Im Gespräch

"Das Neugeschäft macht auch betriebswirtschaftlich Freude."

Lars Stoy

Ursprünglich sollte das "Beamtenheimstättenwerk" als Bausparkasse auf gemeinnütziger Basis die breite deutsche Beamtenschaft bei der Bildung von Wohnraum unterstützen. 90 Jahre später ist die Zielgruppe deutlich breiter geworden. Als Bausparkasse der Postbank-Gruppe wird nach dem Deutsche-Bank-Intermezzo nun wieder an einer Stand-Alone-Strategie gearbeitet - offensichtlich erfolgreich. Die Redaktion sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden der drittgrößten Bausparkasse Deutschlands über die Branche, die Entwicklung des BHW und die Vorteile eines Konzernverbunds wie der Postbank bei der Refinanzierung, beim Kostenmanagement durch Skaleneffekte oder beim Zugang und dem Angebot für den Kunden. Während er grundsätzlich positiv für eine weitere Entwicklung des Bausparens und der Baufinanzierung ist und Vorteile gegenüber dem Bankdarlehen betont, warnt er vor zu lange zu niedrigen Zinsen und einer Abschaffung von Förderungen wie beispielsweise dem Wohnriester. Antworten auf aktuelle Herausforderungen seien verständliche Produkte und ein funktionierender Multikanalvertrieb. Red.

I&F Herr Stoy, wie lange hält der Boom beim Bausparen und Baufinanzieren noch an?

Da ist für mich momentan kein Ende absehbar. Laut Expertenschätzungen gibt es in Deutschland einen Bedarf von bis zu 500000 Wohnungen jährlich. Realisiert wird davon nur etwas mehr als die Hälfte. Das heißt, solange der Bedarf nicht gedeckt ist, wird weiter gebaut.

Und alle diese Wohnungen und Häuser müssen natürlich auch finanziert werden, am besten natürlich in Kombination mit Bausparen.

I&F Die Geldpolitik der EZB ist Fluch und Segen zugleich - was überwiegt bei Ihnen: Die Freude über den Betonboom oder die Sorge vor den Gefahren für ganze Systeme wie Sparen und Altersvorsorge?

Der derzeitige Bauboom hat mehrere Ursachen. Natürlich können sich viele Haushalte wegen des anhaltenden Niedrigzinses heute Wohneigentum leisten, für die das vor einigen Jahren noch nicht möglich gewesen wäre. Die Bevölkerung wächst durch Zuwanderung - und auch für diese Menschen muss Wohnraum geschaffen werden.

Darüber hinaus hat Deutschland in Sachen Wohneigentumsquote im EU-Vergleich immer noch einen deutlichen Nachholbedarf. Davon profitieren auch wir. Die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen ist anhaltend hoch.

Richtig ist aber auch, dass die von der EZB künstlich niedrig gehaltenen Zinsen alle einlagenstarken Banken - so auch die Bausparkassen - vor Herausforderungen stellen, die wir meistern müssen. Diese kommen primär aus älteren Beständen. Dagegen macht das Neugeschäft auch betriebswirtschaftlich weiter Freude.

I&F Auch die Erträge der Bausparkassen stehen durch die niedrigen Zinsen unter Druck, was heißt das für das BHW?

Die BHW Bausparkasse hat früh erwartet, dass die Zinsen niedrig bleiben werden. Unsere Erwartungen wurden aber durchaus negativ übertroffen. Hilfreich ist, dass wir frühzeitig reagiert haben. So wurden Kosten gesenkt und Produkte angepasst. Gleichzeitig haben wir konsequent damit begonnen, neue Geschäftsfelder - wie beispielsweise die energetische Sanierung und Modernisierung - auszubauen und die Wertschöpfung in unserem Baufinanzierungsgeschäft zu steigern. Wir arbeiten im Konzernverbund auch sehr aktiv daran, durch die Verbindung von digitalem und persönlichem Vertrieb unser Neugeschäft in der Baufinanzierung zu steigern.

Beim Kostenmanagement hilft unsere Einbindung in die Postbank-Gruppe, da hierdurch Skaleneffekte besser genutzt werden können. Außerdem profitieren wir im Neugeschäft vom Multikanalvertrieb der Postbank und einem Potenzial von rund 14 Millionen Kunden.

