Forderungsmanagement und Bewertungsfragen

Trainingspaket für Wertermittler fördert "grüne" Immobilienfinanzierungen

Ursula Hartenberger

Bislang waren bereits einige Angebote von Banken für "grüne Darlehen" auf dem Markt, aber diese stellten eher die Ausnahme als die Regel dar. Die European Mortgage Federation (EMF), der Dachverband der europäischen Hypothekenbanken, kündigte nun ein Projekt für sogenannte "grüne Hypotheken" an. Demnach könnten Wohnimmobilieneigentümer von günstigeren Finanzierungskonditionen profitieren, wenn sie Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz ihrer Immobilie durchführen. Überraschend: US-Studien ergaben, dass das Risiko eines Zahlungsausfalls bei "grünen Darlehensnehmern" bis zu 32 Prozent geringer ist als bei anderen Verbrauchern. Ein neuer Kurs soll nun das Bewusstsein für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Bewertung schärfen. Red.

Die empirische Forschung der letzten Jahre zeigt ganz deutlich, dass qualitativ hochwertige Gebäude nicht nur in Bezug auf Energieeffizienz besser abschneiden, sondern dass dies auch in finanzieller Hinsicht zutrifft und sie höhere Mieten und Verkaufspreise erzielen. Die Forschung hat auch gezeigt, dass Verbraucher und Investoren positiv auf Nachhaltigkeitsaspekte bei Immobilien reagieren, wenn ihnen diese so präsentiert werden, dass deren (Mehr-)wert offensichtlich ist.

Vor diesem Hintergrund und auch vor dem Hintergrund von internationalen Klimazielen und immer strikter werdenden Umweltgesetzgebungen im Gebäudebereich, sehen auch Banken und Investoren zunehmend das Risikominderungspotenzial von nachhaltigen Immobilien.1) Dies hat zum Beispiel die niederländische Bank ABN Amro dazu veranlasst, einen sogenannten "Grünen Bond" zu schaffen. ABN Amro ist die erste Geschäftsbank in den Niederlanden, die einen solchen Bond herausgegeben hat. Das Produkt ermöglicht es Anlegern, in Hypotheken auf energieeffiziente Wohnimmobilien und in Kredite für Solaranlagen auf bestehenden Wohnimmobilien sowie für nachhaltige gewerbliche Immobilien zu investieren. Der Bond erwies sich als sehr populär unter Investoren und war sehr schnell überzeichnet.

Bei Effizienz günstigere Konditionen

Aber auch bei den klassischen Hypothekenfinanzierungen tut sich etwas. Es gab in der Vergangenheit zwar schon einige Angebote von Banken für "grüne Darlehen", aber diese stellten eher die Ausnahme als die Regel dar. Nun hat aber allerdings die European Mortgage Federation (EMF), der Dachverband der europäischen Hypothekenbanken vor kurzem ein Projekt für sogenannte "Grüne Hypotheken" angekündigt.

Demnach könnten Wohnimmobilieneigentümer von günstigeren Finanzierungskonditionen profitieren, wenn sie Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz ihrer Immobilie durchführen. Das Projekt wird derzeit vorbereitet mit dem Ziel der Prüfung und Absegnung durch die jeweilgen zuständigen EU- und Bankaufsichtsbehörden. Sollte das geplante Projekt "grünes Licht" bekommen, werden energetische Sanierungen mit einem geringeren Risikoprofil für die Kreditnehmer als auch für die finanzierenden Banken belohnt. Laut der European Mortgage Federation und dem European Covered Bonds Council (ECBC) würde dies für die Banken geringere Mindestkapitalanforderungen bedeuten und für die Wohnimmobilieneigentümer würde sich dies in geringeren monatlichen Darlehensraten niederschlagen.2)

Risiko bei Zahlungsausfall 32 Prozent geringer

Interessanterweise haben Studien in den USA ergeben, dass das Risiko eines Zahlungsausfalls bei "grünen Darlehensnehmern" bis zu 32 Prozent geringer ist als bei anderen Verbrauchern.3) Dieser Zusammenhang wurde nach Aussage der Europäischen Kommission auch in einigen EU-Ländern beobachtet. Einer EMF-ECBC Untersuchung in Großbritannien, den Niederlanden und Italien zufolge führen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz zu einem höheren Immobilienwert und zu einem niedrigeren Risiko für finanzierende Banken und Kreditnehmer. Auf diese Weise verbessert sich das "Loan to Value Ratio" für Bank und Kreditnehmer. Und um eben dieses Verhältnis zwischen Darlehenssumme und Marktwert der Immobilie zu bestimmen, ist eine Marktwertermittlung durch einen Immobiliensachverständigen notwendig.

