Immobilien-Konjunktur 2016

"Die Spanne zwischen Marktwerten und Beleihungswerten wird größer"

Andreas Pohl

Der Blick auf den Immobilienmarkt 2016 ist zwiespältig. Zum einen gibt es gute Nachrichten: Der Immobilienboom wird nach Ansicht von Andreas Pohl auch weiterhin anhalten. Und von einer Blase ist der Markt trotzdem noch weit entfernt. Allerdings, und das ist die eher schlechte Botschaft, drohen durch die hohe Liquidität, die primär der Niedrigzinspolitik der EZB geschuldet ist, Fehlallokationen, da zum einen in falsche Immobilien investiert wird und zum anderen Geld in Assetklassen fließt, für die ein hohes fachspezifisches Know-how erforderlich ist, über das die meisten Investoren aber nicht verfügen. Trotz des zunehmenden Wettbewerbs sieht der Autor die Rolle der Banken aber nicht gefährdet, denn Banken seien aufgrund ihrer langjährigen Kundenkontakte und ihrer Erfahrung in der Geschäftsumsetzung der ideale Partner der Kunden, um Transaktionen zu begleiten, Deals zu strukturieren und zu dokumentieren. Red.

I&F Herr Pohl, es müsste Ihnen als Immobilienbanker doch hervorragend gehen, die Nachfrage nach Immobilien ist stark, die Refinanzierung ist so günstig wie nie. Gibt es dennoch etwas, das Ihnen Sorgen macht?

Sie haben Recht, das wirtschaftliche Umfeld und die Zinslandschaft sind für uns und unser Geschäft durchaus positiv. Vor allem die niedrigen Zinsen haben dafür gesorgt, dass die Assetklasse Immobilie bei den Investoren mittlerweile überall fest etabliert ist. Sorgen bereitet mir, dass es im Markt zu viel Liquidität gibt und viele Marktteilnehmer riesigen Anlagebedarf haben. Hier sind Fehlallokationen möglich.

I&F Wie sieht es in diesem Umfeld mit dem Wettbewerb aus?

Die Liquiditätsschwemme und die fehlenden Anlagealternativen sorgen für einen massiven Wettbewerb um neue Finanzierungen oder Verlängerungen bestehender Engagements. Hier hat sich das Umfeld massiv verändert. Sehr viele Marktteilnehmer verfügen über hohen Anlagebedarf und die dafür nötigen Mittel.

Da die EZB die Zinsen nach heutiger Einschätzung noch länger niedrig halten und damit dem Markt weiterhin eine hohe Liquidität zur Verfügung stellen wird, wird sich daran so schnell nichts ändern. Hinzu kommt, dass klassische Finanzierer wie wir nicht nur neuen Marktteilnehmern gegenübertreten müssen, wie Pensionsfonds oder Versicherungen, sondern auch im Wettbewerb mit eigener Liquidität der Investoren stehen, die Innenfinanzierung hat zugenommen.

I&F Helfen Kooperationen wie Ihre mit der BVK da?

Wir stehen im Wettbewerb mit anderen Banken und Versicherungen. Manchmal arbeiten wir bei größeren Immobilienfinanzierungen zusammen, danach sind wir mit den gleichen Häusern wieder im Wettkampf um neues Geschäft. Dabei ist es sinnvoll, mit starken Partnern wie zum Beispiel der Bayerischen Versorgungskammer (BVK) zusammen zu arbeiten und die unterschiedlichen Fähigkeiten zu nutzen. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit mit Kreditfonds. Wir haben selber einen entsprechenden Fonds über ein Schwesterinstitut im Nord-LB-Konzern aufgelegt, da wir als Bank nicht alles auf die eigene Bilanz nehmen wollen. Aber wie gesagt, manchmal ist man Wettbewerber, manchmal Partner.

I&F Spielen Clubdeals die große Rolle, die Ihnen häufig nachgesagt wird?

Clubdeals sind aus meiner Sicht seit längerem wieder deutlich auf dem Rückzug. Sie waren ein probates Mittel in Zeiten, als es schwer war, größere Finanzierungen zu stemmen. Mittlerweile werden Strukturen bevorzugt, bei denen ein Finanzierungspartner der alleinige und damit verantwortliche Ansprechpartner des Kunden ist und sich anschließend um die Weiterplatzierung von Teilen des Kredits kümmert. Salopp gesagt, einer holt das Geschäft rein und gibt dann Teile weiter.

