Wettbewerbsfaktor Prozessgestaltung

Potenziale in der Immobilienkreditsanierung und dem bankeigenen Workout

Wird der deutsche NPL-Markt überschätzt und das interne Workout in der Immobilienfinanzierung unterschätzt? Aus Sicht der Autoren ist die interne Abarbeitung notleidender, mit Immobilien besicherten Forderungen in der Regel wirtschaftlicher als ein Verkauf. Dies sei einerseits den Preisen geschuldet, die Ankäufer derzeit zu zahlen bereit sind. Andererseits würden die Kreditinstitute im Konjunkturaufschwung bessere Chancen sehen, Leistungsstörungen zu heilen und dadurch Wertberichtigungen aufzulösen. Das dafür nötige Know-how und die entsprechenden Prozesse müssten sie - von Wirtschaftsprüfern regelmäßig gefordert - ohnehin vorhalten. (Red.)Zunächst gehen einige Experten davon aus, dass das Volumen der Problemkredite in 2010 seinen Höhepunkt erreicht hat.1) Nicht nur aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung ist eher ein rückläufiges Volumen von ausgefallenen Immobilienkrediten zu erwarten. Größere NPL-Transaktionen sind in den Jahren 2010 und 2011 am Markt nicht bekannt geworden. Eine Ausnahme bildet sicherlich ein 2,1 Milliarden Euro schwerer NPL-Deal der Credit Suisse im ersten Quartal 2011 mit hauptsächlich europaweiten besicherten Immobilen.2) Ansonsten ist das aktuelle Tranksaktionsgeschehen eher als "stiller Handel"3) mit kleinvolumigen Portfolios bis maximal 100 Millionen Euro zu qualifizieren. Des Weiteren sind viele sekundäre Forderungsverkäufe zu beobachten, etwa weil einige Investoren sich aus dem NPL-Markt zurückziehen und schlichtweg die Erwartungen an den ROI4) zu ambitioniert waren. Die Zeiten, in denen NPL-Aufkäufer hohe strategische Markteintrittspreise an die Banken zahlten, sind vorbei. Die Banken haben zudem ihre Abwicklungseinheiten eher aus- als abgebaut und ihr Know-how im Bereich Reporting weiterentwickelt. Mit dem am 12. August 2008 in Kraft getretenen Risikobegrenzungsgesetzes sind die seinerzeit heftig geführten Diskussionen zur Zulässigkeit und Durchführbarkeit von NPL-Verkäufen obsolet geworden, wenngleich der BGH mit seiner Entscheidung vom 30. März 20105) die Handelbarkeit von mit Grundschulden besicherten Forderungen stark erschwert hat. Der Grundschuldneugläubiger muss den strengen Anforderungen einer Klauselumschreibung folgend, den Eintritt in den alten Sicherungsvertrag nachweisen. Das Wie und Wann dieses Nachweises beschäftigen derzeit massiv die Notare und diverse Landes- und Oberlandesgerichte. Ein NPL-Verkauf ist damit letztlich teurer und bürokratischer geworden. Die Vorzüge einer NPL-Transaktion Eine Bank wird immer dann einen NPL-Verkauf durchführen, wenn sie ohne Verlust ihre Sicherheiten verwerten kann und dabei freie Bearbeitungskapazitäten erhält. Des Weiteren wird durch einen NPL-Verkauf weniger Eigenkapital der Verkäuferbank gebunden. Ein oft zitiertes Schlagwort ist Basel III. Der Druck auf eine Eigenkapitalstärkung durch den Verkauf von ausgefallenen Darlehen nehme zu, heißt es. Die Bank könne sich nach einem Verkauf zudem wieder intensiver dem Kreditneugeschäft zuwenden. Die Devise lautet dabei "Konzentration auf das Kerngeschäft". Alles was noncore ist, müsse die Bank externen Spezialisten überlassen. Oft wird vorgetragen, dass ein Servicer eines Forderungsaufkäufers in der Bearbeitung von notleidenden Forderungen spezialisierter sei. Man kümmere sich mehr um den Schuldner, verhandle intensiver und verfüge über mehr Kompetenz im Immobilienmarkt