MIPIM-SPECIAL

DEUTSCHLAND: B-STÄDTE SIND AUCH IM AUSLAND HEISS BEGEHRT

Olaf Janssen, Foto: Union Investment

Wohin geht die Reise auf den europäischen Immobilienmärkten? Und wie ist das Sentiment der Anleger? Auf diese und viele weitere relevante Fragen liefert seit nunmehr 15 Jahren der Immobilien-Investitionsklimaindex von Union Investment substanzielle Antworten. In der aktuellen Umfrage zum Jahresbeginn 2020 wird unter anderem deutlich, dass sich institutionelle Investoren zunehmend für Standorte abseits der begehrten, aber mittlerweile ziemlich leergefegten A-Städte in Deutschland erwärmen können. Als weit weniger attraktiv werden hingegen Standorte in Osteuropa erachtet. So stehen B-Städte bei immerhin bereits 60 Prozent aller Befragten im Ankaufsfokus. Zudem deutet die Erhebung darauf hin, dass der britische Immobilienmarkt nach Jahren der latenten Unsicherheit wieder an Stabilität gewinnt. Demnach rechnen viele Investoren perspektivisch wieder mit einem Mietpreiswachstum, was die Nachfrage stärken dürfte. Red.

Deutschland steht in den Ankaufsstrategien der europäischen Immobilieninvestoren ganz oben auf der Liste. Neben den Top-7-Standorten gilt das auch für die Städte in der zweiten Reihe. Das hat eine Umfrage von Union Investment unter 150 institutionellen Immobilieninvestoren in Deutschland, Frankreich und Großbritannien ergeben. 80 Prozent der deutschen, 56 Prozent der französischen und 52 Prozent der britischen Investoren haben Immobilien in deutschen B-Städten auf ihrem Ankaufsradar. Ähnliche Zustimmungswerte erreicht kein anderes Land.

Ausgeprägte Heimatverbundenheit hiesiger Investoren

Vor allem unter den französischen und britischen Investoren erhalten neben den drei europäischen Kernmärkten auch die Niederlande, Belgien, Schweden, Spanien und Polen relativ guten Zuspruch mit Zustimmungswerten von 20 bis 40 Prozent, wenn es um Immobilieninvestments in B-Städten geht.

Unter deutschen Investoren dokumentiert die Studie eine auffällige Zurückhaltung gegenüber dieser Anlagestrategie in europäischen B-Städten außerhalb des eigenen Heimatmarktes. Frankreich und die Niederlande sind hier mit einer Zustimmung von zehn Prozent schon die Spitzenreiter.

Grundsätzlich gab mit rund 60 Prozent die Mehrheit der Studienteilnehmer an, über die Möglichkeit zu Investments in B-Städten außerhalb der großen Metropolen zu verfügen. Rund 40 Prozent hingegen konzentrieren sich fast ausschließlich auf Investments in westeuropäischen A-Standorten.

Die relative Zurückhaltung der Immobilienunternehmen aus den drei europäischen Kernmärkten, auch in B-Städten oder den Metropolen des östlichen Europas zu investieren, kann für Investoren, die sich trauen, in einzelnen Fällen gegen den Mainstream zu handeln, auch eine interessante Alternative sein.

Das östliche Europa gilt als weniger attraktiv

Wie die Immobilien-Investitionsklimastudie belegt, haben die Investoren zurzeit wenig Ehrgeiz, ihr Anlageuniversum für Büroimmobilien über die etablierten Märkte der Hauptstädte in Ost- und Mitteleuropa zu erweitern. Während Warschau und Prag bereits als etabliert bezeichnet werden können, üben andere osteuropäische Hauptstädte nur eine geringe Anziehungskraft aus.

Der Büromarkt von Budapest trifft mit Zustimmungsraten von 7 Prozent (Deutschland), 23 Prozent (Frankreich) und 21 Prozent (Großbritannien) noch auf das größte Interesse. Auch für Riga (Lettland) und Bratislava (Slowakei) gibt es vereinzelte Interessenten. Am Ende der Skala hingegen rangieren die Hauptstädte des südöstlichen Europa wie Bukarest (Rumänien), Sofia (Bulgarien), Ljubljana (Slowenien) und Belgrad (Serbien), die westeuropäische Investoren aktuell kaum auf ihrem Ankaufsradar haben.

