Wandel im Handel

Steigerung der Einzelhandels-Attraktivität mittels eines zukunftsweisenden Analyserahmens

André Scharmanski

Der wachsende Online-Handel verschärft die Wettbewerbsintensität im stationären Einzelhandel immer weiter. Schon jetzt ist ein Umbruch innerhalb des Einzelhandelsgefüges offensichtlich, der einen neuen Analyserahmen zur Attraktivität der Lagen erforderlich macht. Der Autor stellt im Folgenden das innovative Konzept der Entertainment-Experten und Ladendramaturgen Christian und Denise Mikunda vor, das auf den vier Säulen "Landmark", "Malling", "Concept Line" und "Core Attraction" basiert und dem Bedarf an Einzelhandelslagen entspricht, die den potenziellen Käufer langfristig ansprechen sollen. Red.

Die anhaltende Digitalisierung der Einkaufswelt und die Dynamik, mit der der Online-Handel weiterhin wächst, verschärfen die Wettbewerbsintensität im stationären Einzelhandel. Sichtbar ist bereits eine zunehmende Ausdifferenzierung der Mietpreisentwicklung zwischen 1a- und Seitenlagen. Zur wachsenden Polarisierung der Standorte trägt nicht zuletzt das institutionelle und internationale Kapital bei, das momentan in innerstädtische Neubauten, Revitalisierungs- und Sanierungsmaßnahmen fließt und damit lokale Einzelhandelsgefüge und Lagebewertungen modifiziert. In dieser von Dynamik und Umbrüchen gekennzeichneten Einzelhandelslandschaft wird es für Einzelhändler und Immobilienakteure immer wichtiger zu verstehen, welche Lagen auch zukünftig attraktiv sind.

Einen Analyserahmen dazu bietet das Konzept des Entertainment-Experten Mikunda, das insgesamt vier Erfolgskriterien für attraktive Einzelhandelslagen nennt. Es geht erstens darum, den Standort als Landmark zu positionieren und damit Kunden anzuziehen. Zweitens sollten die Kunden am Standort effektiv herumgeführt werden (Malling). Drittens wird ein roter Faden benötigt, der den Standort möglichst von der Konkurrenz abhebt (Concept Line). Schließlich zeichnen sich besondere Einzelhandelsorte dadurch aus, dass sie die Neugier der Kunden immer wieder aufs Neue wecken (Core Attraction).

Erfolgskriterium 1: Landmark

Eine zentrale Methode zur Erstellung einer Landmark ist eine eindrucksvolle Architektur, die Konsumenten anziehen und zum Kauf verführen kann. Unter den Entscheidungsträgern im Einzelhandel nimmt das Bewusstsein für Bauqualität entsprechend zu. So erleben wir derzeit, dass in vielen Innenstädten denkmalgeschützte Objekte für hochwertige Einzelhandelskonzepte sorgfältig restauriert oder saniert werden. Dekorative und imageprägende Fassaden werden erhalten, Passagen entkernt, Hinterhöfe zugänglich gemacht und mit Glasdächern überspannt.

Ein Beispiel dafür ist die Alte Post in Hamburg, die zwischen 2007 und 2011 revitalisiert wurde und heute das Straßenbild in der Hamburger City West prägt. Neben der Architektur spielt auch die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raumes, die über kommunal und privat finanzierte Initiativen nachhaltig aufgewertet werden kann, eine wichtige Rolle.

Eine Erfolgsgeschichte sind in diesem Zusammenhang die Business Improvement Districts (BIDs), in denen auf Veranlassung der Immobilieneigentümer in Eigenorganisation Maßnahmen zur Quartiersaufwertung durchgeführt werden (zum Beispiel bessere Beleuchtung, Straßenmöblierung, Events). Paradebeispiel hierfür ist die City West in Hamburg, wo die Umfeldverbesserungen im Rahmen der dortigen BIDs die Aufenthaltsqualität und damit auch die Passantenfrequenz deutlich gestärkt haben.

Erfolgskriterium 2: Malling

Wenn die Landmark den Passanten auf sich aufmerksam gemacht und angezogen hat, gilt es, die Menschen am Einzelhandelsstandort von A nach B zu lenken und sie zum Verweilen zu animieren (Malling). Nur wenn die Einzelhandelskunden im Shoppingcenter, in der Passage oder in der Fußgängerzone umherflanieren und Zeit verbringen, werden sie auch die für einen Einkauf wichtigen Informationen und Waren entdecken. Centermanager versuchen beispielsweise über ein gewisses Layout (L-, Y- beziehungsweise X-Typ mit drei oder vier Ankermietern) und einen ausgefeilten Branchenmix möglichst gleichmäßig frequentierte Einkaufs- und Erlebniszonen zu schaffen.

