MARKT- UND OBJEKTBEWERTUNG

DIE EU-NACHHALTIGKEITS-TAXONOMIE UND IHRE IMPLIKATIONEN FÜR DIE IMMOBILIENBEWERTUNG

Sabine Georgi Quelle: RICS

Die Klima- und Energiepolitik der Europäischen Union sieht bis zum Jahr 2030 unter anderem die Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 sowie die Steigerung der Energieeffizienz um mindestens 27 Prozent vor. Eine wichtige Rolle bei der Erreichung dieser ehrgeizigen Ziele wird dabei dem Immobilienbestand zukommen, der für rund 40 Prozent des gesamten europäischen Energieverbrauchs und 36 Prozent des Kohlendioxidausstoßes verantwortlich ist. Auch deshalb arbeitet die EU-Kommission derzeit unter Hochdruck an der Etablierung verbindlicher Nachhaltigkeitsstandards, die unter anderem für die Arbeit von Immobiliensachverständigen potenzielle Veränderungen bergen. Welche das konkret sind, weiß die Autorin des folgenden Beitrags zu berichten. Red.

Angesichts der enormen Umweltauswirkungen und der Tatsache, dass mehr als 50 Prozent des Gesamtvermögens der Welt in Infrastruktur und Immobilien gebunden ist, spielt der Immobiliensektor bekanntlich eine Schlüsselrolle in allen Bereichen der europäischen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt und trägt zu stabilen, nachhaltigen Investitionen und Wachstum bei. Als globale Organisation handelt die RICS immer im öffentlichen Interesse und hat deswegen zum Ziel, Immobiliennutzer und -fachleute sowie Stakeholder zur Förderung verantwortungsvoller Finanz- und Investitionspraktiken innerhalb und außerhalb des Sektors zu mobilisieren.

Damit verbunden ist die Förderung von Transparenz, konsistenten Messgrößen sowie hochwertigen technischen und professionellen Standards, die eine fundierte Investorenentscheidung ermöglichen und den Business Case für nachhaltige Investitionen in Immobilien stärken. Daher unterstützt die RICS die EU-Kommission sowie die UN in verschiedenen Forschungsvorhaben und Initiativen bereits seit einigen Jahren. Mit dieser Expertise, unter anderem als federführendes Mitglied der Global Alliance for Building and Construction, wo die RICS Vorschläge für einen umfassenden

Gebäudepass erarbeitet oder der Arbeit mit der EU-Kommission im EeMAP-Projekt ("Energie efficient Mortgages Action Plan"), bewarb sich die RICS erfolgreich um die Mitarbeit in der kürzlich von der EU-Kommission eingesetzten "Technische Arbeitsgruppe für nachhaltige Finanzierung".

Festlegung nachhaltiger Parameter

Die Arbeitsgruppe wurde beauftragt, ein EU-Klassifizierungssystem - die sogenannte "EU-Nachhaltigkeits-Taxonomie" - zu entwickeln. Dabei besteht eine der wichtigsten Aufgaben in der Festlegung von Parametern, anhand derer feststellbar ist, ob eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit nachhaltig ist. Die Mitglieder wurden von der Europäischen Kommission benannt und kommen aus der Zivilgesellschaft, von Universitäten, Unternehmen und aus dem Finanzsektor.

Als einzige Organisation der Immobilienwirtschaft wird die RICS, zusammen mit 34 weiteren Mitgliedern der hochkarätigen Expertengruppe, die Kommission auch bei der Schaffung eines Standards für nachhaltige Anleihen ("EU Green Bond Standard") unterstützen. Der Standard zielt auf höhere Transparenz bei der Veröffentlichung klimarelevanter Informationen und die Entwicklung von Indizes, die CO2-Emission berücksichtigen.

Die Indizes sollen Asset- und Portfoliomanagern als Benchmark für klimafreundliche Investitionsstrategien dienen. Dazu gehört auch die Verpflichtung, die Finanzströme an den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung auszurichten. Dadurch sollen Asset Manager und institutionelle Investoren unterstützt werden, Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen und diese in der Unternehmensberichterstattung stärker zu verankern.

