Wohnungswesen

Bevölkerungswachstum als Treiber der Wohnungsnachfrage in Deutschland

Abbildung 1: Wanderungsbewegungen nach Deutschland: Zuzüge, Fortzüge und Nettozuwanderung 1950-2015 Quelle: Statistisches Bundesamt, Wanderungsstatistik; bis 1990 nur früheres Bundesgebiet; 2014/2015 GdW-Schätzung

Die Zuwanderung aus dem Ausland wächst weiter deutlich an. Euro-Krise, Arbeitnehmerfreizügigkeit für die osteuropäischen EU-Staaten und Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisenregionen führen schon seit 2010 zu einem Bevölkerungswachstum in Deutschland. 2015 sollte der Wanderungssaldo 600 000 Personen erreichen. Die Unterbringung von Flüchtlingen stellt die Politik und Wohnungswirtschaft vor wachsende Herausforderungen. 2015 könnten erstmals 800 000 neu ankommende Flüchtlinge registriert werden. In Universitätsstädten führen steigende Studentenzahlen zur Anspannung auf den Wohnungsmärkten. Die Zahl der angehenden Akademiker stieg erneut um drei Prozent und erreichte einen neuen Höchststand. Prognosen zeigen steigende Disparitäten auf den Wohnungsmärkten. Im Jahr 2030 werden nur noch knapp 39 Prozent der Kreise in Deutschland eine Zunahme der Haushalte verzeichnen, aktuell sind es noch drei Viertel aller Kreise. Red.

Die Bevölkerungszahl Deutschlands, die vor gut zehn Jahren erstmals zu schrumpfen begann, ist mittlerweile durch eine steigende Zuwanderung aus dem Ausland seit vier Jahren auf einen deutlichen Wachstumskurs zurückgekehrt. Diese Trendumkehr treibt die Wohnungsnachfrage insbesondere in den Großstädten Deutschlands nach oben. Im Jahr 2014 ist die Einwohnerzahl in Deutschland insgesamt um 430 000 Menschen auf 81,2 Millionen Personen angewachsen. Dies entspricht einer Zunahme um 0,5 Prozent. Im Vergleich zum Jahr 2010 leben heute in Deutschland fast eine Million mehr Menschen (plus 1,2 Prozent). Im davorliegenden Zeitraum von 2003 bis 2010 war die Einwohnerzahl Deutschlands kontinuierlich gesunken. Insgesamt ging die Bevölkerung in jener Periode um ein Prozent zurück. Das Geburtendefizit - der negative Saldo zwischen Geburten und Sterbefällen - betrug im Jahr 2014 nach ersten Schätzungen etwa 130 000 Personen. Im Vergleich zu den vergangenen zehn Jahren ein relativ geringes Niveau. Noch 2013 hatte das Geburtendefizit den höchsten Stand seit der deutschen Wiedervereinigung erreicht. Mit dem Trendwechsel bei der Zuwanderung im Jahr 2010 wurde das Geburtendefizit allerdings durch Wanderungsgewinne überkompensiert.

Seit 2010 Nettozuwanderung

Seit 2010 gewinnt Deutschland durch Nettozuwanderung jährlich mehr Einwohner hinzu. Allein im Jahr 2014 registrierte die amtliche Statistik nach ersten Ergebnissen im Saldo von Zu- und Abwanderung über eine halbe Million Zuwanderer. Bereits in den Vorjahren waren die Zuwanderungszahlen überdurchschnittlich hoch. (2013: 429 000 Personen beziehungsweise 2012: 370 000 Personen). Für 2015 wird nach ersten Berechnungen ein Zuwanderungssaldo von 600 000 Personen erwartet. Im Mittel der Jahre 2010 bis 2015 sind demnach im Saldo fast 400 000 Personen jährlich nach Deutschland zugewandert. Ein Ergebnis, das Annahmen vieler Langfristprognosen zur Bevölkerungsentwicklung in den Schatten stellt. Die Auswirkung der seit Mitte 2015 sehr stark gestiegenen Zahl der zuwandernden Flüchtlinge kann derzeit noch nicht abschließend beziffert werden. Oben genannte Zuwanderungssalden werden aber vermutlich noch weit höher ausfallen.