I&F Wie kann man da als Bausparkasse gegensteuern? Reicht reines Kostensenken aus?

Das Management der Kostenbasis ist eine permanente Aufgabe - und das wird auch immer so bleiben. Aber wir müssen natürlich auch die Erträge stabilisieren. Um dieses Ziel zu erreichen, achten wir darauf, dass das Produktangebot beim Bausparen marktgerecht ist und bleibt. Wir wollen in der Baufinanzierung profitabel wachsen. Das ist eine traditionelle Stärke der BHW Bausparkasse und unterscheidet uns vom Wettbewerb. Wichtig bleibt auch, dass wir den Bausparbestand stärker im Auge behalten als in der Vergangenheit.

I&F Die Kündigung von voll besparten Verträgen ist unbestritten, um die Kündigungen von zuteilungsreifen Verträgen, bei denen länger als zehn Jahre kein Darlehen abgerufen wurde, streiten Gerichte. Warum halten Sie an diesem Prozess dennoch fest und halten ihn auch für richtig?

Ziel des Bausparens ist es, ein zinsgünstiges Bauspardarlehen zu bekommen. Dieses Ziel wird von vielen Kunden nicht mehr verfolgt. Sie geben der Bausparkasse ein Darlehen und möchten dafür vergleichsweise hohe Zinsen erhalten. Das konterkariert aber den Sinn und Zweck des Bausparens und schadet dem Kollektiv. Von den rechtlichen Möglichkeiten machen wir - wie weite Teile der Branche - Gebrauch. Erste Entscheidungen von mehreren Oberlandesgerichten stärken unsere Sicht.

I&F Wenn Sie schon die Bedeutung des Kollektivs erwähnen, hat das immer noch den gleichen hohen Stellenwert, denn der Großteil der Finanzierungen bei Bausparkassen erfolgt doch mittlerweile durch außerkollektive Vor- und Zwischenfinanzierungen?

Wir verwenden die Gelder, die uns die Bausparer zur Verfügung stellen, ausschließlich zur Finanzierung von Wohneigentum. In der aktuellen Zinsphase sind diese Darlehen attraktiv und werden daher häufig genutzt. Mit dem pa rallel angesparten Bausparvertrag sind unsere Kunden gegen Zinssteigerungen abgesichert. Wir gewinnen so neue Bausparer, die wiederum in das Kollektiv einzahlen.

I&F Drohen den Bausparkassen durch die dadurch sehr hohe Kreditvergabe in Zukunft größere Risiken, denn das System "Erst Bausparen, dann Kredit" wird ja umgekehrt?

Die Aufgabe der Bausparkassen in Deutschland ist klar definiert. Sie sollen ihren Kunden langfristig günstige Bauspardarlehen für die private Baufinanzierung zur Verfügung stellen. Diese Aufgabe werden wir auch in Zukunft erfüllen können. Dies haben auch die "Stresstests" der Aufsichtsbehörden bestätigt. Diese Frage spielt auch in unserer internen Risikosteuerung eine bedeutende Rolle.

I&F Wie bewerten Sie das neue Bausparkassengesetz?

Die Novellierung war nach mehr als 25 Jahren richtig und notwendig. Mit ihr wird das Spezialbankprinzip gefestigt. Die neuen Handlungsmöglichkeiten erhöhen die Widerstandsfähigkeit der Bausparkassen gerade auch gegen die von der EZB verordnete Nullzinspolitik.

I&F In welchem Umfang werden Sie die Möglichkeiten des Gesetzes nutzen, beispielsweise bei der Refinanzierung über Pfandbriefe, den erweiterten Möglichkeiten der außertariflichen Finanzierung oder den ausgeweiteten Anlagemöglichkeiten?

Pfandbriefemissionen sind innerhalb der Postbank-Gruppe an anderer Stelle im Konzern vorgesehen und derzeit kein Thema für uns, da wir eine solide Refinanzierungsbasis im Konzernverbund haben. Dagegen ist Ausweitung der Beleihungsgrenze eine sinnvolle Änderung, die wir im Sinne unserer Kunden und mit der notwendigen Vorsicht nutzen werden. Wir werden aber auch andere Möglichkeiten, die die Novellierung bietet, prüfen und bei Bedarf umsetzen.