Die Arbeitsergebnisse der Gruppe werden wesentliche Bausteine für eine umfassende Strategie zur nachhaltigen Finanzierung sein, die den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft - eine der wichtigsten Prioritäten der Europäischen Kommission - vollumfänglich unterstützt. Es ist damit ein sehr ambitioniertes Arbeitsprogramm, das bis Mitte nächsten Jahres laufen wird. Eine Reihe von europäischen und internationalen Institutionen tragen als Mitglieder oder Beobachter zur Entwicklung einer nachhaltigen Finanzierung bei.

Sehr heterogene Teilnehmergruppe

Dazu gehören die EU-Aufsichtsbehörden, die Europäische Zentralbank, multilaterale Entwicklungsbanken (wie die Europäische Investitionsbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung), die Europäische Umweltagentur, die Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, das Netzwerk der Zentralbanken und Aufsichtsbehörden für die Ökologisierung des Finanzsystems und die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Es wurden bewusst Experten aus den unterschiedlichen Segmenten ausgewählt, so ist beispielsweise die KfW vertreten und andere namenhafte Banken und große Investoren wie Allianz Global Investors oder aber auch die bereits erwähnte Climate Initiative sowie der WWF. Die Mitglieder wurden von der Europäischen Kommission nach technischer Expertise, einer ausgewogenen Repräsentanz der Finanz- und Realwirtschaft und geografischer Abdeckung ausgewählt. Im Hinblick auf den Klimaschutz hat die Gruppe eine Liste von vorrangigen Sektoren der ersten Runde erstellt, auf die sie sich zunächst konzentrieren wird (basierend auf Treibhausgasemissionen und Klimaschutzpotenzial).

Die Gruppe beginnt derzeit mit der gezielten Konsultation von Branchen- und Umweltexperten, um Input für die Entwicklung der technischen Screening-Kriterien für die vorrangigen Sektoren der ersten Runde zu erhalten. Es werden Beiträge darüber eingeholt, wie der "substanzielle Beitrag" zum Klimaschutz festgelegt werden kann (Schwellenwerte oder Kriterien). Im Bereich der Anpassung an den Klimawandel diskutiert die Gruppe derzeit eine mögliche Methodik zur Identifizierung von wirtschaftlichen Aktivitäten, die zur Erreichung des Klimaschutzziels beitragen. Nach Abschluss der Arbeiten wird die EU-Kommission eine öffentliche Konsultation durchführen.

Sechs grüne Kriterien

Die Taxonomie wird schlussendlich nicht mehr und nicht weniger eine Liste von ökonomischen Tätigkeiten sein, die als ökologisch nachhaltig angesehen werden können, weil sie den definierten Umweltziele dienen: (1) Klimaschutz; (2) Anpassung an den Klimawandel; (3) nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen; (4) Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling; (5) Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und (6) Schutz gesunder Ökosysteme.

Um den Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels messbar zu machen, können Schwellenwerte beispielsweise in Form von Grenzwerten für Treibhausgasemissionen festgelegt werden, die für wirtschaftliche Aktivitäten gelten. Vorerst wird die Taxonomie aus wirtschaftlichen Aktivitäten bestehen, die zu einem oder mehreren Umweltzielen beitragen, beginnend mit dem Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel. Zu einem späteren Zeitpunkt kann geprüft werden, ob es angebracht ist, den Geltungsbereich auf andere Nachhaltigkeitsziele, insbesondere soziale Ziele, auszudehnen.

Eine klare Botschaft an die Gutachter

Eine solche, den Vorgaben entsprechende Aktivität kann beispielsweise der Bau von Immobilien, die bestimmte Grenzwerte einhalten oder auch die Verwaltung von solchen sein. Es geht folglich darum, möglichst konsistente und messbare Kriterien zu finden, die zunächst dazu dienen, eine Tätigkeit als "nachhaltig grün" zu identifizieren, diese wird aber zwangsweise auch auf der Immobilienebene messbar sein müssen. Die Taxonomie wird also auf den Bewertungsprozess einen Einfluss haben und Ansatzpunkte für die Bewertung liefern, um zu entscheiden, ob Immobilien als "grün" bewertet werden können. Dazu werden Benchmarks beitragen, die ebenfalls entwickelt werden sollen.