und besitze die modernere IT-Infrastruktur zur Bewältigung auch größerer Forderungsbestände. Der professionelle Aufkäufer greife zumeist auf belastbare Netzwerke in der Vermarktung von Immobilien zurück und sei optimal im Bereich Immobilienzwangsvollstreckung aufgestellt. Hierdurch gelänge es, schneller als eine Bank zu verwerten und oftmals bessere Verwertungsergebnisse zu erzielen. Kritische Betrachtung Bei allen ins Feld geführten Argumenten bleibt die Frage: Wieso springt der Markt nicht an? Viele Workoutler berichten von kleineren Testpools mit harten Verhandlungen über den Kaufpreis. Die Kaufpreise werden bankseitig meist als zu gering empfunden. Dies mag daran liegen, dass im Vergleich zur ersten NPL-Welle auf beiden Seiten markterfahrene Entscheider agieren. Kein Aufkäufer wird heute mehr Schwerin als Vorort von Hamburg einstufen. Die Workoutszene in Deutschland ist besonders stark vernetzt. Es fanden horizontale und vertikale Wechsel von Angestellten in und zwischen beiden Lagern statt. Durch die derzeit am Markt zu niedrigen erzielbaren Kaufpreise macht ein Verkauf von Immobilienkreditpaketen für eine Bank kaum Sinn. Auch die Frage nach einer stärkeren Eigenkapitalbindung stellt sich nicht, wenn die Bank zusätzliche nicht vorab gebildete Verluste realisieren muss. Bei einem Verkauf von besicherten Forderungen gibt die Bank das komplette Wertaufholungspotenzial aus der Hand. Gerade in wirtschaftlich prosperierenden Zeiten gelingt es durch ein stringentes auf die Sanierung fokussiertes Workout eine Wiedererholung von ausgefallenen Darlehen zu erreichen. Hier liegt das eigentliche Potenzial für das Kreditinstitut. Die durch einen NPL-Verkauf propagierte schnelle Einsparung aufgrund einer Freisetzung von Bearbeitungskapazitäten in der Marktfolge entspricht oft nicht der Realität. Eine Kostenersparnis durch Auslagerung des fixen Personalkostenblockes kann durch ein starres Arbeitsrecht meist nicht adäquat umgesetzt werden. Die Bank wird sich zudem hüten, Schlüssel-Know-how aufzugeben, da viele Wirtschaftsprüfer genau darauf achten, ob die Kreditinstitute den Anforderungen der MaRisk genügen und ausreichend qualifiziertes Personal in der Sanierung und Abwicklung vorhalten. Der Hebel liegt in einem zeitgemäßen Kennzahlen gesteuerten Workout. Die Bank sollte beispielsweise stets die Umschlagsdauer und die Recovery Rate der Problemkreditengagements messen, um eine optimale Ressourcenallokation zu erreichen. Eine Unterscheidung zwischen freihändigen Verkäufen und Verwertungen im Rahmen der Zwangsversteigerung hat sich bewährt. Das Kreditinstitut muss nicht wie ein Aufkäufer barwertig orientiert auf eine schnelle Verwertung der Sicherheiten drängen, vielmehr ist es in der strategisch interessanten Lage, Sanierungspotenziale voll auszuschöpfen, indem es zeitnah bei ersten Krisenzeichen den Schuldner besucht, um aktuelle Informationen über die wirtschaftliche Situation des Kreditnehmers und die Immobilie zu erlangen. Modernes Workout in der Immobilienkreditbearbeitung Die simple und immer wieder erstaunliche Erfahrung, das der Besuch vor Ort durch die Bank selbst, Vertrauen schafft und gerade den überforderten Schuldner Lösungen aufgezeigt werden können, spielt eine enorme Rolle für das weitere Vorgehen und die Minimierung der Verluste. Das enge und permanente Begleiten der Engagements zahlt sich am Ende aus. Der freihändige Verkauf einer Immobilie im kooperativen Wege ist stets die bessere Alternative für alle Seiten. Dem