EZB: Geldpolitische Beschlüsse

Bestände des Eurosystems an Wertpapieren für geldpolitische Zwecke Quelle: EZB

Auf seiner Sitzung im September sah sich der EZB-Rat mit einer länger als erwartet andauernden Konjunkturschwäche im Euroraum, anhaltenden und ausgeprägten Abwärtsrisiken sowie einer weiteren Verzögerung der Annäherung der Inflation an sein mittelfristiges Inflationsziel konfrontiert. Die Inflationsaussichten seien angesichts der schwächeren Wachstumsdynamik im Eurogebiet weiter hinter der Zielvorgabe zurückgeblieben. Weder die tatsächlichen noch die projizierten Inflationsraten sind in den letzten Monaten gestiegen und die Messgrößen der Inflation entwickeln sich weiterhin insgesamt verhalten. Die markt- und umfragebasierten Indikatoren der langfristigen Inflationserwartungen liegen auf einem historisch niedrigen Niveau. Dies kommt auch in den aktuell erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen für das Eurogebiet zum Ausdruck, aus denen eine weitere Eintrübung der Inflations- und Wachstumsaussichten hervorgeht.

Mit Blick auf sein Mandat zur Gewährleistung von Preisstabilität im Eurogebiet hat der EZB-Rat daher ein umfangreiches Paket geldpolitischer Maßnahmen beschlossen. Das Paket besteht aus fünf Elementen: a) einer Senkung des Zinssatzes für die Einlagefazilität, b) einer Anpassung der Forward Guidance im Hinblick auf die Leitzinsen der EZB, c) einer Wiederaufnahme der Nettoankäufe im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme - APP), d) Änderungen der Modalitäten der neuen Serie gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III) und e) der Einführung ein es zweistufigen Systems für die Verzinsung der Reserveguthaben. Die Maßnahmen sollen sich gegenseitig ergänzen und so erhebliche geldpolitische Impulse setzen.

Zu a) beschloss der EZB-Rat, den Zinssatz für die Einlagefazilität auf minus 0,50 Prozent zu senken. In einem von überschüssiger Liquidität geprägten Umfeld diene der Einlagenzinssatz als Anker für die kurzfristigen Zinssätze, die wiederum den geldpolitischen Transmissionsmechanismus stützen würden. Der Interbanken- Geldmarktsatz (EONIA) verankert die Overnight-Index-Swap-(OIS)-Kurve im Euro raum, die der Bepreisung zahlreicher Finanzinstrumente und insbesondere auch den Referenzzinssätzen zugrunde liegt. Eine Senkung des Zinssatzes für die Einlagefazilität setzt somit laut EZB einen geldpolitischen Impuls über die gesamte Zinsstrukturkurve hinweg. Somit wird die Herabsetzung des Einlagenzinssatzes um 10 Basispunkte den Grad der geldpolitischen Akkommodierung weiter erhöhen und zudem die Banken anregen, Kredite an die Wirtschaft zu vergeben, anstatt Liquidität zu horten, was den Portfolio-Rebalancing-Kanal des APP stützen dürfte.

Als Maßnahme zum Punkt b) beschloss die EZB, die zustandsabhängige Komponente seiner Forward Guidance anzupassen. Die Anpassungen stellen laut EZB eine Ergänzung zu den Ausführungen des EZB-Rats auf der Sitzung im Juli dar, auf der er die Symmetrie seines Inflationsziels betonte und seine Entschlossenheit bekräftigte, bei einer Unterschreitung seiner Preisstabilitätsdefinition ebenso entschieden zu handeln wie bei zu hohen Inflationsraten. Der EZB-Rat hat nun die zustandsabhängige Komponente der Forward Guidance gestärkt, indem er sie an eine Reihe strengerer Anforderungen für den Inflationsausblick koppelte.

Insbesondere geht der EZB-Rat nunmehr davon aus, "dass die EZB-Leitzinsen so lange auf ihrem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden, bis wir feststellen, dass sich die Inflationsaussichten in unserem Projektionszeitraum deutlich einem Niveau annähern, das hinreichend nahe, aber unter 2 Prozent liegt, und dass sich diese Annäherung in der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation durchgängig widerspiegelt."

Mit der Nennung eines Niveaus von "hinreichend nahe, aber unter 2 Prozent" wird signalisiert, dass sich die Inflationsaussichten gegenüber dem aktuellen tatsächlichen und erwarteten Niveau deutlich aufhellen müssen und dass die Konvergenz des Inflationsausblicks im Projektionszeitraum beobachtet werden muss. Außerdem muss es sich um eine robuste Annäherung handeln, das heißt, der EZB-Rat will sicher sein, dass die Annäherung des Inflationspfads an seine Zielvorgabe hinreichend gefestigt und realistisch genug ist, bevor er mit einer Anhebung der Leitzinsen beginnt.