Für die deutliche Trendwende sind zwei Faktoren ausschlaggebend: Zum einen ermöglicht der Wegfall der meisten Freizügigkeitsbeschränkungen mehr Zuwanderung aus den EU-Ländern Ost- und Südosteuropas, die der EU erst vor wenigen Jahren beigetreten sind. Zum anderen hat die Wirtschaftskrise in weiten Teilen Europas, begleitet von einer hohen Arbeitslosigkeit in den betroffenen Ländern, Deutschland als Arbeitsmarkt deutlich attraktiver gemacht, und zwar für Zuwanderer aus EU-Ländern wie auch für Rückkehrer nach Deutschland.

Für das Jahr 2014 liegen erste vorläufige Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes zur Struktur der Zuwanderung vor: Demnach zogen 2014 etwa 1465000 Personen nach Deutschland. Das waren 238000 Zuzüge mehr als im Jahr 2013 (plus19 Prozent). Damit gab es zum vierten Mal in Folge eine zweistellige Zuwachsrate bei den Zuwanderungen. Eine ähnlich hohe Zuwanderungszahl in absoluten Zahlen hat es zuletzt im Jahr 1992 (1 502000 Personen) gegeben.

Gleichzeitig zogen im Jahr 2014 rund 914 000 Personen aus Deutschland fort (plus 15 Pro zent). Insgesamt hat sich dadurch der Wanderungssaldo von 429 000 auf 550 000 Personen erhöht (plus 28 Prozent). Die meisten ausländischen Zugezogenen stammten aus Europa. 62 Prozent aller Zuwanderer kamen dabei aus Staaten der Europäischen Union (EU).

Zuwanderung = Stärkung des Erwerbspersonenpotenzials

Die Zuwanderung nach Deutschland bedeutet eine nachhaltige Stärkung des Erwerbspersonenpotenzials in Deutschland. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg müsste die Zahl potenzialer Erwerbstätiger 2015 - isoliert die demografische Alterung der Bevölkerung betrachtet - um 320000 Personen sinken (nach minus 290000 im Jahr 2014).

Stattdessen stieg die Zahl der Beschäftigten in Deutschland deutlich an. Im Januar 2015 lag sie um rund 453000 Personen höher als im Januar 2014. Die Beschäftigungseffekte werden seit 2010 vor allem von Zuwanderern aus den osteuropäischen EU-Staaten getragen, die im Mai 2011 erstmals über vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit verfügten.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR zählte zum Jahresende 2013 etwa 51,2 Millionen Personen, die durch Krieg, Bürgerkrieg und andere politische und ethnische Konflikte gewaltsam vertrieben wurden und auf der Flucht sind, ein Drittel davon außerhalb ihres Heimatlandes.

Flüchtlingsunterbringung wird zur Herausforderung

In der EU wurden 2014 etwa 571 000 Asylerstanträge gestellt, 173 000 davon in Deutschland. In Deutschland ist die Zahl der Erstanträge damit gegenüber 2013 um 60 Prozent gestiegen. Allein im ersten Halbjahr des Jahres 2015 wurden 160 000 Asylerstanträge (plus 137 Prozent gegenüber 2014) verzeichnet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rechnet aufgrund des steigenden Trends im Jahresverlauf 2015 mit bis zu 800 000 neu registrierten Flüchtlingen. Ähnlich viele Asylbewerber hat es in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands nur einmal Anfang der neunziger Jahre im Zusammenhang mit den kriegerischen Auseinandersetzungen in Ex-Jugoslawien gegeben.

