Risikomanagement

Exit-Optionen bei Bad Banks und Institutional Restructuring Units

Die Bestände sogenannter Non-performing Loans (NPL) - hier in Anlehnung an die Definition der BaFin verstanden als Kredite mit Einzelwertberichtigungsbedarf - haben nach dem Höhepunkt Anfang des Jahrtausends und der darauf folgenden Verkaufswelle der Jahre 2003 bis 2007 wieder deutlich zugenommen. Nach einer aktuellen Schätzung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC beträgt das gesamte NPL-Volumen in den Bilanzen deutscher Banken etwa 200 bis 220 Milliarden Euro.1)

Vergleicht man die NPL-Bestände der Vorjahre mit den dann erfolgten Transaktionsvolumina2), so ist erkennbar, dass der letztendliche Verkauf von Krediten jeweils mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung erfolgt. Insofern ist in Anbetracht aktuell gestiegener Bestände aus makroökonomischer Sicht davon auszugehen, dass das Transaktionsvolumen nach den eher ruhigen Jahren 2008 bis 2010 ab 2011 wieder deutlich anzieht.

In jüngster Vergangenheit haben sich zwei maßgebliche Typen von Abwicklungsplattformen herauskristallisiert, die den Abbau eines problembehafteten Kreditportfolios vornehmen. Neben der staatlich überwachten Abwicklungsanstalt (Bad Bank) als "neue" Form gibt es die bereits zu Beginn des Jahrtausend von verschiedenen Instituten errichtete "interne" Lösung der Institutional Restructuring Unit (IRU), die als bankeigene Einheit die Kompetenzen bündelt.3)

Trotz der bereits in 2009 und 2010 deutlich gestiegenen NPL-Bestände haben die Banken in jüngster Vergangenheit einen Exit ihrer problembehafteten Engagements vielfach über ihre eigenen Plattformen gesucht, statt diese an den Markt abzugeben. Im Zuge der Finanzmarktkrise wurden die Workout-Abteilungen der Institute aufgestockt und zum Teil interne IRU gegründet. Solche institutsinternen Restrukturierungseinheiten fungieren dabei als "günstige" Alternative außerhalb staatlicher Aufsicht. Dabei wird eine separate, rechtlich jedoch nicht getrennte Einheit innerhalb der Bank gegründet, in die die leistungsgestörten, aber auch die nicht-strategischen Engagements ausgelagert werden. IRU wurden aktuell zum Beispiel von der Commerzbank, der Bayern-LB und der HSH Nordbank aufgebaut. Insbesondere für Landesbanken ist dies ein geeignetes Instrument zur Auslagerung von problembehafteten und nicht zum Kerngeschäft gehörenden Kreditengagements (überwiegend überregionale und internationale Aktivitäten), da sie sich so wieder auf ihr Kerngeschäft mit regionalem Fokus konzentrieren können.

Die Abwicklungsanstalt, im Volksmund überwiegend Bad Bank genannt, bedeutet rechtlich die Gründung einer teilrechtsfähigen, wirtschaftlich und organisatorisch selbstständigen Einheit innerhalb der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA). In diese Anstalt wurden dann zum Zwecke der Abwicklung die bis zum 31. Dezember 2008 erworbenen Risikopositionen und nicht-strategischen Geschäftsbereiche übertragen. Die Abwicklungsanstalt ist kein Bankinstitut, ist nicht an banktypische Vorgaben gebunden und bilanziert nach HGB. Durch die Ausgliederung hat sich die Kernbank auf einen Schlag von ihren Risikopositionen und nicht zum Kerngeschäft gehörenden Engagements trennen können. Sie kann so unbelastet und mit freien Ressourcen ihren Fokus wieder auf das Kerngeschäft richten.

Es haben jedoch nur zwei Banken eine Abwicklungsanstalt nach diesem Modell gegründet: die WestLB die Erste Abwicklungsanstalt (Anstalt des öffentlichen Rechts) und die Hypo Real Estate die FMS Wertmanagement AöR. Eine Reihe von Gründen hat dazu beigetragen, dass nicht noch weitere Institute dieses Instrument genutzt haben. Insbesondere Landesbanken versuchen, ihre Unabhängigkeit ohne staatlichen Einfluss und Aufsicht zu behalten und fokussieren sich auf interne Lösungen. Darüber hinaus ist die Gründung unter Aufsicht und Steuerung des SoFFin äußerst kompliziert und aufwendig. Und auch vergütungsrechtliche Fragen, so zum Beispiel die Gehaltsdeckelung für Vorstände und leitende Mitarbeiter, spielen eine entscheidende Rolle.