I&F Mehr und mehr Immobilienkunden nutzen den Kapitalmarkt, stört Sie das als Banker?

Ich begrüße diesen Trend prinzipiell. Der Kapitalmarkt ist eine wichtige Refinanzierungsquelle für viele Marktteilnehmer. Ich finde es zum Beispiel gut, dass mittlerweile ein Immobilienunternehmen in den Dax aufgestiegen ist. Es ist wichtig, dass der Immobiliensektor auch im Kapitalmarkt die Bedeutung erhält, die er gesamtwirtschaftlich hat.

I&F Wir sprachen über die Liquiditätsschwemme, verdient die EZB-Politik dafür einen Rüffel?

Die Frage ist differenziert zu beantworten. Unsere Refinanzierung läuft trotz der niedrigen Zinsen gut. Die Rendite ist für manche Investoren nicht immer hoch genug, aber es ist letztlich immer noch besser, einen niedrig verzinslichen, sicheren deutschen Pfandbrief zu erwerben, als sein Geld bei Minuszinsen zu investieren. Das ist die eine Seite. Die Kehrseite ist, dass die hohe Liquidität dafür sorgt, dass sie um bei meinem Geschäft zu bleiben - in die falschen Immobilien investiert wird.

I&F Was sind falsche Immobilien?

Qualitativ gute Immobilien befinden sich an einem der Nutzung entsprechend guten Standort, ermöglichen eine flexible und nachhaltige Nutzung und die Betriebskosten halten sich in einem günstigen Rahmen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie über eine stabile Wertentwicklung verfügen, starke und stabile Mieter haben und gut veräußerbar sind. Das ist bei "falschen" Immobilien nicht der Fall, sie sind in manchen Marktphasen nur schwer oder überhaupt nicht vermietbar oder verkäuflich.

I&F Wie sieht die Strategie Ihres Hauses aus?

Wir fokussieren uns auf Qualitätsimmobilien, die diese Kriterien erfüllen, damit wir nachhaltig geschäftlich erfolgreich sind. Auch für gute Kunden stellen wir keine Finanzierungen für Objekte zur Verfügung, die unseren Qualitätsansprüchen nicht entsprechen. Wir besprechen dann unsere Einschätzung mit unseren Kunden und haben die Erfahrung gemacht, dass diese offene Diskussion geschätzt wird.

I&F Die Entwicklung des Immobilienmarktes war 2015 hervorragend, wie geht es 2016 weiter?

Die Rahmenbedingungen bleiben weiter positiv. Die wichtigsten Treiber, das positive wirtschaftliche Umfeld, die hohe Liquidität und die niedrigen Zinsen werden auch 2016 für sehr gute Nachfrage nach Immobilien sorgen. Die Zahl der Marktteilnehmer, die in Immobilien investieren wollen, wird weiter steigen. Aus internationaler Sicht, beispielsweise amerikanischer Investoren, macht der schwache Euro Immobilienanlagen in Europa auch unter Währungsaspekten attraktiv. Trotz der starken Entwicklung ist aber bisher keine generelle Blasenbildung im deutschen Immobilienmarkt erkennbar.

I&F Zurück zu den Sorgen, gibt es Entwicklungen, die ungesund sind?

Wie gesagt gibt es die Gefahr, dass zu viel Geld in die falschen Immobilien investiert wird. Diese Tendenz zeigt sich schon allein in den flächendeckend sinkenden Renditen über den gesamten Immobilienmarkt und bei allen Objektklassen. Marktteilnehmer investieren teilweise in Assetklassen, die ein spezielles Know-how erfordern, das nicht oder nur im eingeschränkten Umfang vorhanden ist. Das gilt beispielsweise für Logistikimmobilien und Hotels, beides waren in der Vergangenheit eher Nischenprodukte, bei denen die Risiken traditionell auch höher sind. Selbst hier liegen die erzielbaren Renditen mittlerweile teilweise bei nur noch knapp über fünf Prozent, so dass sich hier für mich die Frage der angemessenen Risikoprämie für diese Objektklassen durchaus stellt.