Die klare Botschaft an die Immobilienbewertung, die in den bisherigen Beratungen zu entnehmen war, lautet: Zukünftige Risiken sollen stärker in die Bewertung einfließen. Auch wenn eine derzeitige Bewertung den heutigen Verkehrsbeziehungsweise Marktwert abbildet, sollten noch stärker als bisher die Kriterien, die sich auch in der Taxonomie im Bereich Immobilien benannt werden, zumindest aufgenommen und dargestellt und im Bereich der Risiken diskutiert werden.

Green Bonds im Fokus der EU-Kommission

Als ein mögliches Vehikel hat die EU-Kommission sogenannte Green Bonds ausgemacht, denn mit grünen Anleihen beschaffen sich die Emittenten Gelder für Umweltprojekte, zum Beispiel in den Bereichen erneuerbarer Energien, Energieeffizienz, Wasserreinhaltung oder auch, um energieeffiziente Immobilien zu finanzieren. Grüne Anleihen wurden zunächst von multilateralen Organisationen wie der Weltbank und anderen Förderbanken, wie in Deutschland der KfW, begeben. Green Bonds sind mittlerweile ein global genutztes Instrument und ein wachsendes Segment. Die Climate Bond Initiative rechnet für 2018 aktuell mit einem Volumen in Höhe von 210 Milliarden US Dollar - das wäre gegenüber 2017 eine Steigerung um rund 30 Prozent.

In Deutschland wurde zudem der "Grüne Pfandbrief" entwickelt. Hierdurch werden Immobiliendarlehen für ökologisch besonders gute Immobilienobjekte, die einen bestimmten Baustandard erfüllen, refinanziert. Zunehmend werden Green Bonds aber auch von Unternehmen der Immobilienwirtschaft ausgegeben wie zum Beispiel Volkswagen Immobilien. Deutschland hat sich übrigens mithilfe von Pfandbriefen und gedeckten Schuldverschreibungen als Wachstumsführer im Markt für Green Covered Bonds erwiesen. Beide Instrumente können dazu beitragen, auf den Anleihemärkten Finanzierungsmittel für kleinere, die CO2-Belastung reduzierende Projekte, wie zum Beispiel Hypothekendarlehen für grüne Gebäude, zu erschließen. So belegt Deutschland insgesamt den fünften Platz gemessen an allen ausgereichten Green Bonds (siehe Abbildung 1). Green Bonds beziehen sich auf die ökologischen Aspekte der Nachhaltigkeit, nicht aber auf die sozialen Aspekte. Wie Abbildung 2 zu entnehmen ist, bilden Gebäude einen besonderen Schwerpunkt.

Privatwirtschaftliche Systeme dominieren bislang

Wenn es sich um einen von der Climate Initiative zertifizierten Bond handelt, kann hier das Rating eingesehen werden. So ist transparent, welchem Segment dieser zuzurechnen ist und dass bestimmte Mindeststandards eingehalten werden. Bislang existieren damit also eher privatwirtschaftlich initiierte Systeme. Deshalb beschloss die EU-Kommission auf der Grundlage der Arbeit einer Expertengruppe die Schaffung eines einheitlichen Standards und einer einheitlichen Taxonomie.

Zum einen sind für das Rating beziehungsweise Bewertung / Kategorisierung einer Anleihe oder eines Pfandbriefes Daten notwendig, die konsistent abzubilden sind. Welche Daten dies sind, sollte auch der Immobilienbewerter kennen, denn nur für Objekte, die sich für eine derartige Anleihe qualifizieren, erschließt sich der potenzielle Investorenkreis. Deshalb sollten diese Daten auch quantifizierbar sein. Hier zielt die RICS darauf ab, die Datenverfügbarkeit und die Transparenz in dem Bereich zu erhöhen - nur so kann das Benchmarking von Objekten gelingen und Eigentümer, Bewerter und die finanzieren Banken erkennen, ob eine Immobilie als "grün" gelten kann.

