Genossenschaftliches Wohnen

"Der Fokus liegt auf der stetigen Weiterentwicklung des Wohnungsbestandes"

Sven Glocker, Referent des Vorstandes, Spar- und Bauverein eG Dortmund

Zufrieden zeigt sich Sven Glocker im Redaktionsgespräch mit der Entwicklung der Spar- und Bauverein eG Dortmund. Neben steigenden Mitgliederzahlen in der jüngeren Vergangenheit erfreue sich dabei gerade auch die angeschlossene Spareinrichtung in Zeiten des Niedrigzinses großer Beliebtheit. Gleichzeitig wird deutlich, dass diverse Faktoren eine hohe Agilität von Wohnungsbaugenossenschaften erfordern. Sei es der sich abzeichnende demografische Wandel, die Akquisition neuer Grundstücke oder gesetzliche Veränderungen: Die Anforderungen sind mannigfaltig. Eine Stellschraube, an der die Dortmunder Wohnungsbaugenossenschaft ansetzt, ist die Erweiterung der bestehenden Wohnkonzepte etwa um Single-Apartments oder betreutes Wohnen. Darüber hinaus spricht der Referent des Vorstands über die Zusammenarbeit mit städtischen Vertretern, die geplante Reform des Genossenschaftsgesetzes sowie aktuelle Finanzierungsstrategien. Red.

I&F Herr Glocker, die Genossenschaftsidee genießt eine lange Tradition in Deutschland. Wie zeitgemäß ist das Konzept, insbesondere mit Bezug auf das Wohnen?

Was 1893 für uns mit der Gründung unserer Genossenschaft in Dortmund zur Abhilfe der akuten Wohnungsnot begann, hat eine fast 125-jährige Tradition in Dortmund hervorgebracht. Mittlerweile sind wir ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und stadtteilprägender Investor im Großraum Dortmund. "Gemeinsam handeln, mehr erreichen": Das ist die Botschaft der Genossenschaften weltweit. Die Aufnahme der Genossenschaftsidee mit einer über einhundert Jahre alten Tradition in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes der Unesco unterstreicht, wie wichtig die genossenschaftlichen Prinzipien und Konzepte damals wie heute sind.

Die Strategie unserer Genossenschaft beinhaltet zum einen die Weiterentwicklung unseres Portfolios und zum anderen die Mitgliederförderung beispielsweise durch die eigene Spareinrichtung. Hierbei ist es wichtig, eine nötige Agilität der Geschäftsentwicklung zugrunde zu legen und kontinuierlich weiter zu denken sowie die Gegebenheiten am Markt zu sondieren. Ein Indikator für die stetige Entwicklung des genossenschaftlichen Konzeptes ist die Wohnung an sich. Noch vor 100 Jahren verfügten Wohnungen in der Regel nicht einmal über ein eigenes WC. Neben unseren Standardwohnungen bieten wir unseren Bewohnern darüber hinaus unterschiedliche Wohnformen an. Hierzu zählen unter anderem Single-Apartments, Generationen übergreifende Wohnformen, Gemeinschaftswohnprojekte und betreutes Wohnen. Unsere Vollvermietung spricht für die gute Konzeption.

I&F Wie hat sich die Mitgliederzahl der Spar- und Bauverein eG in den vergangenen Jahren entwickelt?

Wir verzeichnen in den letzten fünf Jahren einen respektablen Anstieg der Mitgliederzahlen von rund zehn Prozent. Dieser Anstieg wird zum einen durch das Interesse des angebotenen Wohnraumes begründet, zum anderen durch die Nutzung der genossenschaftseigenen Spareinrichtung. In der momentanen Niedrigzinsphase nutzen sehr viele Mitglieder auch weiterhin die überdurchschnittlichen Konditionen unserer Spareinrichtung.

I&F Wie steht es um junge Mitglieder? Stößt der Genossenschaftsgedanke hier auf großes Interesse?