Die Zahl der Flüchtlinge, deren Verfahren positiv beschieden wird und die als Asylbewerber oder Flüchtlinge anerkannt werden, ist bedeutend niedriger. 2014 erhielten 32 Prozent aller Antragsteller einen Aufenthaltstitel oder wurden vor Abschiebung geschützt. Im ersten Halbjahr 2015 ist diese Schutzquote auf 36 Prozent der entschiedenen Fälle gestiegen. Im Juni des Jahres lag sie sogar bei knapp 42 Prozent. Eine wachsende Zahl von Flüchtlingen bekommt folglich einen befristeten Aufenthaltstitel. Die Erfolgschancen der Anträge auf Asyl oder die Anerkennung als Flüchtlinge schwanken stark nach Herkunftsländergruppen: In den von Krieg und Bürgerkrieg betroffenen Ländern liegt die Quote derjenigen, die nach inhaltlichem Abschluss des Asylverfahrens geschützt werden, zwischen knapp 80 Prozent (Eritrea) und fast 90 Prozent (Syrien und Irak).

Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die Länder des westlichen Balkans. Hier schwanken die Schutzquoten nach inhaltlichem Abschluss des Verfahrens zwischen 0,1 Prozent (Serbien) und 0,3 Prozent (Kosovo). Asylbewerber und Flüchtlinge dürfen sich bis zur Entscheidung über ihre Anträge in Deutschland aufhalten, sie erhalten eine Aufenthaltsgestattung. In den ersten drei Monaten des Aufenthalts unterliegen die Asylbewerber und Flüchtlinge einer Residenzpflicht, die sich in der Regel auf den Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Ausländerbehörde erstreckt. Danach können sie seit Januar 2015 ihren Aufenthaltsort frei wählen.

Nach Ergebnissen der aktuellen Asylbewerberleistungsstatistik leben rund 55 Prozent der Flüchtlinge, die nicht mehr in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht sind, in einer Wohnung und nicht in Sammelunterkünften. Diese Wohnungsquote ist mit Anwachsen der Flüchtlingszahlen in den letzten Jahren spürbar abgesunken. Die Wohnungswirtschaft leistet bereits einen wichtigen Beitrag zur Unterbringung von Flüchtlingen. Rund zwei Drittel der befragten GdW-Unternehmen setzen bereits Wohnungen zur Unterbringung von Flüchtlingen ein oder stehen unmittelbar davor. Ihr Hauptmotiv: Soziale Verantwortung, wie 92,5 Prozent der Wohnungsunternehmen bestätigen.

Dabei würden sich die Unternehmen aber noch viel stärker engagieren, wenn die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen das zulassen würden. Bund, Länder und Kommunen müssen dazu ihr finanzielles Engagement bei der sozialen Betreuung und integrativen Maßnahmen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit und Bildung, deutlich verstärken, fordern zwei Drittel der Wohnungsunternehmen.

Als größte Probleme werden die mangelnden Angebote zur Berufsintegration sowie die Schaffung von Akzeptanz bei der Quartiersbevölkerung und die Kommunikation der Behörden mit den Wohnungsunternehmen vor Ort benannt.

Noch nie in der Geschichte Deutschlands haben so viele junge Menschen studiert wie im Wintersemester 2014/2015. Zum Jahreswechsel lag die Zahl der Studierenden bei fast 2,7 Millionen Personen. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Studierenden um 700000 gestiegen. Allein im Vergleich zum Wintersemester 2013/2014, das bereits einen Rekord an Studierenden verzeichnete, stieg die Zahl der angehenden Akademiker nochmals um 3 Prozent beziehungsweise knapp 80000 Personen.

Zahl der Studierenden erreicht einen neuen Höchststand

In den Universitätsstädten führen die steigenden Studentenzahlen bereits seit einigen Jahren zu kurzfristigen Anspannungen auf den Wohnungsmärkten. Ähnlich wie andere einkommensschwache Haushalte sucht auch der überwiegende Teil der Studierenden Wohnungen im unteren Preissegment. Die Nachfrage richtet sich dabei auf preisgünstige kleine Wohnungen oder Wohnungen, die vom Grundriss her für Wohngemeinschaften geeignet sind.