I&F Wird bei Baufinanzierungen generell zu wenig getilgt, bauen wir hier eine Gefahr auf? Wie handhabt das das BHW?

Wenn Kunden in einem Annuitätendarlehen lediglich ein Prozent tilgen, dauert es etwa 60 Jahre, bis sie schuldenfrei sind. Es ist also sinnvoll, dass man die Zinsersparnis durch das niedrige Zinsniveau zumindest teilweise in die Tilgung steckt. Durch die steigende Tilgungshöhe sinkt das Zinsveränderungsrisiko nach zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren Zinsbindung deutlich. Das heißt, wir empfehlen unseren Kunden eine höhere Tilgung und eine längere Zinsbindung, um das Zinsanschlussrisiko nicht schon in zehn Jahren zu haben. Dazu bieten die Bausparkassen passende Produkte an, die sich hinsichtlich der Gesamtverzinsung und der Flexibilität am Markt behaupten können und Zinssicherheit bis zur vollständigen Tilgung bieten.

I&F Wohnriester brummt und beschert den Bausparkassen enorme Zuflüsse - stimmen nun die Rahmenbedingungen, um mehr als ein Nischenprodukt zu sein?

Von einem Nischenprodukt kann seit Verbesserung der Rahmenbedingungen keine Rede mehr sein. Gerade für Familien mit Kindern ist die Förderung beim Wohn-Riester sehr attraktiv und wird immer mehr genutzt. Eine Abschaffung der Riester-Förderung, wie sie derzeit diskutiert wird, verbietet sich von selbst, denn das gefährdet die Bereitschaft der Deutschen, für das Alter vorzusorgen.

I&F Wie werden Bausparkassen in Zukunft gesteuert werden, nach wie vor ausschließlich über die Tarife? Oder brauchen wir einfachere und verständlichere Produkte, was gegen einen "Tarifdschungel" sprechen würde?

Wir haben bei BHW seit 2014 eine klare Struktur mit fünf auf den jeweiligen Kundenwunsch abgestimmten Produkten. Diese Produkte sind in sich sehr klar und transparent und darüber hinaus flexibel auf jeden Kundenwunsch und

sich ändernde Bedürfnisse anpassbar. Die Steuerung einer Bausparkasse erfolgt aber seit langem nicht mehr ausschließlich über die Produktstruktur und Neugeschäftsvolumen. Vielmehr unterliegen Bausparkassen den inzwischen auch überbordenden regulatorischen Anforderungen, obschon das Geschäftsmodell weiterhin vergleichsweise weniger komplex ist. Diese Anforderungen haben dazu geführt, dass die Banksteuerung in einer Bausparkasse inzwischen große Parallelen zu anderen Kreditinstituten hat.

I&F Was erwarten Sie sich von einer stärkeren Kooperation der LBSsen - wird es für das BHW schwieriger oder eher einfacher im Markt, wenn diese enger zusammenrücken?

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Entwicklungen bei Mitbewerbern nicht kommentieren. BHW ist in der Postbank-Gruppe selbstständig aber gut integriert und arbeitet mit hoher Effizienz. Generell ist ein Zusammenschluss von Bausparkassen - auch unter dem neuen gesetzlichen Rahmen - schwierig und aufwendig. Das gilt besonders für die Kollektivmigration.

I&F Wo kommt in Zukunft der Wettbewerbsdruck her - von den Bausparkassen oder auch von Plattformen oder ganz allgemein einer stärkeren Digitalisierung und Verlagerung des Geschäfts in den Onlinebereich? Welche Antworten hat das BHW?

Unsere Antwort heißt "digital" und "persönlich". Das bedeutet, gerade in der Baufinanzierung ist und bleibt nach unserer Einschätzung das persönliche Beratungsgespräch mit dem Kunden weiterhin wichtig. Dieses Kundengespräch kann in einem Postbank Finanzcenter oder im Wohnzimmer der Kunden durch unseren mobilen Vertrieb stattfinden. Den Überleitungsprozess zwischen Interessenten, die im Internet auf die Postbank Angebote aufmerksam geworden sind und unseren Beratern haben wir inzwischen digitalisiert, sodass unsere Berater sehr kurze Reaktionszeiten haben, um die Interessenten zu bedienen. Das kommt sehr gut an und hat positive Auswirkungen auf unsere Neugeschäftsentwicklung.