Steigendes Marktinteresse an energieeffizienten Gebäuden

Hier geht es demnach zudem auch um die Schaffung von Standards. Der Prozess muss konsistent sein, das heißt: es sollten solche Daten herangezogen werden, die auf der Objektebene überhaupt erzeugt werden und auch vom Gutachter bei der Bewertung einbezogen werden. Überdies wird die RICS in die Arbeit des Standards folgendes einbringen: Bei der Immobilienbewertung hat die RICS in ihrem Bewertungsstandard, dem sogenannten Red Book, eine Vorgabe eingeführt, die die Nachhaltigkeit in der Bewertung mitbetrachtet und ausführlich dargestellt werden muss - dass schafft eine klare Grundlage über das Risiko- und Chancenprofil des Objektes.

Zudem kann die RICS hier auf die Erfahrungen aus dem EeMAP-Projekt zurückgreifen, nach dem die überwiegende Mehrheit der Gutachter eindeutig ein zunehmendes Marktinteresse an Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in Gebäuden erkennt (siehe Abbildung 3). Dies verstärkt die Notwendigkeit der Berücksichtigung und Integration von Energieeffizienz und zusätzlichen Nachhaltigkeitsaspekten im Rahmen des Bewertungsprozesses. Bei der Verarbeitung relevanter Daten überschneiden sich derzeit aber nachhaltigkeitsbezogene und andere wertbestimmende Attribute wie Funktionalität und Flexibilität und viele der "traditionellen" Merkmale sind dabei tatsächlich auch Teil des Nachhaltigkeitskanons (siehe Abbildung 4). Nachhaltigkeitsinformationen sollten daher in den meisten Fällen kein Add-on für Wertgutachter und deren Kunden sein.

Die am häufigsten genannte Informationsquelle ist dabei der Energieausweis (EPC), was angesichts seines gesetzlichen Charakters nicht verwunderlich ist. Es folgen die freiwillige Nachhaltigkeitszertifizierung (für gewerbliche Gebäude) und die Planungsunterlagen. Gespräche mit Banken, Gutachtern und Berufsverbänden haben gezeigt, dass die Anweisungen an die Gutachter in Bezug auf die Berichterstattung über die Energieeffizienz klarer und einheitlicher gestaltet werden muss. Grund dafür ist, dass dies den Kreditinstituten helfen wird, ein klareres und expliziteres Verständnis der potenziellen Risiken von Immobilien zu entwickeln, die aufgrund der Energieeigenschaften des Gebäudes berücksichtigt werden könnten.

Mangelnde Daten als Kernproblem

Innerhalb des Projekts wurde eine Checkliste entwickelt und seit Februar 2018 durchläuft diese einen Prozess der Konsultation und Verbreitung über interne und externe Kommunikationskanäle der RICS. Dabei war der Mangel an Daten ein anhaltendes Thema, da die Gutachter in einigen Fällen nicht einmal über EPC-Daten verfügen, was das Feedback der Gutachter im Rahmen des genannten Renovalue-Projekts organisierten Bewertungsrunden bestätigt.

Der Wunsch war eindeutig, die Berücksichtigung von Energieeffizienzindikatoren in Bewertungsroutinen zu standardisieren, was wiederum erweiterte Daten erfordert. Dieser Status quo wird sicher bei den Beratungen eine Rolle spielen. Demzufolge kann aber folglich auch die Art und Weise, wie Green Bonds qualifiziert werden, zumindest in der Bewertung möglicher Immobilienfinanzierungen, die dadurch refinanziert werden, einen Einfluss auf die Bewertung haben. Auch deshalb ist wichtig, hier auf die beschriebene Konsistenz zu achten. Gleichwohl wird sicher diskutiert werden, mit welchen Kennzahlen zum Beispiel die Klimaverträglichkeit oder CO2-Einsparungen am ehesten nachgewiesen werden können. Es bleibt ein spannender Prozess.

DIE AUTORIN SABINE GEORGI, Leiterin Business Development und Politikberatung, RICS Deutschland, Frankfurt am Main
Sabine Georgi , Geschäftsführerin , Urban Land Institute (ULI) Deutschland, Frankfurt am Main

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