Kunden kann mittels einer Teilratenvereinbarung und anschließender Restverzichtsvereinbarung eine schuldenfreie Zukunft aufgezeigt werden und die Bank und der Kreditnehmer profitieren von einem höheren Erlös. Als vorteilhaft hat sich erwiesen, wenn die Bank hauseigene Immobilienkompetenz vorhält, etwa in Kombination mit der Immobilienwertermittlungsabteilung. Die Kreditinstitute verfügen in der Regel über genauso belastbare Maklernetzwerke wie die Aufkäuferseite und zeigen oftmals eine größere Kontinuität und Fairness im Umgang mit Dienstleistern. Wenn der kooperative Weg nicht möglich ist, dann sollte das Kreditinstitut konsequent die Sicherheiten mittels dinglicher und persönlicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verwerten. Einbezug von externen Dienstleistern Der Gesetzgeber hat den Kreditinstituten einige Möglichkeiten an die Hand gegeben, die der mit der Abwicklung beauftragte Servicer eines Aufkäufers nicht hat. Die Bank kann eine Insitutszwangsverwaltung6) beantragen und damit eine Zwangsverwaltung in Eigenregie durchführen oder darf selbst eigene Mitarbeiter mit der Vertretung in Zwangsversteigerungsterminen beauftragen.7) Gerade bei größeren Immobilien wird das Kreditinstitut eigene mit allen Informationen ausgestattete Vertreter in den Zwangsversteigerungstermin senden, die mit dem nötigen Fingerspitzengefühl vorgehen und ausreichend Entscheidungskompetenz besitzen. In der Praxis erzielen die Banken hierdurch messbar bessere Terminsergebnisse. Daneben macht es aus Bankensicht Sinn, ein Netzwerk aus erfahrenen externen Terminsvertretern bereit zu halten, um bei Kapazitätsengpässen oder weit entlegenen Gerichten vertreten zu sein. Die Bank sollte, so wie es die Investoren aus der ersten NPL-Welle getan haben, beherzt das Thema Rettungserwerbe zur Verhinderung von Ausfällen angehen. Eine Aufbereitung von Immobilien und die Zuführung in den freien Markt bieten viele Potenziale und ermöglichen so manche Auflösung von Einzelwertberichtigungen. In der Praxis bewährt hat sich der Einsatz von professionellen Inkassodienstleistern bei der Bearbeitung der unbesicherten Restforderungen nach Verwertung der Immobilie. Hier verfügen die großen Inkassogesellschaften über Skaleneffekte und Spezial-Know-how schon alleine aufgrund der Masse der betreuten Fälle und oftmals über die eine für eine solche Bearbeitung unerlässliche maßgeschneiderte Software. Die Bank sollte jedoch auch hier den Einsatz des Dienstleisters mittels eines Controllings überwachen und sich turnusmäßige Auswertungen liefern lassen. Unter Einbindung der hauseigenen Revision ist eine Überprüfung der Arbeitsweise und des Datenschutzes bei der Inkassogesellschaft in zweijährlichen Abständen sinnvoll. Unter Würdigung aller vorgenannten Aspekte kann davon ausgegangen werden, dass die Renaissance der bankinternen Abwicklung weiter an Bedeutung gewinnt. Der Wettbewerb der Servicer auf einem für sie kleiner gewordenen Markt wird sich weiter verschärfen. Banken werden als Ergänzung zum eigenen Workout hoch spezialisierte Dienstleister bei der Vermarktung von Immobilien und der Beitreibung von Forderungen in ihre eigenen internen Prozesse integrieren. Fußnoten 1) Aussage von PwC in FTD vom 14. April 2011, Seite 15. 2) ForderungsPraktiker 02/2011, Seite 55. 3) Immobilien Zeitung vom 07/2011, Seite 3. 4) Return on Investment. 5) BGH, Urteil vom 30. März 2010 - XI ZR 200/09 -6) § 150 a ZVG. 7) § 79 ZPO.

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