I&F Wie steht es mit Geschäftsfeldern neben der reinen Bestandsfinanzierung? Ist auch hier Vorsicht angesagt? Manche Wettbewerber ziehen sich zum Beispiel ganz aus dem Projektentwicklungsgeschäft zurück.

Die Finanzierung von Projektentwicklungen ist in der Tat eine der Kernkompetenzen unseres Hauses. Mit der Finanzierung guter Projekte sind immer noch angemessene Margen erzielbar. Darüber hinaus sind wir stark im Segment "Refurbishment" aktiv. Gerade hier ist für Investoren noch eine gute Performance bei bestehenden Immobilien möglich, indem in die Jahre gekommene Objekte wieder in einen neuwertigen und wettbewerbsfähigen Zustand gebracht werden. Für die finanzierende Bank ist es in beiden Fällen natürlich auch eine andere Herausforderung, als zum Beispiel lediglich den Erwerb eines fertigen Objekts zu finanzieren. Dafür sind aber die zu erzielenden Erträge höher als bei der Finanzierung von Bestandsimmobilien. Von unserem jährlichen inländischen Finanzierungsvolumen entfallen bis zu 900 Millionen Euro auf Projektentwicklungen und Refurbishments.

I&F Wie sieht das Neugeschäft 2015 insgesamt aus und wie wichtig waren Finanzierungen im Ausland?

Ich bin zufrieden. Nachdem wir 2014 rund 3,6 Milliarden Euro neu finanziert hatten, planten wir für 2015 rund 3 Milliarden Euro, die wir aber übertreffen werden. Dabei sind wir, wie vorher ausgeführt, qualitäts- und nicht volumengetrieben vorgegangen. Wie gesagt, wir wollen das richtige Geschäft in den Büchern haben. Vom gesamten Neugeschäft geht durchschnittlich rund ein Drittel in internationale Transaktionen. Hier lag der Fokus auf Finanzierungen in Großbritannien, den Benelux-Ländern, Frankreich und Polen.

I&F Von welchen Märkten erwarten Sie sich 2016 die beste Entwicklung?

Der deutsche Markt wird gut laufen, hier bin ich sowohl für das Bestands- als auch für das Projektentwicklungsgeschäft optimistisch. Dabei bevorzugen wir zum Beispiel im Bürobereich Objekte in "A"-Städten und -Lagen und sowie in ausgewählten "B"-Städten ebenfalls in "A"-Lagen.

I&F Und im Ausland?

Hier werden wir weiterhin unsere Schwerpunkte unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Marktverfassungen in Großbritannien, den Niederlanden sowie Frankreich und Polen haben.

Hauptaugenmerk liegt hier natürlich auch im Büro-und Handelsimmobilienbereich, wobei in den Niederlanden auch der Wohnungsmarkt für uns attraktiv ist.

I&F Welche Entwicklungen sind bei den Margen zu erwarten, sind diese überhaupt noch auskömmlich?

Mittlerweile wurde in vielen Märkten ein Niveau erreicht, das nunmehr eine untere Grenze darstellen sollte. Als Deutsche Hypo kommen wir dabei zurzeit gut zurecht, weil wir eine sehr günstige Kostenstruktur aufweisen und auf eine Mischung aus Bestands- und ertragsstärkeren Projektfinanzierungen setzen. Wir sind aber auch bereit, auf Finanzierungen zu verzichten, wenn die Qualität oder Margen nicht in unser Zielprofil passen.

I&F Margen sind die eine Seite der Medaille, wie sieht es mit den Kreditvergabestandards aus?

Die Loan-to-Value-Ratios (LTVs) sind eigentlich relativ stabil. Aber die Spanne zwischen Marktwerten und den langfristig konzipierten und damit niedrigeren Beleihungswerten wird zunehmend größer und spiegelt somit die Marktgegebenheiten wider. Insgesamt erwarten die Kunden "sportlichere Rahmenbedingungen". Die Covenants-Diskussion wird zum Beispiel deutlich intensiver. Hier hoffe ich sehr, dass es am Markt nicht zu stärkeren Aufweichungen der Risikoparameter kommt. Positiv ist, dass sehr viele Finanzierungen über einen ausreichenden Eigenkapitalanteil verfügen. Als Banker muss man die Risikostruktur ganz klar im Auge behalten, um bei Veränderungen der Marktverhältnisse geschützt zu sein.