Der Genossenschaftsgedanke ist im Grunde unser großes Pfund und daher die deutliche Abgrenzung zu anderen professionellen Wohnungsanbietern. Die Bewohner beziehungsweise die Genossenschaftsmitglieder verstehen sich als Teileigentümer und haben gänzlich andere Mitwirkungs- und Partizipationsmöglichkeiten in der Gemeinschaft und daher auch in ihrem direkten Wohnumfeld. Die Idee der Genossenschaft als kooperative Selbsthilfeeinrichtung - die Mitglieder verfolgen allesamt einen gemeinsamen Zweck, nämlich die Führung eines gemeinsamen Betriebes zur wechselseitigen Unterstützung - ist in der weiteren Landschaft von Wohnungsanbietern einmalig.

Junge Interessenten werden in den Beratungsgesprächen darauf aufmerksam gemacht werden, dass neben preiswertem Wohnraum auch soziale Aspekte mit dem genossenschaftlichen Wohnen einhergehen und somit das eigene Umfeld durch den Gemeinschaftsgedanken besonders geprägt werden kann. Insgesamt lässt sich sagen, dass das Interesse an unseren Wohnungen hoch ist. Dies zeichnet sich etwa in der Differenz zwischen Mitgliedern und tatsächlichem Wohnungsbestand ab (19 820 Mitglieder auf 11 579 Wohnungen). In der Regel wird nach Reihenfolge des Wohnungsgesuches aus dem Interessentenpool vermietet. Dieser Umstand ist nicht zuletzt auf den guten bis sehr guten Zustand unseres Wohnungsbestandes zurückzuführen.

Das relativ hohe Durchschnittsalter unserer Mitglieder liegt bei rund 54 Jahren - dies ist sicherlich auch Ausdruck des demografischen Wandels und der damit einhergehenden Herausforderungen wie die Zunahme der absoluten Zahl an älteren Menschen, der steigende Anteil an der Gesamtbevölkerung sowie die überdurchschnittliche Zunahme der Hochaltrigkeit.

Trotz des großen Interesses ist die Gewinnung junger Mitglieder für ehrenamtliche Ämter in der genossenschaftlichen Organstruktur auch für uns eine Herausforderung. In der immer mobiler werdenden Gesellschaft stellt ein solches Amt mit "lokaler Verankerung und Verantwortung" gerade für Studenten und junge Familien eine doch eher ungewöhnliche Situation dar, die vielleicht nicht so einfach in den Alltag zu integrieren ist. Insgesamt ist allerdings festzuhalten, dass das Modell für uns in nun fast 125 Jahren Geschichte des Spar- und Bauvereines sich als immer wieder aktuell und vor allem als nachhaltiges Geschäftsmodell herausgestellt hat.

I&F Der deutsche Wohnungsmarkt gilt mit seiner Mischung aus öffentlichen, genossenschaftlichen, privatwirtschaftlichen und kirchlichen Unternehmen sowie zahlreichen privaten Vermietern als gut ausbalanciert. Gleichzeitig impliziert die Vielzahl an Akteuren einen intensiven Wettbewerb. Wie gut gerüstet sehen Sie Ihre Branche grundsätzlich für diesen Wettbewerb?

Der Immobilienmarkt ist vor allem aufgrund der Immobilität, der begrenzten Substituierbarkeit, der Heterogenität sowie auch der Höhe des Investitionsvolumens ein sich erheblich von dem idealtypischen, vollkommenen Markt absetzender. Es gibt daher keinen einheitlichen Marktplatz, sondern viele lokale und regionale Teilmärkte. Auf dieser Grundlage ist es selbstverständlich, dass ein intensiver Wettbewerb gegeben ist, der in sich deutliche lokale Unterschiede aufweist. Wir als Spar- und Bauverein eG sehen uns für unseren Teilmarkt in Dortmund und Umgebung gut aufgestellt. Jeder Akteur des Immobilienmarktes muss dies aus seiner eigenen Brille für sich bewerten.