Wertermittlungen sind nicht nur aus der Sicht von Banken und Investoren wichtig, sondern werden entlang des gesamten Lebenszyklus von Immobilien als Entscheidungsgrundlage herangezogen. Präzise Bewertungen sind wichtig für transparente Immobilienmärkte und eine stabile Wirtschaft. Sie bilden die Grundlage für Portfolioanalysen, Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen, Transaktionen sowie für Rechtsstreitigkeiten und Besteuerung. Aufgrund ihrer Rolle als "Informationsmittler" in Immobilienmärkten und ihrer oftmals beratenden Funktion befinden sich gerade die Sachverständigen beziehungsweise die Berufsgruppe der Wertermittler in einer ausgezeichneten Position, die Marktteilnehmer über die finanziellen Vorteile nachhaltiger Gebäude aufzuklären beziehungsweise zu informieren.

Vorteile energetischer Maßnahmen abbilden

Die Fähigkeit, den Immobilienmarktteilnehmern diese finanziellen Vorteile aufzuzeigen und zu belegen, wird auch von der Europäischen Kommission für die Beförderung der Markttransformation in Richtung nachhaltige Gebäude in Europa als entscheidend angesehen. Die oben erwähnte Verbesserung des "Loan to Value Ratio" ergibt sich auch nur, wenn der jeweils beauftragte Sachverständige in der Lage ist, die Vorteile energetischer Maßnahmen abzubilden. Doch genau an dieser Fähigkeit mangelt es momentan: Vielen Wertermittlern fehlen momentan sowohl die entsprechenden Fertigkeiten als auch das nötige Fachwissen, um Energieeffizienz- und weitere Nachhaltigkeitsaspekte angemessen bei der Beratung ihrer Kunden als auch bei der Erstellung von Wertgutachten zu berücksichtigen.

Ein besseres Verständnis über den Zusammenhang zwischen energetischer Qualität und dem Wert von Gebäuden spielt hier die entscheidende Rolle. Es hätte einen starken Einfluss auf das Marktgeschehen, wenn Wertermittler in der Lage und willens wären, ihre Kunden entsprechend zu beraten und zumindest qualitative Beurteilungen nachhaltigkeitsbezogener Aspekte in Wertgutachten zu integrieren.

Es gibt zwar mittlerweile eine ganze Reihe von Richtlinien und Empfehlungen wie beispielsweise die aus dem Jahre 2013 stammende Leitlinie "Sustainability and Commercial Property Valuation" 4) der RICS, diese haben jedoch noch nicht die breite Masse der Wertermittler erreicht. Die Schließung genau dieser Lücken war das Ziel des vom Intelligent Energy Europe Programm der Europäischen Union geförderten Projektes RenoValue.

Reno-Value-Projekt ins Leben gerufen

Im Mittelpunkt des von der RICS in Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institute für Technologie (KIT) maßgeblich vorangetrieben Reno-Value-Projektes, an dem Projektpartner aus insgesamt acht EU-Mitgliedstaaten teilgenommen haben, stand die Entwicklung von Trainingsmaterialien hinsichtlich der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsmerkmalen für Wertermittler.

Im Rahmen des Projektes wurden Workshops, Umfragen und Interviews mit Branchenvertretern und Marktteilnehmern in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten durchgeführt. Diese ergaben, dass es gegenwärtig an einem ausgeprägten Problembewusstsein aufseiten der Berufsgruppe der Wertermittler mangelt und dass es momentan nur bedingt Schulungs- beziehungsweise Weiterbildungsangebote gibt.

