Avalkreditabwicklung und Aval-Servicing - Distressed Debt Investment neu gedacht

Exkurs: Forderungen und Verbindlichkeiten - wer hat wann was?

Christian Soring, BondIng. Competence, Hamburg - Bei notleidenden Engagements stehen die Banken regelmäßig vor der Frage, die damit verbundenen Chancen und Risiken selbst in einer Workout-Abteilung zu managen oder diese Dinge in die Hand eines externen Servicedienstleisters zu geben. Als Anbieter in diesem Geschäftsfeld plädiert der Autor für diesen letzteren Weg. Mit Blick auf die Banken argumentiert er dabei nicht zuletzt mit der günstigen Beeinflussung der Eigenkapitalposition. Und aus Sicht der Investoren verweist er auf die Chancen, aus möglicherweise günstig eingekauften Forderungen Erlöse zu generieren. Die Kreditwirtschaft tendiert freilich zuweilen dazu, solche Fälle von notleidenden Krediten als guten Anknüpfungspunkt für die eigene intensive Marktbearbeitung zu nutzen. (Red.)

Seit gut zehn Jahren nutzen auch in Deutschland Kreditinstitute die Möglichkeit, sich durch Verkauf an überwiegend angloamerikanische Investoren notleidender Engagements zu entledigen. Der als Distressed Debt Investment (im Weiteren DDI) bezeichnete Handel mit notleidenden Krediten, non-performing loans (NPL), hat sich auch hierzulande etablieren können, da dieser für beide Seiten vorteilhaft ist:

- Die das Kreditportfolio veräußernde Bank (Gläubiger) reduziert das mit Eigenkapital (Basel II/III) zu unterlegende Kreditrisiko.

- Der das Kreditportfolio erwerbende Investor nutzt seine Unabhängigkeit und Flexibilität, um aus den günstig eingekauften Forderungen einschließlich Sicherheiten Erlöse zu generieren.

Eine Spielart der Kreditabwicklung

Der Verkauf von Kreditforderungen an Investoren ist dabei eine Spielart der Kreditabwicklung, die Maßnahmen zur Forderungsbeitreibung und Sicherheitenverwertung des gekündigten Kredits umfasst. Für die Abwicklung der einzelnen Kreditengagements bedient sich der Investor eines Servicers, der für diesen als Dienstleister die Aufgaben übernimmt, die zuvor die Workout-Abteilung des veräußernden Kreditinstituts innegehabt hat. Dabei ist der Servicer der Workout-Abteilung gegenüber vielfach im Vorteil, ist er doch einerseits nicht geschäftspolitischen Zwängen unterworfen, andererseits freier in der Auswahl und Umsetzung von Lösungsstrategien zur raschen Abwicklung.

Bemerkenswert ist die Analogie zwischen dem quasi klassischen Distressed Debt Investment von Unternehmenskrediten und Immobiliendarlehen und dem hier als Avalkreditabwicklung bezeichneten Verkauf von Avalkreditportfolios mit einem Aval-Servicing durch den Investor.

Avalkreditabwicklung: Verkauf/Kauf von Verbindlichkeiten aus Avalen

Avalkredit - Beim Avalkredit handelt es sich zunächst ebenfalls um einen Kredit, für den jedoch im Gegensatz zu diesem ein dreiseitiges Verhältnis, nämlich zwischen Avalkreditnehmer und Avalkreditgeber (Bürge) und einem Avalbegünstigten besteht. Wie bei einem herkömmlichen Kredit liegen dem Avalkreditgeber Sicherheiten des Avalkreditnehmers vor. Im Fall eines verkauften notleidenden Avalkredits hat sich jedoch der Servicer nicht mit dem Avalkreditnehmer (Analogie zum herkömmlichen Kredit) ins Benehmen zu setzen, sondern mit dem Avalbegünstigten.