I&F Sie sind auch für den mobilen Vertrieb zuständig: Wie wird sich der Vertriebsmix zwischen stationären, digitalen und mobilen Vertriebswegen Ihrer Meinung nach in Zukunft entwickeln?

Eine kompetente persönliche Beratung bei der Baufinanzierung ist und bleibt wichtig, sie wird nur anspruchsvoller werden. Der Kauf oder Bau einer Immobilie und die dazu passende Finanzierung ist für unsere Kunden meist eine einmalige Entscheidung mit großer Tragweite. Hier sollten keine Fehler gemacht werden. Kunden und Berater können aber bei uns auf digitale Prozesse und Kommunikationswege zurückgreifen, die eine Beratung schneller auf den Punkt bringen und helfen, für jeden Kunden das optimale Ergebnis zu erzielen.

I&F Wie intensiv nutzen Ihre Kunden heute schon digitale Angebote?

Hier erleben wir eine Dreiteilung: Die erste Gruppe sind Kunden, die über Vergleichsplattformen ihr Angebot finden und digital abschließen. Sie informieren sich online und erwarten keine Beratung. Für diese Gruppe sind wir auf den entsprechenden Plattformen präsent. Diese Gruppe hat aber in der Baufinanzierung noch eine eher untergeordnete Bedeutung. Die zweite Gruppe bilden Kunden, die sich digital informieren, klare Vorstellungen haben - aber aus verschiedenen Gründen zusätzlichen Beratungsbedarf haben - digital oder persönlich.

Dieses Netzwerk wollen wir bieten und nutzen. Die dritte Kundengruppe will auch weiterhin persönlich beraten werden, für sie ist der Berater eine Art Lotse, dessen Arbeit sie schätzen und auch bereit sind, dafür zu bezahlen. Diese Lotsen unterstützen wir durch digitale Prozesse, die ihnen helfen, ihre Kunden noch besser zu beraten. Wir gehen in der Baufinanzierung davon aus, dass insbesondere die zweite Kundengruppe stark wachsen wird. Davon wollen wir profitieren.

I&F Bausparen gilt vielen als ein Relikt aus einer anderen Zeit. Welche Aufgaben können Bausparkassen heute noch wahrnehmen und wo sehen Sie die besondere Relevanz des Bausparens.

Die "vielen" sehe ich bei einem Marktwachstum im Jahr von 4,5 Prozent im letzten Jahr nicht. Bausparen gibt es seit mehr als 130 Jahren, genießt zu Recht ein hohes Vertrauen und wird wie kaum ein anders Finanzprodukt durch die Aufsichtsbehörden geprüft. Das kollektive System hat in Deutschland Kriege und Inflationen überdauert und Millionen von Menschen zu Eigentum verholfen.

Hilfe zur Selbsthilfe stand am Anfang der Idee des Bausparens und hat auch heute noch seine Berechtigung. Die Häuser, die unsere Sparer vor 20, 30 oder mehr Jahren gebaut haben, sind in die Jahre gekommen und müssen energetisch saniert und barrierefrei umgebaut werden. Hier kann das System Bausparen seine Flexibilität zeigen und ist durch neue Produktangebote oft günstiger als vergleichbare Bankdarlehen.

I&F Gibt es den klassischen Häuslebauer bei den Bausparkassen eigentlich noch oder werden Neubauten oder Käufe nur noch über lang laufende Annuitätendarlehen finanziert?

Gerade die Schwellenhaushalte - meist Familien mit Kindern - überlegen angesichts der niedrigen Zinsen, ob sie Wohneigentum erwerben sollen, statt immer höhere Mieten zu zahlen. Ein bereits in jungen Jahren abgeschlossener Bausparvertrag, oft staatlich gefördert, ist ein solider Grundstein, bietet Zinssicherheit aber auch Flexibilität und hilft, den Schritt in die eigenen

vier Wände zu wagen. Entscheidend sind aber die Ziele und Wünsche des Kunden. In einem Konzernverbund wie der Postbank können wir jedem Kunden ein auf seinen individuellen Finanzierungswunsch zugeschnittenes Gesamtpaket anbieten.

Zur Person Lars Stoy Vorsitzender des Vorstands, BHW Bausparkasse AG, Hameln
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