Mehrsprachige Kursbausteine

Die Reno-Value-Kursmaterialien bestehen aus zwei frei zugänglichen, mehrsprachigen Bausteinen: aus einem auf der Projektinternetseite www.renovalue.eu abrufbaren Foliensatz, der von Markteilnehmern als Grundlage für einen halbtägigen Kurs oder Workshop genutzt werden kann sowie aus einem etwa zweistündigen modular aufgebauten auf der RICS Online Accademy (https://academy.rics.org/) verfügbaren E-Learningkurs.

Gemäß den Empfehlungen der Branchenvertreter aus allen beteiligten Ländern richtet sich der Kurs vor allem an Wertermittler mit einem geringen oder mittleren Kenntnisstand hinsichtlich des Einflusses von Nachhaltigkeitsaspekten auf die Wertermittlungspraxis. Es geht also um einen ersten Einstieg in das Thema "Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Bewertung".

Die Kursmaterialien sollen Wertermittlern helfen, den Einfluss von Nachhaltigkeitsaspekten auf den Immobilienmarkt und die kritische Rolle der Wertermittler in diesem Zusammenhang zu erkennen. Kursteilnehmer sollen ein ganzheitliches Verständnis hinsichtlich der Bedeutung von Immobilien in Bezug auf den Klimawandel, die politischen Energieziele sowie deren Bedeutung für das Risikomanagement ihrer Kunden entwickeln.

Der Kurs erläutert die Vorteile von nachhaltigen Immobilien und vermittelt einen Überblick über aktuelle nachhaltigkeitsbezogene Richtlinien und Anforderungen für Wertermittler. Insbesondere werden entsprechende Ansätze zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die verschiedenen Verfahren der Wertermittlung vorgestellt sowie Empfehlungen für die Verbesserung des Informationsgehalts von Wertgutachten mittels einer durch Nachhaltigkeitsmerkmale erweiterte Objektbeschreibung gegeben.

Auch politischer Wille nötig

Nun kann natürlich ein Trainingsprogramm allein keine Wunder bewirken. Es bedarf auch an politischem Willen, gegewärtige Marktbarrieren anzugehen, wie beispielsweise den im Rahmen des Projekts durch Branchenvertreter aus allen Ländern beklagten grundsätzlichen Mangel an zugänglichen Transaktions- und Objektdaten. Hierzu zählt auch das Fehlen eines Registers beziehungsweise einer Datenbank mit Energieausweisdaten. Ohne eine verläßliche Datengrundlage ist die Berücksichtung von Nachhaltigkeitsmerkmalen in der Immobilienbewertung nur eingeschränkt möglich.

Dementsprechend deutlich ist dann auch die Botschaft des Reno-Value Market Insights Reports:5) wenn "nachhaltige Immobilienmärkte" ein politisches Ziel darstellen, muss es zentrale Aufgabe der politisch Verantwortlichen sein, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so setzen, dass die Immobbilienmarktteilnehmer Zugang zu verläßlichen Transaktions- und nachhaltigeitsrelevanten Immobiliendaten bekommen und dass die Immobilienmarkttransparenz insgesamt erhöht wird. Dies wäre sicherlich auch bei der Entwicklung der eingangs beschriebenen "grünen Hypotheken" von Vorteil.

Fußnoten

1) Siehe: UNEP FI, 2014, Sustainability Metrics - Translation and impact on property investment and management, United Nations Environment Programme Finance Initiative, Geneva, Available at: http://www.unepfi.org/fileadmin/documents/UNEPFI_SustainabilityMetrics_Web.pdf

2) http://www.euractiv.com/section/energy/news/ energy-efficient-renovation-could-lead-to-cheaper-mortgages/?nl_ref=14956470

3) IMT Quelle

4) RICS, 2013, Sustainability and commercial property valuation, RICS Professional guidance, global, Royal Institution of Chartered Surveyors, London

5) Hartenberger, U., Lorenz, D. and Antik, R. (Eds.), 2015, Drivers for change: strengthening the role of valuation professionals in market transition, Market Insight Report of the RenoValue research project, Available at: http://renovalue.eu/wpcontent/uploads/2015/06/Market-Insights-Report.pdf

Die Autoren

Ursula Hartenberger Global Head of Sustainability, RICS, Brüssel Prof. Dr. David Lorenz FRICS, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Fachgebiet Immobilienwirtschaft, Karlsruhe

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X