Der Bürge hat sich für Forderungen des Avalbegünstigten gegenüber dem Avalkreditnehmer verbürgt, sodass dieser, wird der Avalkredit durch Insolvenz des Avalkreditnehmers quasi notleidend, an dessen Stelle tritt. Infolge dieses Stellungswechsels macht der Avalbegünstigte nun seine Forderungen gegenüber dem Avalkreditgeber (Bürge/Bank) geltend. Gegenstand des Verkaufs ist beim klassischen DDI die Forderung gegen den Kreditnehmer, bei der Avalkreditabwicklung hingegen die Forderung des Avalbegünstigten (Dritter). Der Erlös für den DDI resultiert im ersten Fall aus der Forderungsbegleichung durch den Kreditnehmer, im Fall der Avalkreditabwicklung aus dem Zugriff auf die Sicherheiten.

Reputationsschäden vermeiden

Bewertung - Die Tatsache, dass bei der Avalkreditabwicklung der Avalbegünstigte Forderungen gegenüber dem DDI geltend machen muss, ist in mehrfacher Hinsicht im Hinblick auf eine Erlösgenerierung des DDI sogar positiver zu werten als beim klassischen DDI. Zunächst besteht in der Regel keine direkte geschäftliche Beziehung zwischen dem Avalbegünstigten und dem veräußernden Kreditinstitut, sodass eine Besorgnis um die oftmals langjährige Geschäftsbeziehung der Bank zum Kunden nicht begründet ist. Allerdings hat das Kreditinstitut durchaus eine Reputation zu verlieren, sodass im Fall der Geltendmachung von Ansprüchen zulasten des Avals eine zuverlässige und seriöse Abwicklung der Avalinanspruchnahme durch den Servicer des DDI sichergestellt sein muss.

Da im Fall der Avalkreditabwicklung nicht der DDI die Forderung gegenüber dem Kunden durchsetzen muss, sondern der Avalbegünstigte seine Forderung gegenüber dem DDI geltend zu machen hat, besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass keine Forderungen gegenüber dem DDI erhoben werden oder diese verspätet, nämlich in verjährter Zeit, erhoben werden.

Intransparenz des Avalkreditengagements

Zudem partizipiert der DDI von der im Avalkreditgeschäft üblichen Beweislastverteilung sowie Darlegungs- und Nachweispflicht des Avalkreditbegünstigten gegenüber dem Avalkreditgeber. Somit hat der DDI die Möglichkeit durch einen Aval- Servicer die erhobenen Forderungen hinsichtlich ihrer Berechtigung, einer Eintrittsverpflichtung dem Grunde sowie einer Eintrittsverpflichtung der Höhe nach prüfen zu lassen und die Forderungen gegebenenfalls gänzlich abzulehnen oder aber aus einer starken Verhandlungsposition heraus eine mehr oder weniger rasche vergleichsweise Erledigung herbeizuführen. Die zeitliche Komponente korreliert insoweit mit dem generierten Erlös, als eine rasche Vergleichslösung zwar einen früheren Zugang zu den hinterlegten Sicherheiten eröffnet, der Erlös aber geringer ausfällt.

Der Verkauf von notleidenden Avalkreditengagements, das heißt von Avalkreditrahmen, die aufgrund der Insolvenz des Avalkreditnehmers gekündigt sind und sich in der Schadenabwicklung befinden, ist auch unter Solvabilitätsgesichtspunkten eine interessante Option. Der für die Versicherungen gemäß Solvency II geforderte Solvenzkapitalbedarf (SCR) ist bei Kredit- und Kautionsversicherungen vergleichsweise hoch. Hinzu kommt noch eine vergleichsweise hohe Volatilität sowohl für das Prämien- als auch das Reserverisiko - ungünstige Parameter für die Einordnung in einem SCR-Portfolio.

Als zunächst nachteilig im Hinblick auf die vom DDI zu treffende Entscheidung, ob und zu welchen Konditionen ein zum Verkauf stehendes Avalkreditengagement gekauft werden soll, ist die Intransparenz die dem Avalkreditengagement innewohnt. Tatsächlich ist das Schadenobligo zunächst eine Blackbox, denn es ist zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung nicht bekannt, wie viele Avale in welcher Höhe in Anspruch genommen werden und welches Abwicklungsergebnis respektive welcher Sicherheitenerlös nach Prüfung und Verhandlung durch den Aval-Servicer generiert werden kann.