Um die Aufenthaltsdauer zu erhöhen, wurde der Anteil gastronomischer Flächen in Shoppingcentern seit der Jahrtausendwende auf rund acht Prozent der Gesamtmietfläche verdoppelt. Die Laufwege der Passanten können schließlich durch die Schaffung neuer Lagen verändert werden. Ein Beispiel dafür sind die Stadthöfe in Hamburg. Nach dem Umzug der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt entsteht bis 2017 ein neues urbanes Innenstadtquartier.

Durch die Öffnung der Innenhöfe inklusive des Umbaus der Straßen und der Verbreiterung der Gehwege wird eine neue Lage im Bereich der westlichen Innenstadt Hamburgs geschaffen, die nicht nur zum "Shoppen und Flanieren", sondern mit der allgegenwärtige Präsenz von Wasser und einem innovativen Gastronomiekonzept auch zum "Treffen und Verweilen" einladen wird.

Erfolgskriterium 3: Concept Line

Um sich als Einkaufslage im zunehmenden Wettbewerb erfolgreich aufzustellen, gilt es immer mehr, ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber der Konkurrenz zu erlangen (Concept Line). Stärken und Qualitäten, durch die sich eine Einzelhandelslage in der Einschätzung der Zielgruppe von anderen Standorten klar und positiv unterscheidet, müssen geschaffen und herausgestellt werden.

Dazu wird ein roter Faden benötigt, welcher die verschiedenen inhaltlichen Angebote als Ganzes erleben lässt und den Ort zu etwas Besonderem macht. Eine Differenzierung zum Wettbewerb bietet beispielsweise die Concept Mall im Bikini-Haus in Berlin, wo man sogenannte Pop-up-Stores (kurzfristige und provisorische Einzelhandelsgeschäfte) von Marken findet, die bisher eher unbekannt sind. Der Charme des Improvisierten, des Unfertigen bildet hier den roten Faden.

Ein weiteres Beispiel ist der "Hackesche Markt" in Berlin, zu dessen inhaltlicher Klammer nicht nur die verschiedenen lokalen Einzelhandelsgeschäfte, sondern auch die dort ansässigen Kreativen und Galerien gehören. Um Einfluss auf solche Imagekonstruktionen und Zuschreibungen von räumlicher Identität zu nehmen, werden von den Einzelhandelsakteuren immer häufiger professionelle Marketingkonzepte in Auftrag gegeben. Dafür schließen sich Immobilieneigentümer, Einzelhändler und Betreiber vielerorts zu Citymarketing-Initiativen zusammen.

Erfolgskriterium 4: Core Attraction

Ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg im Einzelhandel ist schließlich die Neugier, denn Konsumenten sind von Grund auf neugierig auf Unbekanntes und Überraschendes (Core Attraction). Um Kunden erfolgreich anzulocken, kommen unter anderem sogenannte "Wow- und Show-Effekte" zum Einsatz. Das "Wow" kann beispielsweise durch einen gigantischen Weihnachtsbaum in der Adventszeit ausgelöst werden, der die Passanten in die Passagen zieht. Auch mit Elementen wie Atrien, Rolltreppen oder Liften im Inneren eines Centers existieren vielfältige Möglichkeiten, den Einkaufsstandort permanent spannend zu inszenieren. So ist das Shoppingcenter "My Zeil" auch durch die spektakuläre Rolltreppe zum Anziehungspunkt geworden. Von der Rolltreppe aus, die ohne Unterbrechung vier Stockwerke überwindet und damit die längste in Deutschland ist, bieten sich spannende Ausblicke auf die Stahl-Glas-Konstruktion und die dahinter sichtbaren Hochhaustürme Frankfurts. In Leipzig wiederum bietet das Karstadt-Haus mit einem Springbrunnen eine Attraktion, die mittlerweile auch in jedem Stadtführer zu finden ist. Zu den klassischen Show-Effekten im öffentlichen Raum gehören phantasievolle Leuchtreklamen oder hell leuchtende Riesenbildschirme, die die Möglichkeit bieten, Reklame, Botschaften und Nachrichten in einfachen Bildern, Texten oder Filmen in den urbanen Raum zu projizieren.

Der Autor

Dr. André Scharmanski Leiter Research, Quantum Immobilien Kapitalanlagegesellschaft mbH, Hamburg

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