Unternehmensfinanzierung

Standardisierte Anforderungen an die Projektentwicklung für einen optimierten Finanzierungsprozess

Josef Zimmermann

Finanzierungen von Immobilienprojektentwicklungen scheitern unter anderem häufig an der mangelhaften Qualität der Finanzierungsanträge der Darlehensnehmer. Die Ursache dafür liegt häufig darin, dass Kreditinstitute und Entwickler unterschiedliche Vorstellungen über die Relevanz von Projekt- und Marktinformationen für eine Finanzierungszusage haben. Diese offenkundigen gegenseitigen Defizite hinsichtlich der Bedürfnisse und Möglichkeiten beider Seiten sind Gegenstand einer Studie, die die Autoren im Folgenden vorstellen. Ziel des Forschungsvorhabens ist die Erarbeitung eines Finanzierungskodexes zur Standardisierung, der Optimierung sowie der Beschleunigung des Finanzierungsprozesses von Immobilienprojektentwicklungen. Red.

Der Lehrstuhl für Bauprozessmanagement und Immobilienentwicklung LBI der TU München und die René Reif Consulting GmbH haben in einem gemeinsamen Forschungsvorhaben einerseits die generellen Anforderungen von Finanzierungsinstituten bei der Gewährung einer Finanzierung von Immobilienprojektentwicklungen ermittelt und andererseits die Gründe einer möglichen Nichterfüllung dieser Anforderungen von Projektentwicklern untersucht. Als Ergebnis des Forschungsvorhabens wird ein Finanzierungskodex entstehen, der durch Standardisierung der grundsätzlichen Anforderungen einen für beide Seiten optimierten Finanzierungsprozess gewährleistet.

Zur Sicherstellung von repräsentativen Ergebnissen wurden für die Datenerhebung bundesweit mehr als 1 000 Führungskräfte aus Unternehmen der Projektentwicklung und Finanzierungsinstituten - private Geschäftsbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken sowie weitere Kapitalgeber - in einem Zeitraum von zwei Monaten befragt. Die durchgeführte bundesweite Untersuchung basiert auf einem umfangreichen Fragenkatalog, der durch zwei Workshops, jeweils getrennt mit Kapitalgebern und Projektentwicklern, erarbeitet wurde sowie mehreren Expertengesprächen und weiteren Testbefragungen.

Die extrem hohe Rücklaufquote von über 40 Prozent bestätigt eindrucksvoll, dass diese Forschungsfrage in der Immobilienwirtschaft und bei Finanzierungsinstituten von hoher Relevanz ist. Daneben belegt die Untersuchung, dass mehr als ein Viertel aller Immobilienprojektentwicklungen den gestiegen Anforderungen bei der Finanzierungsanfrage nicht gerecht werden.

Sinkende Risikobereitschaft

Die Untersuchung bestätigt zudem eindeutig, dass die Anforderungen an Qualität und Quantität von Finanzierungsanträgen in den beiden vergangenen Jahren erheblich gestiegen sind und nach Auffassung sowohl der einzelnen Kapitalgeber (KG) als auch der Projektentwickler (PE) in den nächsten zwei Jahren noch weiter steigen werden. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die Risikobereitschaft der kapitalgebenden Institute bezüglich der Finanzierung von Immobilienprojektentwicklungen weiter sinkt, was zu einer höheren Selektion bei der Kreditvergabe führt. Daraus lässt sich eine Verschärfung des Qualitätswettbewerbs unter Immobilienprojektentwicklungen bei der Finanzierungsanfrage ableiten.

Eine weitere Kernaussage der Umfrageergebnisse besteht darin, dass die Forderung der Immobilienwirtschaft nach schnellen und insbesondere verbindlichen Finanzierungsentscheidungen an der meist mangelnden Qualität ihrer eigenen Finanzierungsanträge und einer signifikant unterschiedlichen Wahrnehmung der Bedeutung von Informationen für den Entscheidungsprozess der Banken scheitert.

Unterschiedliche Vorstellungen der Beteiligten

Auch wenn Einigkeit zwischen Kapitalgebern und Projektentwicklern besteht, dass die Anforderungen gestiegen sind, ist es umso erstaunlicher, dass 30 Prozent der befragten Projektentwickler angeben, die Anforderungen und Fragestellungen der Kapitalgeber nicht zu kennen beziehungsweise diese nicht als hinreichend genug kommuniziert empfinden. Jeder zweite Projektentwickler würde aktuell das Scheitern einer Finanzierungsanfrage mit den zu hohen Anforderungen der Banken an eine Darlehensausreichung begründen.

