal die japanische Wirtschaft trotz des dramatischen Rückgangs der erwerbstätigen Bevölkerung bisher trotzdem wachsen konnte, wenn auch auf relativ niedrigem Niveau.

Entgegen dem Landestrend nimmt die Einwohnerzahl im Großraum Tokio jedoch weiter zu und wird in den kommenden 15 Jahren voraussichtlich ihren Höhepunkt erleben. In weniger wirtschaftlich erfolgreichen Städten Japans geht die Einwohnerzahl dagegen zum Teil rapide zurück. So wird Sapporo im gleichen Zeitraum um schätzungsweise 15 Prozent schrumpfen. Die differenzierte Betrachtung lohnt sich, denn die demografische Entwicklung spiegelt sich auch in den Immobilienpreisen: Im Gegensatz zu Tokio liegen die Büromieten in Nagoya schon heute 25 Prozent unter dem Wert von 1996 und in Osaka haben sie sich sogar halbiert.

Tokio ist nicht Japan

Mit 84 Millionen Quadratmetern Bürofläche hat Tokio auf diesem Sektor mehr zu bieten als New York und London zusammen. Tokio ist eine der wirtschaftlich erfolgreichsten Metropolen weltweit - und laut dem aktuellen Ranking des britischen Lifestyle-Magazins "Monocle", die "lebenswerteste Stadt" dazu.

Das öffentliche Verkehrssystem, Inbegriff für Funktionalität und Sicherheit, gilt als weltweit einzigartig und soll weiter ausgebaut werden. Zahlreiche städtische Entwicklungs- und Sanierungsprojekte befinden sich in der Umsetzungsphase, nicht zuletzt in Vorbereitung auf die olympischen Spiele 2020, mit denen sich Tokio der Weltöffentlichkeit als technisch führende, innovative und internationale Metropole präsentieren will.

Den Prognosen zufolge wird der Großraum Tokio in den kommenden 15 Jahren fast 50 Prozent des gesamten japanischen BIP-Wachstums erzeugen und einen deutlich jüngeren Altersdurchschnitt aufweisen als der Rest des Landes. Die Stadt übt eine enorme Anziehungskraft auf junge Erwerbstätige aus, die hier ihre Familien gründen und erst im Ruhestand wieder in die Randgebiete ziehen, wo der Lebensunterhalt günstiger ist.

Insofern unterscheidet sich Tokio nicht von Europa, das sich unter dem Eindruck des demografischen Wandels ebenfalls stark verändert. Wirtschaftlich erfolgreiche Städte wie Mailand und München ziehen im nationalen Vergleich davon und rücken daher eher in den Blick der Investoren als andere Städte in Deutschland und Italien, die unter einem teilweise starken Bevölkerungsrückgang leiden.

Wachsende Zuversicht im Immobiliensektor

Seit einigen Jahren befindet sich der Immobiliensektor auf dem Pfad der Erholung. Heute sind die Büromieten in Tokio nominal wieder so hoch wie 1996, unmittelbar nach dem Platzen der großen Immobilienblase, die während der Boomzeit in den achtziger Jahren entstanden war. Wohnungsmieten sind im gleichen Zeitraum sogar um 25 Prozent gestiegen.

Langfristig engagierte Investoren in Tokio werden mit stabilen Mietrenditen belohnt, denn die Leerstände sind insgesamt sehr gering und Finanzierungen extrem günstig. Beides Eigenschaften, die Anleger auch an Deutschland schätzen. Sie sollten aber in Tokio auf genaues Timing achten, denn auch ein sich langfristig nur seitwärts entwickelnder Immobilienmarkt wie der japanische bleibt nicht von zyklischen Wellen verschont. So erlebten die Büromieten in Tokio vor der weltweiten Finanzkrise 2008 einen Anstieg um 70 Prozent innerhalb von drei Jahren, um danach fast ebenso schnell wieder auf das Ausgangsniveau zurückzufallen.