I&F Wie groß ist die Belastung durch regulatorische Maßnahmen?

Die Belastungen sind in mehrfacher Hinsicht hoch. In erster Linie ist hier die Eigenkapitalbelastung zu nennen, hier könnten die diskutierten neuen Regeln, Stichwort Basel IV, weitere Auswirkungen auf die Eigenkapitalausstattung von Banken mit sich bringen. Hinzu kommen zum Beispiel mögliche Regeln bei der Kreditvergabe an Privatkunden. Hier hat die Bundesbank vor kurzem Instrumente zur makroprudenziellen Steuerung vorgestellt. Es handelt sich um vorsorgliche Maßnahmen, die erst im Falle von Blasenbildungen und überhitzten Märkten eingesetzt werden sollen. Daneben gibt es unter anderem noch die Diskussion um umfangreiche, regelmäßige Datenlieferungen an die Aufsicht über Kreditengagements, die prozessual und kostenmäßig zu bewältigen sind, um hier nur einige wenige Beispiele zu nennen.

I&F Die Margen sinken, die Regulatorik belastet immer mehr. Welche strategische Rolle werden Banken künftig in der Immobilienfinanzierung spielen?

Weiterhin eine große. Unser Haus beispielsweise ist seit rund 140 Jahren im Markt. Wir sind dabei eine Bank, bei der sich traditionell alles um die Finanzierung von Immobilien dreht und die dieses Geschäft nachhaltig betreibt und auch zukünftig betreiben will. Wir verfügen über viel Erfahrung in der Umsetzung von Immobilientransaktionen.

Dazu gehört unter anderem die langjährige Kenntnis der lokalen Immobilienmärkte durch die Präsenz vor Ort und die Kompetenz, in den verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Rechtssystemen Geschäfte in die passenden Vertragsdokumentationen zu gießen. Wir können mit unseren Kunden im In- und Ausland deshalb auf Augenhöhe verhandeln und einen Mehrwert liefern. Daneben verfügen wir als deutsche Bank mit dem Instrument des Pfandbriefs über ein wettbewerbsstarkes Funding.

Das Kapital von Banken in der Immobilienfinanzierung sind ihre langjährigen Kundenkontakte, ihr Know-how, ihre Erfahrung in der Geschäftsumsetzung und das Vertrauen der Kunden, dass sie das können. Dieses gilt es einzusetzen und die Kunden bei ihren Transaktionen professionell zu begleiten, Deals zu strukturieren und zu dokumentieren. Insgesamt ist es ein Geschäft, das stabile Erträge generiert, wenn man mit den richtigen Kunden zusammenarbeitet und auf die Qualität der zu finanzierenden Immobilien achtet.

I&F Sie sprachen über den Pfandbrief, kann er seine starke Rolle behaupten?

Der deutsche Pfandbrief ist ein international akzeptiertes Produkt und bietet den Emittenten und damit auch uns als Deutsche Hypo günstige und damit wettbewerbsfähige Refinanzierungskonditionen. Aufgrund der niedrigen Zinslandschaft sind allerdings Titel mit langen Laufzeiten derzeit bei den traditionellen Investoren nicht mehr so leicht absetzbar. Für uns stellt dies grundsätzlich kein Problem dar, da wir für unser Geschäftsmodell überwiegend bis zu sieben Jahre laufende Refinanzierungsmittel brauchen. In diesem Laufzeitensegment funktioniert der Absatz sehr gut. Im Rahmen der von der Europäischen Kommission angestoßenen Debatte über eine mögliche Harmonisierung von europäischen Covered Bonds ist es uns extrem wichtig, dass alles unternommen wird, die hohen Qualitätsstandards des deutschen Pfandbriefs beizubehalten. Während die gedeckte Refinanzierung über den Pfandbrief generell am Markt gut und zu angemessenen Spreads läuft, wird die Refinanzierung von Senior-Unsecured-Titeln im Rahmen der Bailin-Diskussion sicherlich zukünftig herausfordernder. Wir als Deutsche Hypo sehen uns hier durch die Einbindung in die Nord-LB-Gruppe und die S-Finanzgruppe gut positioniert.

Zur Person

Andreas Pohl Sprecher des Vorstands, Deutsche Hypothekenbank (Actien-Gesellschaft), Hannover

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