Strategien zum Portfolioabbau

Sowohl den Bad Banks als auch den IRU (und darüber hinaus den "normalen" Kernbanken) stehen drei Alternativen zum Abbau ihres problembehafteten Kreditportfolios zur Verfügung:

- eigenes Workout,

- Outsourcing von Dienstleistungen,

- Verkauf von Forderungen.

Welche Option ein Institut wählt, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Zumeist wird von den Banken eine Kombination aus den drei Alternativen gewählt.

- Das eigene Workout erfordert dabei je nach Volumen einen hohen Managementaufwand, gegebenenfalls mit der Notwendigkeit einer organisatorischen Anpassung der personellen Kapazitäten. Da teilweise ein langer Zeitraum zur Lösung der Engagements beziehungsweise zur Realisierung der Sicherheiten mittels Zwangsmaßnahmen erforderlich ist, werden personelle Ressourcen über eine längere Periode gebunden. Darüber hinaus ist bei immobilienbesicherten Engagements vielfach ein professionelles Real Estate Asset Management vonnöten, das auch zusätzliche Investitionen, beispielsweise in Mieterausbauten oder zur Beseitigung eines Instandhaltungsrückstaus, mit sich bringen kann. Andernfalls ist ein fortlaufender Wertverlust der Sicherheiten zu befürchten. Gegenüber einem sofortigen Verkauf könnte die Bank durch ein eigenes Workout in vollem Maße von einer eventuellen Wertaufholung profitieren. Diese Strategie enthält allerdings ein spekulatives Element, denn eine solche Wertaufholung ist in der Regel erst nach Ablauf einer gewissen Periode, in der die Maßnahmen wirken müssen, festzustellen. Und schlimmstenfalls kann sie trotz eingeleiteter Maßnahmen auch gar nicht erfolgen.

- Das Outsourcing von Dienstleistungen ist ein probates Mittel, um benötigte Kapazitäten flexibel zu steuern und diese nicht im eigenen Haus selbst zu binden. Im Markt befinden sich etablierte Anbieter, die jedoch zunehmend einen speziellen Fokus haben. So unterteilen sich die ausgelagerten Portfolios zumeist in besicherte oder unbesicherte Kreditengagements sowie im besicherten Bereich in mobile Sicherheiten oder Immobiliensicherheiten. Darüber hinaus legen manche Servicer ihren Fokus entweder auf ein reines Inkasso, auf eine vollumfängliche Workout-Leistung oder auf Real Estate Asset Management. Für die Bank besteht jedoch stets die Notwendigkeit, den Dienstleister zu steuern und zu überwachen. Ferner muss sie eine Gleichschaltung der Interessen sicherstellen, so zum Beispiel durch entsprechende Incen-tive-Systeme. In jedem Falle verbleibt bei einer reinen Auslagerung von Dienstleistungen das Ausfallrisiko bei der Bank.

- Der Verkauf von problembehafteten Forderungen bietet dagegen eine Lösungsoption zur schnellen Bereinigung großer Volumina bei gleichzeitiger Generierung eines sofortigen Liquiditätszuflusses. Durch die schnelle Bereinigung von risikoreichen Bilanzpositionen steht der Bank wieder Eigenkapital zur Verfügung, das sie zur Stärkung des Kerngeschäfts nutzen kann. Negativ wirkt es sich jedoch aus, wenn der Buchwert der Engagements oberhalb der Einschätzung der Investoren liegt, im Verkaufsfall also eine weitere Wertberichtigung vonnöten wäre. Dies bringt eine empfindliche Belastung des ohnehin knappen Eigenkapitals mit sich. Verkauft die Bank in dieser Konstellation nicht, behält sie - unter der Annahme, dass die Investorenangebote einen liquiden und transparenten Markt widerspiegeln - zumindest eine stille Last. Im aktuellen Umfeld werden sowohl Bad Banks als auch IRU somit wahrscheinlich eine opportunistische Vorgehensweise verfolgen, das heißt, auf Einzelengagementbasis wird eine zeitnahe Veräußerung dann vorgenommen, wenn diese einen geringeren Verlust erwarten lässt als die Restrukturierungsvariante.