Nach dem Erdbeben vom 11. März 2013 und der folgenden Atomkatastrophe in Fukushima hat sich der japanische Immobilienmarkt erstaunlich robust erwiesen, Panikverkäufe gab es kaum. Auch das lässt sich als Zeichen für die wachsende Zuversicht im Immobiliensektor deuten.

Der Ausbau der Infrastruktur treibt die Nachfrage im Segment der Gewerbeimmobilien an. In der Umgebung der Hauptverkehrsadern und neuen Bahnhöfe herrscht rege Bautätigkeit. Die durchschnittliche Gebäudegröße steigt von 34000 Quadratmetern im Jahre 2014 auf 53000 Quadratmetern im Jahre 2016, wobei die Tendenz für die darauffolgenden Jahre noch deutlicher nach oben zeigt. Ein großer Anteil davon sind aber überfällige Revitalisierungen.

Der japanische Wohnungsmarkt blieb von dem Preisboom, der die meisten entwickelten Länder weltweit erfasst hatte weitgehend verschont. Stark nachgefragt sind zurzeit Wohnungen in der Nähe der olympischen Sportstätten im Trendviertel Kachidoki.

Deutlich im Aufwind befinden sich die Preise für Retail-Flächen, insbesondere im Zentrum Tokios. Mehrere Großprojekte werden in den kommenden Jahren in den beliebten Einkaufsvierteln, allen voran Ginza, realisiert. Sie profitieren vor allem von dem starken Zuwachs im Tourismus, insbesondere aus China. Grund sind neben dem schwachen Kurs des Yen auch Bemühungen Japan als Reiseland attraktiver zu machen.

Handel auf der digitalen Überholspur

Weit mehr als in Europa wird der Aufschwung im Retail-Markt von der Affinität der japanischen Bevölkerung zu technischen und digitalen Innovationen getrieben. Die Spanne reicht dabei von kreativen Shopkonzepten bis hin zu einer weit entwickelten E-Money-Infrastruktur auf RFID-Basis, die das kontaktlose Bezahlen ermöglicht und sich zunehmend verbreitet.

Mit 4,4 Prozent am Gesamthandel ist Japans E-Commerce noch nicht sehr ausgeprägt (zum Vergleich: Deutschland zirka 10 Prozent), erfreut sich aber wachsender Beliebtheit und hat noch viel Entwicklungspotenzial. Neben zwei chinesischen Anbietern zählt der japanische Online-Händler Rakuten zu den drei größten Konkurrenten von Amazon im asiatischen Raum.

Stabile Renditen in Tokio

Alle Augen richten sich derzeit auf die Politik des Ministerpräsidenten Shinzo Abe, der bei seinem Amtseintritt vor zweieinhalb Jahren versprochen hat, der zwanzigjährigen Stagnation ein Ende zu setzen und Strukturreformen anzustoßen. So zählt Tokio zu den speziellen Wirtschaftszonen ("National Strategic Special Zones"), die im Zuge des Reformprogramms von der Regierung eingerichtet wurden, mit dem Ziel, bürokratische Hürden für internationale Investoren abzubauen und Arbeitsbedingungen für ausländische Fachkräfte zu vereinfachen. Die japanische Wirtschaft scheint Fahrt aufzunehmen. Im ersten Quartal 2015 hat das Wachstum der nach USA und China drittgrößten Volkswirtschaft um satte 3,9 Prozent zugelegt.

Für Investoren, die nach stabilen Alternativen zu den herkömmlichen Core-Märkten in Deutschland suchen, lohnt der Blick nach Tokio, aber nicht unbedingt in andere japanische Regionen. Die globale Megacity bietet in erster Linie stabile Mietrenditen. Zu Recht kehrt Tokio ins Bewusstsein der Anleger zurück.

Der Autor

Stefan Wundrak - Head of European Research, TIAA Henderson Real Estate Ltd., London

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