Vor allem entfalten der demografische Wandel, starke lokale Marktunterschiede auf den Immobilienmärkten, hohe Nachfrage in vielen Großstädten und Metropolen, Schrumpfungsregionen mit hohen Leerstandszahlen, hohe Binnen- und Außenwanderungsraten oder auch stetige Veränderungen gesetzlicher Vorschriften ihre unterschiedlichsten Wirkungen. Es wird daher zukünftig Wohnungsanbietern jeglicher Couleur vor die Herausforderung stellen, bedarfsgerechten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Die notwendige Weiterentwicklung ist daher für die Aufstellung im Wettbewerb unabkömmlich.

I&F Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum ist aktuell omnipräsent, was nicht zuletzt an der näher rückenden Bundestagswahl liegen dürfte. Welchen Beitrag zur Entspannung können Wohnungsgenossenschaften in diesem Bereich grundsätzlich leisten?

Grundsätzlich bieten wir preisgünstige Wohnungen an. Die ortsübliche Vergleichsmiete liegt in der Regel einen Euro über den genossenschaftlichen Nutzungsgebühren. 90 Prozent unseres Wohnungsbestandes weist einen Quadratmeterpreis von unter fünf Euro auf. Es muss daher auch nicht jeder Neubau unter den Prämissen der öffentlichen Förderung stehen. Die Begrenzung des Mietpreises auf genossenschaftlich gedachter Basis zeigt denselben Effekt auf, ohne Anforderungen von Förderprogrammen (etwa der NRW-Bank) unterworfen zu sein. Wir sind in der Rechtsform der Genossenschaft nicht an strenge Renditeorientierungen und Vorgaben von Aktionären wie bei einer Aktiengesellschaft gebunden.

Der Fokus liegt vielmehr auf der stetigen Weiterentwicklung des Wohnungsbestandes beispielsweise durch hohe Reinvestitionsquoten der Nutzungsgebühren - bei uns sind es zum Beispiel mindestens 70 Prozent. Gleichwohl bleibt bei den unterdurchschnittlichen Miethöhen die Realisierung von innovativen Energiekonzepten nicht auf der Strecke. Zur Reduzierung der gesamten Wohnkosten tragen wir auch in unseren Neubauvorhaben zur Senkung der Wohnnebenkosten bei, etwa mit der Umsetzung von KfW-55-Standards in einem Energie+ Quartier. Letztlich lässt sich festhalten, dass wir mit derzeit 111 sich im Bau befindlichen Wohnungen unter der genossenschaftlichen Prämisse zur Dämpfung des Angebotspreises auf kommunaler Ebene beitragen. Nicht nur der Spar- und Bauverein, sondern auch viele andere Genossenschaften agieren somit gleichermaßen sozialverantwortlich als auch innovativ und wirtschaftlich.

I&F Kommen Wohnungsgenossenschaften angesichts der teils astronomischen aufgerufenen Preise für Gebäude und Grundstücke nicht immer seltener zum Zuge bei der Vergabepraxis? Ist das Höchstbieterverfahren in Dortmund die Standardmethode?

Nein, das Höchstbieterverfahren kommt nach Aussage der städtischen Verwaltung und unserer bisherigen Wahrnehmung bei kommunalen Veräußerungen nicht zur Anwendung. Selbstverständlich ist die Konkurrenz deutlich größer als noch vor einigen Jahren und das Angebot ist geringer geworden. Bisher zählen jedoch bei Verfahren das vorgestellte Konzept und der Preis gleichermaßen. Private Verkäufe hingegen sind in der Regel nur unter Höchstpreisen zu erlangen. Demnach lässt sich sagen, dass natürlich die Akquisition für uns eine spannende Herausforderung geworden ist.

I&F Muss hier ein Umdenken von den Städten, Kommunen und Gemeinden stattfinden?