Deutliche Stimmungsaufhellung in Großbritannien

Insgesamt gibt es in dem Immobilien-Investitionsklimaindex im Vergleich zur letzten Erhebung vor sechs Monaten für Deutschland mit 63,2 (minus 0,2) und Frankreich mit 67,6 (plus 1,0) nur geringfügige Ausschläge. Die größte Veränderung ist für Großbritannien zu registrieren. Hier springt das Klimabarometer um satte 5,5 Punkte auf 64,4 und übersteigt damit sogar seit langer Zeit einmal wieder den Stimmungsindex für den deutschen Markt.

Der Zuwachs an politischer Stabilität und Planungssicherheit in England hat umgehend zu einer Verbesserung des Immobilien-Investitionsklimas geführt. Perspektivisch erwarten viele Investoren wieder ein Mietpreiswachstum. Beides zusammen wird dazu führen, dass die Nachfrage nach Immobilien in London wieder deutlich steigen wird.

Abermals hohes Transaktionsvolumen erwartet

Laut Umfrage gehen 77 Prozent der Immobilieninvestoren davon aus, dass das Transaktionsvolumen für Gewerbeimmobilien in Europa im Jahr 2020 mindestens das gute Niveau des Vorjahres erreichen wird. 26 Prozent der Studienteilnehmer rechnen sogar mit einer Steigerung; die Gruppe der Pessimisten, die einen Rückgang erwarten, ist mit 15 Prozent deutlich in der Minderheit.

Hoffnung auf noch mehr Bewegung im Markt als im Vorjahr besteht vor allem in der Nutzungsart Wohnen. 51 Prozent der Befragten gehen hier davon aus, dass das europäische Transaktionsvolumen weiter steigen wird. Es folgen Hotel mit 39 Prozent und Büro mit 29 Prozent. Lediglich im Marktsegment Einzelhandel sind die Optimisten mit sieben Prozent eine Randgruppe. Trotz des Optimismus auf ein reges Transaktionsgeschehen werden nicht alle Beteiligten das Investmentvolumen, das sie planen, auch unterbringen können, da mehr Geld auf den Markt drängt als Immobilienprodukte verfügbar sind. Dieses Ungleichgewicht wird auch im laufenden Jahr dafür sorgen, dass die Preise auf den Immobilienmärkten weiter steigen werden.

Erwartungsindex bremst Gesamtindex

Der Erwartungsindex liegt für Großbritannien mit 46,6 (plus 8,3 im Vergleich zur letzten Umfrage vor einem halben Jahr), Deutschland mit 50,6 (minus 3,3) und Frankreich mit 57,6 (minus 1,3) auf vergleichsweise niedrigem Niveau und belastet damit das Gesamtergebnis.

Das wird vor allem in Relation zu den drei anderen Teilindizes der Investitionsklimaumfrage deutlich. Der Markstrukturindex beispielsweise schlägt mit Werten von 74,9 (plus 4,0) für Großbritannien, 67,4 (plus/minus 0,0) für Deutschland und 72,8 (plus 2,9) deutlich höher aus und ist damit auch repräsentativ für die weiteren Teilindizes "Standortbedingungen" und "Rahmenbedingungen".

DER AUTOR OLAF JANSSEN Leiter Immobilienresearch, Union Investment Real Estate GmbH, Hamburg
Über die Union-Investment-Umfrage: Der Immobilien-Investitionsklima-Index von Union Investment wird seit 2005 (seit Frühjahr 2008 halbjährlich) unter den europäischen Immobilien-Investoren ermittelt. Der Index berechnet sich aus den vier Teilindikatoren "Marktstruktur", "Rahmenbedingungen", "Standortbedingungen" und "Erwartungen", die mit jeweils 25 Prozent gewichtet werden. Für den Index befragte das Marktforschungsinstitut Ipsos im Zeitraum November 2019 bis Januar 2020 insgesamt 150 Immobilienunternehmen und institutionelle Immobilienanleger in Deutschland (n = 60), Frankreich (n = 48) und Großbritannien (n = 42).
Olaf Janssen , Leiter Immobilienresearch , Union Investment Real Estate GmbH, Hamburg

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