Nach Untersuchungen der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) zu den Studienanfängern im Wintersemester 2011/12 sind für die Wahl der Hochschule mehrheitlich ein den fachlichen Interessen entsprechendes Studienangebot (88 Prozent), der gute Ruf der Hochschule (65 Prozent) und die Nähe der Hochschule zum Heimatort (64 Prozent) ausschlaggebend.

Die Tendenz, außerhalb des Landes, in dem die Studienberechtigung erworben wurde, zu studieren, hat allerdings in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Bei den Studienanfängern wuchs die Wanderungsquote von 27 Prozent (1992) auf 34 Prozent (2012), bei den Studierenden von 29 Prozent auf 36 Prozent. Auf mittlere Frist wird sich die Nachfragesituation an den deutschen Hochschulen aufgrund der demografischen Entwicklung wieder entspannen. Bereits im Studienjahr 2014 haben etwas weniger junge Menschen ein Studium an einer deutschen Hochschule begonnen. Die Zahl der Erstsemester lag bei 501 000 Studienanfängern. Das entsprach einem Rückgang von 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ohne eine leichte Zunahme bei den ausländischen Studienanfängern, die um 4,5 Prozent zulegten, wäre der Rückgang noch deutlicher ausgefallen.

Der Boom bei den Studienanfängerzahlen, der im Jahr 2011 mit knapp 520 000 Studienanfängern seinen bisherigen Höhepunkt erreichte, ist zum großen Teil Sonderentwicklungen wie der Abschaffung von Wehr- und Zivildienst sowie doppelter Abiturjahrgänge durch die Schulzeitverkürzung geschuldet (zum Beispiel 2011 in Bayern und Niedersachsen, 2012 in Baden-Württemberg).

Laut Prognosen der Kultusministerkonferenz wird die Zahl der Studienanfänger zunächst bis zum Jahr 2019 auf hohem Niveau von rund 500 000 Erstsemester jährlich verbleiben. Danach soll deren Zahl bis zum Jahr 2025 auf 465 000 zurückgehen. Dies entspricht in etwa dem Niveau des Jahres 2010, als die genannten Sondereffekte noch nicht wirksam waren.

Großstädte und Ballungszentren gewinnen - Land verliert

Der Bevölkerungszuwachs in Deutschland verteilt sich nicht gleichmäßig auf alle Regionen. Binnenumzüge und Außenzuwanderung haben die Bevölkerung vor allem in Großstädten zunehmend seit 2005 und besonders stark seit 2010 anwachsen lassen. Auch die verstädterten Kreise im Umland der großen Städte wachsen seit 2012 wieder, wenn auch mit geringerer Dynamik als die Großstädte. Der ländliche Raum verzeichnet dagegen seit 2000 rückläufige Bevölkerungszahlen. Zuletzt hat sich dieser Einwohnerverlust allerdings auch hier abgeschwächt.

Bevölkerungsverluste sind aktuell in gut der Hälfte aller Kreise in Deutschland Realität. Knapp 28 Prozent aller Kreise weisen eine wachsende Bevölkerungszahl auf. Hier leben allerdings rund 38 Prozent aller Haushalte und knapp 45 Prozent aller Mietwohnungen liegen in diesen Räumen. Zum einen verteilen sich die Zuzüge aus dem Ausland nicht gleichmäßig in der Fläche, sondern begünstigen bestimmte Teilräume Deutschlands. Neue Zuwanderer knüpfen häufig an bestehende soziale Netze früherer Migration an: So konzentrieren sich die Zuzüge auf die großen Agglomerationen und deren Kernstädte.

Zum anderen begünstigt auch die Binnenwanderung die Ballungszentren in Deutschland. Junge Leute im Alter von 20 bis unter 35 Jahren gehören zu den mobilsten Altersgruppen und ziehen seit je häufiger um als andere Altersgruppen. In vielen großen Städten ist ihre absolute Zahl sowie ihr prozentualer Anteil gestiegen. Bundesweit sank der Anteil der jungen, mobilen Bildungs- und Berufsstarter dagegen von 19,8 Prozent im Jahr 2000 auf noch 18,3 Prozent im Jahr 2013.