Aval-Servicer - Die Dienstleistungen des Aval-Servicers setzen an zwei Punkten des DDI an:

- Aufbereitung, Analyse, Strukturierung und Bewertung eines verkäuflichen Avalkreditengagements mit dem Ziel, dem DDI eine Min.-Max.-Abschätzung über die zu erwartenden Erlöse einer Transaktion zu liefern

- Prüfung, Begutachtung und Verhandlung einer Forderung gegenüber dem DDI aus dem von diesem erworbenen Avalkreditengagement

Interdisziplinäre Schadenprüfung

Beide Tätigkeitsfelder setzen eine langjährige Erfahrung des Aval-Servicers in der Avalkreditabwicklung voraus. Insbesondere bei der Bewertung eines strukturierten Avalportfolios sind Kenntnisse beispielsweise über

- die Inanspruchnahmehäufigkeit innerhalb eines Portfolios - die Inanspruchnahmecharakteristik verschiedener Sicherungsgegenstände

- die Inanspruchnahmecharakteristik verschiedener Avalarten

- potenzielle Einwendungen gegen eine Eintrittsverpflichtung bereits dem Grunde nach

- die Regulierungscharakteristik verschiedener Avalarten

erforderlich, um eine im Hinblick auf die zu treffende Investmententscheidung des DDI hilfreiche Grundlage erarbeiten zu können.

Bei der Bearbeitung eines in Anspruch genommenen Avals handelt es sich um eine übliche Schadenbearbeitung, bestehend aus einer (bau-)vertraglichen, (bau-)technischen und (bau-)kaufmännischen Prüfung der Inanspruchnahme hinsichtlich einer Eintrittsverpflichtung des DDI dem Grunde und der Höhe nach. Um Schnittstellenproblemen zwischen der rechtlichen Prüfung eines Juristen und der technischen Prüfung eines Ingenieurs zu begegnen, empfiehlt es sich, eine interdisziplinäre Schadenprüfung durch einen ent sprechend qualifizierten Aval-Servicer zu veranlassen. Bei Bedarf zieht der Aval-Servicer einen Juristen für die Klärung maßgeblicher Rechtsfragen hinzu.

Im Ergebnis erfolgt die Prüfung aus einer Hand und hat den Vorteil, dass sie schneller, effizienter und in der Regel auch erfolgreicher durchgeführt werden kann. Zudem verfügt der Aval-Servicer infolge dieser intensiven Prüfung über sämtliche rechtlichen wie technischen Kenntnisse im Hinblick auf das verbürgte (Bau-)Projekt. Damit ist der Aval-Servicer auch für die Verhandlung mit dem Avalbegünstigten respektive dessen Vertreter inhaltlich und projektspezifisch bestens vorbereitet.

Eine erfolgreiche Verhandlung schließlich ist Voraussetzung für einen bestmöglichen Sicherheitenerlös.

Analogie zu Investments in herkömmliche Darlehen/Kredite

Distressed Debt Investments in Avalkreditportfolios weisen eine starke Analogie zu solchen Investments in herkömmliche Darlehen/Kredite auf. Aufgrund der beim Avalkredit bestehenden dreiseitigen Beziehung ergeben sich sogar Vorteile gegenüber der Abwicklung eines herkömmlichen Distressed Debt Investments. Lediglich für die anfängliche Blackbox Avalkredit gilt es in Vorbereitung auf eine Investmententscheidung weitestgehende Transparenz herzustellen.

Hierzu kann sich der Investor eines qualifizierten Aval-Servicers bedienen. Hat der Investor das Avalkreditportfolio erworben, steht dieser ihm für eine professionelle Abwicklung, als Voraussetzung für eine Maximierung der Sicher heitenerlöse zur Seite - eine Win-win-Situation.

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