Zu Punkt c) beschloss die EZB, dass die Nettoankäufe im Rahmen des APP in einem monatlichen Umfang von 20 Milliarden Euro wieder aufgenommen werden und Tilgungsbeträge für längere Zeit vollumfänglich wieder angelegt werden. Die Wiederaufnahme der Ankäufe von Vermögenswerten wirkt durch die Komprimierung der Risikoprämien dämpfend auf die langfristigen Zinssätze. Gleichzeitig beschloss der EZB-Rat, die Tilgungsbeträge der im Rahmen des APP erworbenen Wertpapiere für längere Zeit über den Zeitpunkt hinaus, zu dem mit der Erhöhung der Leitzinsen begonnen wird, bei Fälligkeit weiterhin vollumfänglich wieder anzulegen, und in jedem Fall so lange wie erforderlich, um günstige Liquiditätsbedingungen und eine umfangreiche geldpolitische Akkommodierung aufrechtzuerhalten.

Der EZB-Rat entschied außerdem, die Möglichkeit des Erwerbs von Wertpapieren mit einer Rendite unterhalb des Zinssatzes für die Einlagefazilität im erforderlichen Umfang auch auf die Teile des APP auszuweiten, die den privaten Sektor betreffen, das heißt auf das dritte Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP3), das Programm zum Ankauf von Asset-Backed Securities (ABSPP) und das Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP). Diese Ausweitung wird dazu beitragen, dass das APP weiterhin reibungslos umgesetzt werden kann. Des Weiteren spiegelt sie Veränderungen der Marktzinsen im Verhältnis zum Zinssatz für die Einlagefazilität wider.

Viertens beschloss der EZB-Rat, die Modalitäten der GLRG III zu ändern. Dadurch wurde die preisliche Attraktivität der neuen Geschäfte erhöht. Insbesondere wurde der im Juni bekannt gegebene Abstand von 10 Basispunkten über dem Eingangs- beziehungsweise Mindestzinssatz aufgegeben. Der Zinssatz für die einzelnen Geschäfte wird nunmehr auf das Niveau des durchschnittlichen Zinssatzes für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte während der Laufzeit des jeweiligen GLRG III festgesetzt. Für Banken, deren Kreditvergabe ihre entsprechende Referenzgröße überschreitet, wird ein niedrigerer Zinssatz gelten, wobei der durchschnittliche Zinssatz für die Einlagefazilität die Untergrenze bildet. Die neue Preisgestaltung unterstützt die Refinanzierungsbedingungen der Banken, sodass diese weiterhin Kredite zu günstigen Bedingungen an Unternehmen und Privathaushalte vergeben können.

Fünftens beschloss der EZB-Rat, ein zweistufiges System für die Verzinsung der Reserveguthaben einzuführen, bei dem ein Teil der Überschussliquidität der Banken vom negativen Einlagenzinssatz ausgenommen wird. Der EZB-Rat beobachtet die möglichen Nebenwirkungen der Negativzinsen auf die bankbasierte Intermediation genau, denn diese können sich umso stärker manifestieren, je länger die negativen Zinssätze beibehalten werden und je niedriger sie sind. Diesbezüglich wird das beschlossene zweistufige System dazu beitragen, den positiven Effekt der negativen Leitzinsen auf die Wirtschaft zu bewahren, indem die direkten Auswirkungen auf die Ertragslage der Banken teilweise aufgefangen werden.

Der maximale Umfang des Reserveguthabens, das die Mindestreserveanforderungen übersteigt und von der Verzinsung zum Einlagesatz befreit ist (das heißt der ausgenommene Teil), wird als Vielfaches des Mindestreserve-Solls des betreffenden Kreditinstituts berechnet. Der hierfür anzuwendende Multiplikator wird ab der siebten Reserveerfüllungsperiode 2019 auf 6 festgelegt, und der ausgenommene Teil wird mit einem jährlichen Zinssatz von 0 Prozent verzinst. Der für den ausgenommenen Teil geltende Zinssatz sowie der Multiplikator für die Berechnung der Maximalhöhe dieses ausgenommenen Teils können im Laufe der Zeit in Anlehnung an die Entwicklung der Bedingungen am Geldmarkt geändert werden. Bei den gegenwärtigen Liquiditätsbedingungen könnte sich der ausgenommene Teil auf bis zu 43 Prozent der gehaltenen Überschussliquidität belaufen, wenn die Kreditinstitute ihre ausgenommenen Kontingente vollumfänglich ausnutzen.

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