Hier ist die Stadtpolitik immer mit der Frage konfrontiert: "Welche Nutzung soll an einem Standort umgesetzt werden?" Aus unterschiedlichen Nutzungszwecken ergeben sich völlig unterschiedliche preispolitische Möglichkeiten. Ein Hotel birgt je nach Standort ganz andere Renditeerwartungen als klassische Wohnbauprojekte. Demnach sind bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung unterschiedliche Parametereinstellungen möglich, die selbstverständlich auch auf die Grundstückspreisgestaltung enormen Einfluss haben.

I&F Bundeswirtschaftsministerin Zypries ließ vor kurzem verlauten, dass eine gesunde Volkswirtschaft ohne Genossenschaften undenkbar sei. Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit politischen Verantwortlichen? Ist die Wertschätzung, die Wohnungsgenossenschaften als Partner in der städtischen Entwicklung erfahren, hoch genug?

Zur städtischen Verwaltung halten wir einen engen Draht. Dieser ist auch im beiderseitigen Interesse unbedingt notwendig um beispielsweise in Bauprojekten, bei der Nutzung von Förderungsprogrammen oder auch in der gesamten Quartiersentwicklung gute Ergebnisse erzielen zu können. Genossenschaften stellen stabile Eckpfeiler in der Gesamtwirtschaft dar.

Für die Kommunen oder andere politischen Ebenen haben Genossenschaften auch noch einen ganz besonderen Reiz: In der Regel sind sie politisch frei und haben in der "Unternehmens-DNA" per se Säulen der Nachhaltigkeit, das heißt ökologische, ökonomische und soziale Aspekte, verankert. Genossenschaften können daher unabhängig agieren und trotzdem eine aktive Rolle in Vereinen, Verbänden und Gremien rund um die Themengebiete Bauen und Wohnen, Ausbildung, genossenschaftliches Wirtschaften, soziale Stadtentwicklung sowie der Kulturförderung einnehmen. Die Wertschätzung der Genossenschaften kann also gar nicht hoch genug ausfallen.

I&F Können Wohnungsgenossenschaften darüber hinaus einen nennenswerten Beitrag zur Unterbringung von Flüchtlingen erbringen?

Sicherlich können Wohnungsgenossenschaften ihren Beitrag im möglichen Umfang leisten. Allerdings darf auch nicht vergessen werden, dass Wohnungsgenossenschaften nicht für gesellschaftliche Herausforderungen instrumentalisiert werden dürfen. Letztlich sind wir genossenschaftrechtlich ausschließlich den Mitgliedern verpflichtet. Selbstverständlich haben wir einen angemessenen Beitrag geleistet. 20 Mietverhältnisse konnten in einer Kooperation mit der Stadt direkt an Flüchtlinge vermittelt werden. Unsere Sozialarbeiter unterstützen bei der Integrationsarbeit. Darüber hinaus haben sich weitere Kolleginnen und Kollegen ehrenamtlich für Flüchtlingsfamilien eingesetzt.

I&F Wie stehen Sie zur geplanten Reform des Genossenschaftsgesetzes? Bietet die Rechtsform in ihrer momentanen Ausgestaltung grundsätzlich genügend Flexibilität?

Insgesamt können nach meiner Auffassung die Wohnungsgenossenschaften sowie die Verbände mit dem vorliegenden Gesetzentwurf leben. Die novellierte Fassung lässt ursprüngliche Befürchtungen hinsichtlich der weitergehenden Freistellung der Genossenschaften von der Pflichtprüfung fallen und verzichtet auf unzweckmäßige Ausgestaltungen der genossenschaftlichen Leitungsstrukturen.

Eine solche Lockerung der Pflichtprüfung mag sich zwar für kleine Genossenschaften als Erleichterung herausstellen, birgt aber insgesamt erhebliche Risiken im Sinne einer professionellen Begleitung sowie der Prüfung der ordnungsgemäßen Geschäftsführung nach § 53 des Genossenschaftsgesetzes. Die vorgeschlagenen Änderungen stärken die genossenschaftliche Unternehmensform im Wettbewerb mit anderen Akteuren und tragen dem wesentlichen Element des Fördergrundsatzes Rechnung.