Vollkostenbetrachtung

Bei einer Abwägung der drei Alternativen zum Portfolioabbau - und dies gilt insbesondere für die Beurteilung der Option "Verkauf" - nehmen die Institute jedoch zumeist keine Vollkostenbetrachtung vor. In der Regel werden die zu erzielenden Erlöse für ein Kreditengagement dem Buchwert der Forderung gegenübergestellt. Über den reinen Erlös des Engagements hinaus, so zum Beispiel mittels zwangsweiser Verwertung der Sicherheiten, muss jedoch eine Reihe positiver und negativer Faktoren beachtet werden. Hierzu gehören unter anderem:

Positive Faktoren

- Zinszahlungen,

- Mieterträge (über Mietabtretung, Zwangsverwaltung),

- Wertsteigerung

Negative Faktoren

- eventueller Zinsverlust,

- laufende Betriebskosten der (Immobilien-) Sicherheiten (inklusive notwendige Investitionen zum Werterhalt),

- Kosten für eine Zwangsverwaltung,

- Kosten für Vollstreckungsmaßnahmen (Gutachten, Gerichtsgebühren),

- interne Personalkosten und weitere Kosten der Administration,

- gegebenenfalls Kosten eines externen Servicers.

Nicht berücksichtigt sind hierbei Opportunitätskosten, die durch Bindung personeller Ressourcen entstehen, die andernfalls für margenstärkeres Neugeschäft verwendet werden könnten. Insbesondere bei den langfristig ausgelegten Abbaustrategien von Bad Banks und IRU laufen so Kosten auf, die - je nach Laufzeit bis zur endgültigen Abarbeitung einen durchaus signifikanten Betrag ausmachen können.

Bei den zum Teil zehnjährigen Abbauplänen stellt sich die Frage, ob durch ein Festhalten an problembehafteten Engagements wirklich die beste Lösung realisiert wird. Darüber hinaus ist eine Reihe von makroökonomischen Faktoren zu beachten, die schwer prognostizierbar sind, aber die Abbaupläne empfindlich beeinflussen können, so zum Beispiel die Entwicklung einzelner Märkte für Kreditsicherheiten (Immobilienmarkt, Automobilmarkt) oder die Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen, zum Beispiel im Insolvenz- oder Vollstreckungsrecht. Bei einer Analyse der drei Optionen zum Portfolioabbau wäre es somit bei Bad Banks und IRU angebracht, sämtliche Kosten bis zur endgültigen Lösung zu berücksichtigen. Weiterhin bilden die klassischen NPL üblicherweise weniger als fünf Prozent der Bilanzsumme der Kreditinstitute und stellen keine Kernkompetenz dar. Sie bieten sich somit für eine externe Lösung an, um Ressourcen im Kerngeschäft der Bank bündeln zu können.

In Deutschland besteht ein reifer Markt für die klassischen notleidenden Immobi-lien-, Firmen- sowie Privatkundenkredite. Zahlreiche Investoren und Servicer verfügen über langjährige Transaktionserfahrung und sind seit längerem im Markt präsent. Der zwischenzeitlich eingeschränkte Markt mit deutlichen Wertabschlägen hat sich mittlerweile wieder normalisiert. Verkäufer können in Bietungsverfahren gute Marktpreise erzielen. Selbst kleine regionale Institute können über Auktionsbörsen und den Einsatz von (mittlerweile vorliegenden) Standardkaufverträgen dieses Instrument effizient nutzen. Damit besteht für die Banken bei einem fairen Vergleich unter Berücksichtigung aller (interner und externer) Kosten keine ökonomische Notwendigkeit, in Bad Banks oder IRU die klassischen NPL zu halten, um bessere Verwertungs- und Abwicklungsergebnisse zu erzielen. Vielmehr ist dieses gegebenenfalls ein Hinweis, dass die Bank stille Portfoliolasten über einen längeren Zeitraum wirtschaftlich verteilen muss. Im Hinblick auf die neuen geforderten Eigenkapitalrichtlinien und die staatlichen Stützungsmaßnahmen wäre es wünschenswert und auch notwendig, kürzere Verwertungszeiträume anzustreben.

Fußnoten

1) PwC, NPL Europe, Issue 2, S. 4.

2) Als Basis hierfür dienen die Studie von Ernst & Young, European Non-performing Loan Report 2008, S. 12, sowie die Jahresberichte der BaFin, die jeweils Aussagen zum Bestand der Non-performing Loans (als Kredite mit Einzelwertberichtigungsbedarf) machen.

3) Die bisher bekannteste IRU hatte die Dresdner Bank von 2003 bis 2005, die insgesamt ein Portfolio von etwa 35,5 Milliarden Euro abbaute.

Der Beitrag gibt die gekürzte Fassung eines Vortrags wieder, den die Verfasser am 14. Oktober 2010 auf dem 27. Tag des Risikos in Frankfurt am Main gehalten haben.

Marcel Köchling , Vizepräsident, Vorstandsmitglied , Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V., Berlin
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