Zahl der Haushalte steigt stärker als Bevölkerungszahl

Absolut nahm diese Bevölkerungsgruppe damit im entsprechenden Zeitraum um rund zwei Millionen Personen ab. Die Binnenwanderung junger Menschen führt in der alternden Gesamtbevölkerung zu einer stärkeren räumlichen Konzentration junger Menschen in Groß- und Universitätsstädten. Der ländliche Raum verliert dagegen anteilig und absolut junge Menschen.

Die Zahl der Haushalte steigt immer noch deutlich stärker als die Bevölkerungszahl, da die durchschnittliche Haushaltgröße weiterhin sinkt. Anzahl und Größe der Haushalte sind der maßgebliche Faktor für die Wohnungsnachfrage. Verkleinern sich die Haushalte, da immer weniger Personen in einem Haushalt beziehungsweise immer mehr Menschen allein in einer Wohnung leben, kann sich die Wohnungsnachfrage in einer Region weiter erhöhen, auch wenn die Bevölkerungszahl zurückgeht. 75 Prozent der gegenwärtig 40,2 Millionen.

Haushalte in Deutschland sind Ein- und Zweipersonenhaushalte, in den großen Städten liegt die Quote mit über 80 Prozent noch höher. Die Personenzahl der Haushalte in Deutschland ist in der jüngeren Vergangenheit immer mehr geschrumpft. Lebten 1991 noch durchschnittlich 2,27 Personen in einem Haushalt, so waren es im Jahr 2014 nur noch 2,01 Personen. Begründet durch diesen Verkleinerungsprozess ist die Zahl der Haushalte zwischen 1991 und 2014 um 17 Prozent angestiegen, während die Bevölkerung nur um 3 Prozent gewachsen ist.

Der Prozess der Haushaltsverkleinerung wird sich in der Zukunft zwar etwas abschwächen, aber doch kontinuierlich fortschreiten. Die aktuelle Raumordnungsprognose des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung geht davon aus, dass sich die Haushaltsgröße bis 2035 auf einen Wert von durchschnittlich 1,91 Personen verringern wird. Die Bevölkerung in privaten Haushalten wird bis dahin nach Prognose des Bundesamtes rund 3 Prozent abnehmen, während die Zahl der Haushalte dagegen noch um 2 Prozent zunimmt.

Stärkere Nachfragedisparitäten auf regionalen Wohnungsmärkten

Die größere Dynamik der Haushaltszahl gegenüber der Bevölkerungszahl wird allerdings auch in der näheren Zukunft Bestand haben. Regional spitzen sich die Unterschiede allerdings zu. Anfang 2015 hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) eine kleinräumig differenzierte Haushaltsprognose bis zum Jahr 2030 vorgelegt. Wichtigstes Prognoseergebnis: Auf Dauer kann der Haushaltsverkleinerungsprozess in vielen Regionen die abnehmende Bevölkerungsentwicklung nicht länger kompensieren.

Trotz deutlichen Wohnungsbedarfs in vielen Großstädten werden immer mehr Regionen in Deutschland schrumpfen. Die Zahl der Haushalte und damit auch der Wohnungsbedarf werden hier zurückgehen. Über den gesamten Zeitraum der nächsten 15 Jahre bis 2030 wird die Zahl der Haushalte nur noch in 108 Kreisen deutlich wachsen (plus 5 Prozent und mehr in 15 Jahren). Entscheidend ist aber vielmehr der Wechsel in der Dynamik, der sich innerhalb des Prognosezeitraums vollzieht: Zu Beginn - im Jahr 2015 - weisen drei Viertel aller Kreise in Deutschland noch eine wachsende Haushaltszahl auf. Im weiteren Prognoseverlauf verändert sich das Verhältnis von wachsenden zu schrumpfenden Haushaltszahlen kontinuierlich in Richtung Schrumpfung.