I&F Veräußerungen gelten als strikter Ausnahmefall. Wie beurteilen Sie den Verkauf einer Hamburger Wohnungsgenossenschaft an einen privaten Wohnkonzern? Ein Tabubruch oder ein legitimes Mittel zur Bestandsoptimierung?

Nein, ein Verkauf kann durchaus ein probates Mittel zur Entwicklung des Gesamtbestandes darstellen. Solch groß angelegten Veräußerungen müssen dann natürlich getreu dem Genossenschaftsgedanken entsprechende "Bewohnerschutzklauseln" beinhalten, insbesondere dem Dauernutzungsrecht.

I&F Handelt es sich hier um einen Ausnahmefall oder wird man solche Vorgänge in Zukunft noch öfter beobachten können?

Zumindest für den Spar- und Bauverein in Dortmund kann ich das aus heutiger Sicht ausschließen. Allerdings ist dies immer von der Entwicklung des jeweiligen regionalen Teilmarktes und der wirtschaftlichen Kraft der Genossenschaft abhängig.

I&F Sie werben unter anderem mit neuen Wohnkonzepten wie dem betreuten Wohnen. Wie wichtig ist es, sich an dieser Stelle zu bewegen und die "Angebotspalette" zu erweitern?

Die Erweiterung unserer Angebotspalette ist enorm wichtig. Wie bereits erwähnt, reagieren wir sehr individuell auf die Wünsche unserer Mitglieder. Gott sei Dank, dass unsere Gründungsväter vor knapp 125 Jahren mit den ersten Gebäuden begonnen haben. Diese sind für uns noch heute ein Garant, da die Wohnungen in Altbauten, die selbstverständlich umfassend modernisiert wurden, heute stark nachgefragt sind. Wir hoffen, dies wird in 125 weiteren Jahren den Nachkommen ebenso gehen.

I&F Die Spar- und Bauverein eG verbindet - wie der Name bereits verrät - das Bauen, Sparen und Wohnen durch den Betrieb einer Spareinrichtung. Sind Wohnungsgenossenschaften aufgrund des anhaltenden Zinstiefs ebenfalls vom Anlagenotstand betroffen?

Für mich ist beim Spar- und Bauverein kein Anlagenotstand erkennbar. Der Wohnungsbestand bietet mit dem Neubau, der Modernisierung, dem Um- und Ausbau sowie weiteren Akquisetätigkeiten eine Vielzahl an Investitionsmöglichkeiten. Die Haltung einer Mindestliquidität muss grundsätzlich gewährleistet sein. Dafür ist unter Berücksichtigung der Anlagensicherheit und unternehmensspezifischen Liquiditätserfordernisse eine angemessene Verzinsung sicherzustellen. Nahezu sämtliche Kreditinstitute weisen ab gewissen Summen zwischenzeitlich sogenannte "Verwahrungsentgelte", einfacher auch als Strafzinsen bezeichnet, aus.

I&F Welche Strategie verfolgen Sie an dieser Stelle?

Wir nutzen die eigene Finanzkraft, das heißt die vorhandenen liquiden Mittel aus der laufenden Geschäftstätigkeit sowie die angelegten Spargelder für weitere Investitionen in den Gebäudebestand. Die genossenschaftseigene Spareinrichtung ist weiterhin in der Lage, wirtschaftlich zu agieren. Durch unterschiedliche Sparformen lässt sich mit dem angelegten Kapital unserer Mitglieder auch planen. Zur Finanzierung von Neubau- oder Modernisierungsprojekten kann die eigene Spareinrichtung günstiger Kapital zur Verfügung stellen, als es über herkömmliche Darlehen möglich wäre. Darüber hinaus bietet das momentane Sparvolumen von rund 100 Millionen Euro auch eine gewisse Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt beziehungsweise von den Kreditinstituten.