Als logische Auswirkungen eines mangelhaft gestellten Finanzierungsantrags wurden sowohl eine Verzögerung des Finanzierungsprozesses als auch das Sinken der Finanzierungsbereitschaft identifiziert. Eine Auswirkung auf eine mögliche Erhöhung der Marge und/ oder der Bearbeitungsgebühr konnte größtenteils nicht festgestellt werden.

Die Mehrheit der befragten Projektentwickler und Kapitalgeber halten mit nahezu 80-prozentiger Zustimmung das Verfassen eines standardisierten Finanzierungskodexes für möglich. Die Kapitalgeber gehen mit 72,6-prozentiger Zustimmung davon aus, dass dadurch eine Optimierung des Prozesses der Kreditgewährung zu erwarten wäre. Die Erhöhung der Erfolgsquote von Finanzierungsanfragen erwarten dadurch 67,7 Prozent der Kapitalgeber und ebenfalls eine Mehrzahl der Projektentwickler.

Konfliktpotenzial

Ein bemerkenswertes Konfliktpotenzial hinsichtlich der Anforderungen an Finanzierungsanträge zeigt sich auch darin, dass auf Basis der Umfrageergebnisse Kapitalgeber und Projektentwickler die Wichtigkeit der im Rahmen der Finanzierungsbeantragung zu erbringenden Nachweise zum Teil signifikant unterschiedlich beurteilen.

So spielen beispielsweise zur Darlegung des Objektverkaufs eigene Marktrecherchen für den Projektentwickler eine signifikant wichtigere Rolle als extern beauftragte, kostenpflichtige Gutachten. Kapitalgeber priorisieren dagegen als Nachweis für den geplanten Objektverkauf in der Regel ein internes Bankengutachten.

Hinsichtlich der Sicherstellung der geplanten Vermietung zeigt sich die gleiche Wichtigkeitsreihenfolge wie beim Objektverkauf. Auch hier werden eigene Marktrecherchen aufseiten von Projektentwicklern als signifikant wichtiger eingestuft als ein Gutachten von einem im Markt anerkannten Dritten. Für den Kapitalgeber stellt wiederum ein internes Gutachten den wichtigsten Kenntnisstandtreiber dar.

Es hat daher den Anschein, dass Kapitalgeber hinsichtlich von Objektverkauf und Vermietung meist nur ihren eigenen Gutachten wirklich vertrauen und diese für ihre Kreditentscheidung von Relevanz sind. Es stellt sich die Frage, wie unter diesen Bedingungen Transparenz und Objektivität für Projektentwickler gewährleistet werden soll. Diese Transparenz ist allerdings zwingend erforderlich, wenn der Finanzierungsprozess gemeinsam optimiert und standardisiert werden soll.

Transparenz und Objektivität

Gleiches gilt exemplarisch für die Reihenfolge und der unterschiedlichen Bedeutung von Informationen. So ist beispielsweise in der Phase des Grundstückserwerbs für Kapitalgeber ein Bauvorbescheid von primärer Bedeutung, während dieser für den Projektentwickler oftmals nur von zweitrangiger Bedeutung ist. Des Weiteren werden für die Kapitalgeber in der Grundstücksfinanzierung zweit- oder drittrangig wichtige Nachweise in der Phase der Aufbaufinanzierung zu primären Nachweisen, dazu zählen unter anderem die Vorlage der Baugenehmigung oder ein detailliertes Vermarktungskonzept.

Unter diesen Vorzeichen ist es mehr als nachvollziehbar, dass mehr als 60 Prozent der befragten Kapitalgeber jeden zweiten Finanzierungsantrag der letzten beiden Jahre sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht als mangelhaft bewerten.

Folglich entzieht sich die Immobilienwirtschaft, auf Basis der vorgenannten Ergebnisse, selbst die Grundlage nach der eigenen und notwendigen Forderung nach schnellen, verbindlichen und vor allem projektspezifischen Finanzierungsentscheidungen. Wie die Ergebnisse der in dieser Form erstmalig durchgeführten Umfrage zeigen, besteht hohes Optimierungspotenzial im Hinblick auf die Transparenz als auch die Kommunikation im ganzheitlichen Finanzierungsprozess. Daher werden wir die Entwicklung eines Finanzierungskodexes zügig vorantreiben.

Die vollständigen Ergebnisse der Untersuchungen sind ausführlich erörtert in: Tilke, C.: Standardisierung der Anforderungen an die Immobilienprojektentwicklung unter besonderer Berücksichtigung des Finanzierungsprozesses, Dissertation am Lehrstuhl für Bauprozessmanagement und Immobilienentwicklung, München 2014.

Die Autoren

Prof. Dr. Josef Zimmermann Ordinarius, Lehrstuhl für Bauprozessmanagement und Immobilienentwicklung LBI, Technische Universität München, MünchenRené Reif CEO, René Reif Consulting GmbH, München

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