Wenige Gewinner und viele Verlierer

Im Jahr 2030 wird für noch knapp 39 Prozent der Kreise eine wachsende Haushaltszahl (Veränderung gegenüber dem Vorjahr) prognostiziert. Die überwiegende Mehrheit verzeichnet dann bereits einen Rückgang der Wohnungsnachfrage. Für die Jahre nach 2025 ermittelt die BBSR-Prognose auch für die Großstädte insgesamt eine deutlich rückläufige Haushaltszahl. Mit Verringerung des Bevölkerungspotenzials in den Herkunftsregionen der Binnenzuwanderung wird sich also auch das Feld der heute zumeist wachsenden Großstädte in wenige Gewinner und viele Verlierer der demografischen Entwicklung aufspalten.

Analysen der aktuellen und zukünftigen Haushaltsentwicklung zeigen: Die Anzahl der Haushalte steigt bis 2035 nur in geringem Umfang. Regional verstärken sich die Disparitäten. Die Schrumpfung als vorherrschender Trend wird sich in den neuen Ländern auch in Zukunft fortsetzen, doch zeigen sich Ausnahmen als auch deutliche Unterschiede zwischen den Städten Ostdeutschlands. So können Großstädte und Städte in Ballungsräumen in den neuen Ländern aufgrund der regionalen Wanderungsgewinne teilweise wieder Bevölkerungszuwächse verzeichnen.

Mehr als drei Viertel des Wohnungsbestandes in den neuen Ländern befindet sich jedoch in Städten und Regionen, die bis 2035 weiter stark schrumpfen, der weit überwiegende Teil davon wird einen Rückgang der Haushaltszahlen um 10 Prozent und mehr verkraften müssen. In den ostdeutschen Ländern standen Ende 2011 laut Zensus 580 000 Wohnungen leer.

Wenn der Abriss in den neuen Ländern nicht weiter vorangetrieben wird, könnte es bis zum Jahr 2030 nach einer Prognose des Instituts für Stadtforschung und Strukturpolitik in Berlin zu einer Verdreifachung des Leerstandes kommen. Ohne eine Fortsetzung des Stadtumbaus sind bis spätestens 2030 Leerstandsquoten von mehr als 20 Prozent in den meisten Regionen der neuen Länder zu erwarten. Die Leerstandsquote bei den Unternehmen des GdW in den neuen Ländern ist 2014 erstmals seit vielen Jahren nicht mehr weiter zurückgegangen. Rund 165 000 Wohnungen stehen allein bei den Unternehmen des GdW leer. Für 2016 erwartet der GdW sogar einen leichten Anstieg der Leerstandsquote in den neuen Ländern von 9,1 Prozent auf 9,2 Prozent. Damit zeichnet sich eine Trendwende ab. Die ostdeutschen Bundesländer stehen unmittelbar vor einer zweiten Leerstandswelle. In den klassischen Schrumpfungsregionen wachsen die Leerstände wieder. 35 Prozent der GdW-Unternehmen in den neuen Ländern verzeichneten in den vergangenen drei Jahren bereits wieder steigende Leerstände.

Regionen sind sehr differenziert zu betrachten

Aber auch in strukturschwachen Abwanderungsgebieten in den alten Bundesländern wachsen die Leerstände bei GdW-Unternehmen bereits seit geraumer Zeit. Insgesamt standen in den westdeutschen Bundesländern Ende 2014 rund 76000 Wohnungen leer. Rund 280 der 1660 Wohnungsunternehmen in den alten Ländern zeigten in den letzten drei Jahren eine aufwärtsgerichtete Tendenz des Wohnungsleerstandes, wenngleich zumeist auf einem deutlich niedrigeren Niveau als in den neuen Bundesländern.

Dabei sind die Regionen allerdings sehr differenziert zu betrachten. Während viele Kommunen mit erheblichen Leerständen zu kämpfen haben, werden in Boom-Regionen händeringend neue Wohnungen gebraucht.

Der Autor

Klaus Schrader Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Referat Statistik und Research, GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Berlin

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