I&F Wie wichtig ist ein professionelles Finanzmanagement für Ihre Organisation?

Dem kommt insgesamt eine hohe Bedeutung zu, da gerade mit steigendem Fremdmittelbedarf das Finanzmanagement aus wichtigen Säulen wie etwa einer laufenden Risikodiversifikation und einer Kreditportfolioanalyse zur Vermeidung von Klumpenrisiken bestehen sollte. Ein quartalsweise zu erstellender Risikobericht fasst die laufende Entwicklung der Geschäftstätigkeit zusammen und beinhaltet unter anderem Stresstests zur finanziellen Lage des Unternehmens.

I&F Und welche Rolle kommt den Bankpartnern zu?

Die Banken nehmen als Partner einen hohen Stellenwert ein, die sich im Wissen der Genossenschaftsidee als verlässliche weitere Finanzierungssäule erweisen. Es finden Jahresgespräche zur Weiterentwicklung und Reflexion der Zusammenarbeit statt sowie der ständige Austausch auf Arbeitsebene. Immerhin arbeiten wir als Spar- und Bauverein mit rund 80 Prozent Fremdmitteln, wozu selbstverständlich die Spareinlagen der Mitglieder, aber auch Kapitalmarktdarlehen unterschiedlicher Banken gehören.

I&F Ist für eine große Wohnungsgenossenschaft wie der Spar- und Bauverein eG theoretisch gar eine Finanzierung über den Kapitalmarkt, etwa in Form von Schuldverschreibungen, denkbar?

Theoretisch sind Schuldverschreibungen denkbar, spielen in unserer Praxis jedoch keine Rolle. Die Spareinrichtung gewährleistet hinreichende Unabhängigkeit und Handlungsspielräume, sodass weitere Finanzierungsquellen aus heutiger Sicht nicht notwendig sind.

I&F Eine rein hypothetische Frage zum Abschluss: Wie sähe die Wohnungs- und Mietlage in deutschen Städten Ihrer Ansicht nach ohne die rund 2000 Wohnungsgenossenschaften aus?

Wohnungsbaugenossenschaften gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Die ersten wurden in solidarischer Selbsthilfe gegründet, um ihren Mitgliedern das Leben in gesunden, gut ausgestatteten Wohnungen zu ermöglichen und sie vor Ausbeutung zu schützen. Mitbestimmung und Solidarität sind bis heute wichtige Grundsätze geblieben: Die Genossenschaftsmitglieder haben ein weitgehendes Mitwirkungsrecht und können sicher sein, dass Genossenschaften keinen Aktionären oder Anteilseignern verpflichtet sind, sondern einzig und allein ihren Mitgliedern. Erwirtschaftete Überschüsse werden in die Erhaltung und Modernisierung der Bestände, Neubau und in den Ausbau der Serviceangebote gesteckt.

Das Angebot der Wohnungsbaugenossenschaften ist zudem einzigartig: Sie bieten zeitgemäßen Wohnraum zu fairen Preisen, Service wird genauso großgeschrieben wie Treue und Identifikation mit dem Standort.

Dazu bieten Wohnungsbaugenossenschaften vielfältige Möglichkeiten, zusammen mit den anderen Mitgliedern gutes Wohnen in guter Nachbarschaft zu verwirklichen. Diese gelebte Nachbarschaft hat Genossenschaften seit jeher stark gemacht und ist auch heute noch der Garant für dauerhaftes sicheres Wohnen. Wer Mitglied in einer Genossenschaft wird, weiß, dass darauf Verlass ist. Insofern, um die Frage abschließend kurz zu beantworten, sähe die Wohnungs- und Mietlage in Deutschland ohne Wohnungsbaugenossenschaften ziemlich traurig, grau und trist aus.

Zur Person Sven Glocker Referent des Vorstandes, Spar- und Bauverein eG Dortmund
Noch keine Bewertungen vorhanden


X